Zwei Umweltaktivisten der Gruppe «Letzte Generation» stehen in der Gemäldegalerie Alte Meister an dem Gemälde «Sixtinische Madonna» von Raffael. © picture alliance/dpa Foto: Sebastian Kahnert
Zwei Umweltaktivisten der Gruppe «Letzte Generation» stehen in der Gemäldegalerie Alte Meister an dem Gemälde «Sixtinische Madonna» von Raffael. © picture alliance/dpa Foto: Sebastian Kahnert
Zwei Umweltaktivisten der Gruppe «Letzte Generation» stehen in der Gemäldegalerie Alte Meister an dem Gemälde «Sixtinische Madonna» von Raffael. © picture alliance/dpa Foto: Sebastian Kahnert
AUDIO: Rückblick: Was waren die Kultur-Aufreger 2022? (5 Min)

Rückblick: Was waren die Kultur-Aufreger 2022?

Stand: 30.12.2022 06:00 Uhr

Prägend im Jahr 2022 war der russische Angriff auf die Ukraine mit seinen Folgen. Auch in der Kultur hat das einiges bewegt. Aber 2022 gab es noch weitere Aufreger in der kulturellen Landschaft.

von Julia Jakob

Tatort: Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden; Tatzeit: 12. August; Opfer: Sixtinische Madonna von Raffael. Klimaaktivisten der Bewegung "Letzte Generation" haben sich mit Sekundenkleber an den Rahmen des Gemäldes geklebt. Es folgen weitere Attacken mit Kartoffelbrei und Öl gegen Bilder von Monet, Vermeer, van Gogh und Klimt. Auch in Norddeutschland wird der Sekundenkleber rausgeholt: Bei einem Konzert in der Elbphilharmonie kleben sich zwei Menschen am Dirigentenpult fest - zum Unmut der Besucher.

Carsten Brosda: Verständnis für Klimaaktivisten

Künstler wie Schauspielerin Lina Beckmann, Autor Christian Baron und Regisseur Milo Rau unterzeichnen eine Solidaritätserklärung mit dem Titel: "Klimaschutz ist kein Verbrechen". Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda versteht das Anliegen, wünscht sich aber "dass sie die Kunst- und Kulturorte nicht bloß als Resonanzräume für die Lautstärke ihrer eigenen Botschaft gebrauchen würden, sondern begreifen würden, welchen Verbündeten sie in der Kunst, in der Kultur für ihr Anliegen der Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels haben. Da wäre so viel mehr möglich, wenn wir miteinander arbeiten würden und nicht nur aneinander vorbei."

Kulturstaatsministerin Claudia Roth dagegen hat kein Verständnis: "Kunst oder Leben - was ist denn das für eine Frage?"

Antisemitische Bildsprache bei der documenta 2022

Eine ganz andere Frage musste sich die documenta stellen: Wie kommen antisemitische Bilder in die von dem indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa kuratierte Ausstellung? Claudia Roth ärgert sich schon wieder: "Jetzt möchte ich definitiv aufgeklärt haben, wie es sein kann, dass dieses Bild wenige Stunden vor Eröffnung aufgestellt worden ist und niemand gemerkt haben soll, dass es eine antisemitische Bildsprache enthält. Und dann erwarte ich von den Verantwortlichen der documenta, dass eindeutig sichergestellt wird, dass es keine weiteren Ausstellungsgegenstände mit antisemitischer Bildsprache gibt."

Das ging nicht auf. Es wurden weitere antisemitische Werke entdeckt. Die Chefin Sabine Schormann zog die Konsequenz und trat zurück.

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Schwierige Zeiten für russische Klassiker und Künstler

Zurückgetreten wurde dagegen der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev. Mehrfach wurde der Russe aufgefordert, sich von Putin und seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu distanzieren. Gergiev blieb Putin treu. Seine Agentur trennte sich von ihm. Der Leiter der Künstleragentur, Marcus Felser, begründete dies so: "Ich rechne persönlich nicht damit, dass es Herrn Gergiev möglich ist, in der gebotenen Klarheit diesen verbrecherischen Angriffskrieg zu verurteilen, sich von der russischen Führung in aller Form zu distanzieren und damit seine Position am staatlichen Marinski-Theater zu gefährden."

Das Royal Opera House in London sagte einen Gastauftritt des Dirigenten Pavel Sorokin ab, Künstler und Künstlerinnen wie Sängerin Anna Netrebko und der russisch-griechische Dirigent Teodor Currentzis sollten sich - wie viele andere - positionieren. Von den Spielplänen verschwanden russische Klassiker wie Tschaikowsky und für viele russische Künstler hagelte es Konzertabsagen in Deutschland.

Karl Mays "Winnetou" in der Kritik

Eine ganz andere Absage erhielten zwei Kultfiguren. Sowohl dem Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" als auch dem Buch wurde kulturelle Aneignung vorgeworfen. Plötzlich gerieten auch die Klassiker von Karl May in die Kritik. "Sie vermitteln ein Bild davon, wie Siedler - in der Figur von Old Shatterhand - mit Indigenen zusammengearbeitet haben", sagt Linda Poppe von Survival International. "Das entspricht nicht der Realität, sondern es ging um Gewalt, um Krankheiten, um Ausbeutung. Diese Geschichten unseren Kindern zu erzählen, obwohl wir es inzwischen besser wissen müssten, das halte ich für falsch."

Da stimmt Michael Petzel vom Karl-May-Archiv Göttingen zu. Gewisse Figuren gehen heute nicht mehr, da muss sich auch Karl May eine Überarbeitung gefallen lassen, so Petzel. Aber gegen Verdummung wehrt sich Petzel. Er höre von vielen Lesern: "Karl May sei der Autor, der bei ihnen geradezu ein Wertefundament gelegt hat. Sie hätten bei ihm gelernt, was gut und böse ist, richtig und falsch. Sie hätten ein Bewusstsein für Gerechtigkeit und für fremde Völker gelernt, Respekt vor anderen und für andere Kulturen. Und sie hätten gelernt, was Mut und Widerstand bedeutet."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 30.12.2022 | 07:40 Uhr

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