Poetin Sadaf Zahedi: "Ich weiß, was es heißt, als Frau nicht frei zu sein"
Poetin und Aktivistin Sadaf Zahedi setzt sich für Frauenrechte ein und will mit ihrem Projekt "Bildung ohne Bücher" afghanische Kinder fördern. Am 29. November tritt sie im Osnabrücker Emma Theater auf.
Als Teil einer Performance wird Sadaf Zahedi ihr Gedicht "Wo der Mandelbaum blüht" im Emma Theater vortragen. Es beginnt mit diesen Worten:
Ich wünschte, ich säße in einem Garten.
Einem Garten voller Bäume und Träume.
Ich stehe vor meinem Spiegel, nehme mein Tuch, binde mir das Haar,
verdecke seine Schönheit und verschleiere mich.
Gemeinsam mit Schauspielerin Lua Mariell Barros Heckmanns stellen sie an diesem Theaterabend das alte und das moderne Afghanistan dar. Es geht um die Machtergreifung der Taliban und wie sich das Leben der Frauen seitdem verändert hat - und wie es vorher war. Musikalisch begleitet Hasan Azarmehr das Stück. Außer der Rezitation ihrer Gedichte werden sie an dem Abend nicht sprechen. Sie lassen Bilder die Geschichten erzählen. "Bilder können ohne Sprache dafür sorgen, dass Menschen 1.000 Wörter in den Kopf bekommen", erklärt Sadaf Zahedi.
Transkulturelles am Theater Osnabrück
Tanja Springer, der künstlerischen Leiterin Junge Bühne und Transkulturelles am Theater Osnabrück, ist es ein Anliegen, aktuellen und transkulturellen Themen einen Raum zu geben: "Seit der Machtübernahme durch die Taliban ist das Leben von Frauen in Afghanistan massiv eingeschränkt. Hierzulande ist die Situation in Afghanistan aber kaum noch in der öffentlichen Wahrnehmung. Sadaf Zahedi erhebt ihre Stimme für die Frauen in Afghanistan und schafft es mit den Mitteln von Kunst und Poesie in eindringlicher Lyrik auf ihr Schicksal hinzuweisen."
Zahedis Biografie ist ihr Antrieb für ihren Aktivismus
Sadaf Zahedis Einsatz für die Rechte von Frauen, vor allem in Afghanistan, führt sie nach Osnabrück. Mittlerweile wohnt die gebürtige Afghanin mit ihrer Familie bei Bremen. Im Gespräch erzählt sie, dass ihre eigene Biografie der Antrieb für ihren Aktivismus ist. "Ich habe Zweidrittel meines Lebens für meine Freiheit gekämpft, ich habe viel Gewalt und Unterdrückung in meinem Elternhaus erlebt, ich durfte mich nicht bilden, ich musste ein Kopftuch tragen, ich sollte zwangsverheiratet werden, mein Vater hat einen Ehrenmord geplant. Ich weiß, was es bedeutet, als Frau nicht frei zu sein und sich ohnmächtig zu fühlen." Als Tochter eines Mudschahedin-Kämpfers kam Sadaf Zahedi nach Deutschland. Sie könne nicht anders, als sich dafür einzusetzen, dass unterdrückte Frauen gleichberechtigte Chancen haben, sagt die 39-Jährige.
Ihr Gedicht "Meira, das Mädchen ohne Gesicht" las sie bei der Abschluss-Konferenz der UNESCO in Schottland. Es handelt von einem Mädchen, das Rad fahren möchte und alles für ihren Wunsch riskiert. Bis es sich am Ende die Haare abschneidet und sich in einen Jungen verwandelt, um Freiheit zu spüren.
Leseförderung durch "Bildung ohne Bücher"
Den Schlüssel, um den Frauen und Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, sieht sie in der Bildung. Durch ihre öffentlichen Auftritte, wie Lesungen, macht sie auf ihr Herzensprojekt aufmerksam und sammelt Geld. Sadaf Zahedi will Menschen, die nicht lesen können, ein Bildungsangebot bereitstellen. Mit "Bildung ohne Bücher" ist ihr Ziel, mithilfe von MP3-Playern afghanischen Kindern in den ländlichen Regionen des Landes zweisprachige Geschichten nahezubringen und Bildung zu vermitteln. Für dieses ambitionierte Vorhaben haben sie und ihr Team Solarplatten mit hitzebeständigen MP3-Playern verbunden. Diese sollen in einem nächsten Schritt an afghanische Kinder verteilt werden. Hören können die Kinder dann die Geschichte einer Elster, die sich mit drei weiteren Tieren auf eine Reise um die Welt begibt. Gemeinsam lernen sie dabei andere Länder und Kulturen kennen.
Afghanistan ist Zahedis "Heimat im Herzen"
Im nächsten Jahr will Sadaf Zahedi dafür nach Afghanistan fliegen. Aus Sicherheitsgründen musste sie dafür ihre afghanische Staatsangehörigkeit ablegen - und behält nur noch ihre Deutsche. "Das tut mir ein bisschen weh, damit habe ich hart zu kämpfen", sagt sie. Sie spricht von Afghanistan als ihrer "Heimat im Herzen", die das Land für sie bleiben werde, ob mit oder ohne entsprechenden Hinweis in ihrem Pass. Ein Afghanistan, das sich im "Widerspruch zwischen kulturellem Reichtum und einem totalitären Regime" befindet - heißt es in der Ankündigung des Emma Theaters Osnabrück.