Neuer "frauenOrt" in Melle: Das Leben der Schriftstellerin Ilse Losa
In Portugal werden ihre Bücher in der Schule gelesen, in Deutschland ist die Schriftstellerin Ilse Losa unbekannt - noch. Denn eine Gruppe Frauen aus Melle im Osnabrücker Land will das ändern. Melle ist der Geburtsort der Schriftstellerin, die am 20. März 110 Jahre alt geworden wäre.
Eine Kunsthistorikerin, die in der Exilforschung aktiv ist, eine Autorin und bildende Künstlerin und eine ehemalige Lehrerin, die sich mit Genderforschung beschäftigt, sind Initiatorinnen von "Frauenort für Ilse Losa". Seit einigen Jahren tauchen die drei immer tiefer ein in die Geschichte der Schriftstellerin, die in Portugal vor allem für ihre Kinderbücher bekannt ist.
Vertreibung ins Exil nach Portugal
1934 musste die damals 20-jährige jüdische Frau Deutschland verlassen. Sie hatte in einem privaten Brief Hitler als Verbrecher bezeichnet und wurde daraufhin von der Gestapo verhört, erzählt die Exilforscherin Irene Below: "Wir wissen, dass sie depressiv war und ihr Schreiben damit begonnen hat und sie sich mit diesem ersten Buch 'Die Welt in der ich lebte' aus der Depression herausgeschrieben hat. Gleichzeitig war sie aber eine Kämpferin. Als sie ankam, sagte ihr Bruder: 'Nein du kannst nicht mit ins Café gehen. Da geht man als Frau nicht hin.' Und dann hat sie gesagt: 'Natürlich gehe ich ins Café'. Sie hat sich da als widerständig gezeigt hat und ist es auch geblieben."
Schriftstellerin machte sich stark für Ausgegrenzte
Immer trat Ilse Losa für Ausgegrenzte ein, wie zum Beispiel benachteiligte Frauen. Und in dem einzigen ihrer Kinderbücher, das in Deutschland erschienen ist: "Beatriz und die Platane" geht es um eine Umweltschützerin: Ein kleines Mädchen, das durch einen Sitzstreik einen Baum retten will. Ilse Losa hat neben drei Exilromanen über 20 Kinderbücher veröffentlicht. Ihre Literatur in Deutschland bekannter zu machen, das ist ein Ziel der Fraueninitiative aus Melle.
Auch wenn sie auf Portugiesisch schrieb, hat die Autorin ihr Leben lang darunter gelitten, ihre Sprache und ihre Heimat verloren zu haben. Gerade deshalb findet die Künstlerin Barbara Daiber es umso erstaunlicher, was sie in Portugal vollbracht hat: "Sie musste sich dort eine ganz neue Welt aufbauen. Und es gibt ja viele Menschen, denen es heute genauso geht. Ich finde, dass sie ist ein Stück ein Vorbild ist. Dass man auch in einer fremden Welt doch so aktiv Fuß fassen kann, und auch erfolgreich sein kann. Vielleicht auch mit den Verlusten, die man erlitten hat und die man auch zeitlebens spürt, das macht sie auch immer deutlich."
50 Orte in Niedersachen, die besondere Persönlichkeiten hervorheben
Ende der 1980er-Jahre hat eine Osnabrückerin, die das Leben und Werk von Exilschriftstellerinnen erforschte, Ilse Losa entdeckt. Anfang der 1990er wurde sie nach Melle eingeladen und hat dort gelesen. Nun soll Ilse Losa in ihrem Heimatort bekannter werden: Mit der Initiative Frauenorte. In Niedersachsen gibt es bereits rund 50 Frauenorte, mit jeweils einer besonderen Persönlichkeit aus dem jeweiligen Ort. Eine Initiative des niedersächsischen Landesfrauenrats. Unter anderem ein Radweg mit Hörstationen soll dann die Geschichte der Exilschriftstellerin erzählen.
Späte Ehrung für Ilse Losa
Es gilt als sicher, dass die Stadt die Initiative unterstützt, sagt die Bürgermeisterin. Angelika Kemper, eine ehemalige Lehrerin, die sich mit Genderstudies beschäftigt, sieht das auch als späte Ehrung für Ilse Losa: "Dass der Ort, in dem sie geboren ist und wo sie ihre Kindheit und ihre Jugend verbracht hat, sie nach 90 Jahre der Vertreibung ehrt, da schließt sich ein Kreis. Ich finde zwar spät, aber immerhin."