Mit Musik gegen Einsamkeit: Dirigent Martin Brauß im Gespräch
Viele Menschen in Deutschland sind einsam. Die Bürgerstiftungen im Norden fördern zahlreiche Projekte, die dazu beitragen, Menschen wieder näher zusammenzubringen. Der Dirigent Martin Brauß engagiert sich in der Bürgerstiftung Hannover.
Herr Brauß, was machen Sie in der Bürgerstiftung Hannover, damit aus einsam gemeinsam wird?
Martin Brauß: Dieser Ansatz oder dieses Ziel dieser Bürgerstiftung ist das, was unsere Gesellschaft braucht. Wir sehen überall, dass die Einsamkeit wächst. Ich als Musiker bin im Kuratorium und versuche, über meinen musikalischen Tellerrand zu gucken und zu helfen, wo es geht. Manchmal konkret, nicht als Musiker, sondern als Mensch und Bürger, und als Musiker, indem ich meine Studierenden und mich selbst animiere, dorthin zu gehen. Es gibt auch Institutionen, die das außerhalb der Bürgerstiftung betreiben, wo man einsame Menschen mit Musik erreicht und ihnen Freude macht. Das ist ein wichtiges Wort: Sie brauchen Freude.
Es gibt immer mehr Einsamkeit, und es gibt auch Statistiken, die das belegen. Woran bemerken Sie das?
Brauß: Ich selbst bin als professioneller Musiker am Rande dieser Probleme - das muss ich bekennen. Gleichzeitig ist es natürlich ein Glück, wenn man nicht selbst so sehr davon betroffen ist. Auch die älteren Menschen um mich herum, die ich familiär kenne, sind nicht einsam. Aber ich verfolge das sehr deutlich und bekomme das nicht nur durch die Statistiken mit, sondern auch durch meine Frau, die sich auch ehrenamtlich in der Bürgerstiftung engagiert und Patin für eine Seniorin ist. Ich bekomme genau mit, was das für ein Glück ist, wenn sich jemand um diese alten Menschen kümmert, die abgehängt sind, die nicht mehr mobil sind, die keine Besuche mehr bekommen.
Wie erreichen sie die Menschen? Wie kommen Sie an Kontakte und Adressen?
Brauß: Das liegt zum Beispiel daran, dass wir als Institution der Hochschule für Musik und Theater in Hannover diese Adressen haben, dass wir in Krankenhäuser, zu Hospizen fahren und mit kleinen Ensembles dort auftreten. Manchmal stehen wir in den Gängen in den Krankenhäusern, den Altenheimen, in Pflegeheim und musizieren für die dort wohnenden Menschen.
Was erleben Sie besonders in der Vorweihnachtszeit? Was sind berührende Momente, wo Sie merken: Das ist richtig, was ich hier mache?
Brauß: Das betrifft ältere Menschen und junge Menschen. Bei den jungen sind es oft Kinder mit Beeinträchtigungen, mit Autismus, mit anderen Beeinträchtigungen, wie die auf Musik reagieren - das muss man einfach erleben. Zwar nicht so wie wir "normale" Menschen, aber man sieht das Glück. Und bei alten Menschen sieht man die Erinnerungen, die wiederkehren. Das kann sehr stark auf diese Menschen einwirken. Das spürt man direkt beim Musizieren selbst. Das ist für uns Profis etwas Angenehmes, weil das der Sinn unseres Musizierens ist: Wir möchten Menschen erreichen, die das auch beglückt.
Warum ist Musik als eigene Form der Kommunikation da besonders geeignet?
Brauß: Sie erreicht die Menschen unmittelbar in den tieferen psychischen Schichten - nicht vermittelt über Logik, über Sprache, über andere Dinge -, und sie weckt Erinnerungen, die verschüttet sind. Im besten Falle sind das positive Erinnerungen. Das können zum Beispiel Weihnachtslieder sein, die man als erwachsener Mensch vielleicht gar nicht mehr glaubt, von denen man sich entfernt hat. Aber als Kind war das ein Zauber, und dieser Zauber kommt dann für diesen Moment des Musizierens zurück.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.