Marcel Proust: Ein langer Roman und ein kurzes Leben
Am 10. Juli 1871 wurde der französische Schriftsteller Marcel Proust in Paris geboren. Sein gigantisches Werk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" steht im Zentrum seines Schaffens.
Er machte Gebäck zu einem Stückchen Weltliteratur. Marcel Proust beschreibt in seinem Romanzyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" den Vorgang, wie ein in Tee getunktes jacobsmuschelförmiges Biskuit-Teilchen beim Ich-Erzähler eine Flut von Erinnerungen und Gefühlen auslöst.
"In der Sekunde nun, als dieser mit dem Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog." Marcel Proust
Inniges Verhältnis zur Mutter
"Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ist aber nicht nur ein Werk über intensive Wahrnehmungen und Erinnerungen, ein Epos voller minutiöser Schilderungen von Sinneseindrücken und Gedanken. Sondern auch ein umfassender Liebes-, Künstler- und Gesellschaftsroman.
Proust wehrte sich zwar dagegen, wenn es hieß, Erzählerfigur und Autor wären identisch. Aber autobiographische Parallelen lassen sich nicht leugnen. Da wären die übergroße Empfindsamkeit, die Lebensängste und die ausgeprägte Liebe zur Mutter. Jeanne Proust war für Marcel der einzige Halt in einer Welt, in der er sich schon als Kind unbehaglich fühlte.
Marcel Proust verprasste das Erbe der Eltern
Marcels Vater Adrien Proust - Medizinprofessor an der Pariser Sorbonne - hatte sich den Sohn anders gewünscht. So wie dessen Bruder: sportlich, erfolgreich, gesund an Leib und Seele. Marcel dagegen war kränklich, nervös, hatte homosexuelle Neigungen und wollte auch noch Schriftsteller werden. 1903 starb Adrien Proust, zwei Jahre später die über alles geliebte Mama. Marcel Proust war nun 34 Jahre alt und durch das Erbe der vermögenden Eltern reich geworden. Das Geld gab er mit vollen Händen aus und verschuldete sich.
1907 begann die Idee für seinen Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" zu reifen und schon ein paar Jahre später stand dann auch der erste Satz auf dem Papier: "Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen". Die Verlage lehnten das Manuskript zunächst irritiert ab (Zitat eines Verlegers: "Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, dass ein Mensch 30 Seiten braucht, um zu beschreiben, wie er sich vor dem Einschlafen im Bett hin- und herwälzt!“)
"Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" wie eine Kathedrale
1913 erschien dann der erste Teil "In Swanns Welt". Die Resonanz war verhalten. Aber für den zweiten Teil, "Im Schatten junger Mädchenblüte" wurde Proust 1919 mit dem renommierten "Prix Goncourt" ausgezeichnet und international bekannt. Proust schrieb, änderte und feilte unermüdlich an diesem immer weiter ausufernden Text, den er mit einer "Kathedrale" verglich. Der französische Schriftsteller Anatol France urteilte: "Das Leben ist zu kurz und Proust zu lang". Und dabei kannte der nur den ersten der insgesamt sieben Bände.
Nach gut 15 Jahren Arbeit, 1922, gestand Proust seiner Haushälterin und Vertrauten Céleste: "In dieser Nacht habe ich das Wort 'Ende' gesetzt. Jetzt kann ich sterben". Kurz darauf, im Alter von nur 51 Jahren, tat er das dann auch. Selbst wenn man sein gigantisches Werk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" nicht gelesen, diese Kathedrale der Literatur nie betreten hat: von der berühmten Madeleine hat wohl jeder schon mal gehört. In den Tee getaucht hat sie der geniale Schriftsteller Marcel Proust.