"Kunst auf Rezept" - Kultur fördert die Gesundheit
Laut einer britischen Studie führt Kulturkonsum nicht nur zu mehr Lebensqualität, sondern auch zu höherer Produktivität. Ein Pilotprojekt in Bremen verordnet "Kunst auf Rezept", auch die Berliner Charité beschäftigt sich mit dem Thema.
Womöglich verschreibt Ihnen Ihr Arzt oder Ihre Ärztin statt Medikamenten und Therapie einen Besuch im Museum! Oder dass Sie einer Theatergruppe beitreten. Denn der Zusammenhang von Kultur und Gesundheit wird immer deutlicher. Eine Studie in Großbritannien beziffert die Auswirkungen der Kunst und des Kulturerbes auf die körperliche und geistige Gesundheit sowie den Geldwert der damit verbundenen Vorteile auf acht Milliarden Pfund pro Jahr.
Musiktherapie senkt den Blutdruck
An der Berliner Charité beschäftigt sich die Abteilung: "Netzwerk Kunst und Medizin" damit, wie Kunstgenuss auf Menschen wirkt und was Kultur bewirken kann. Professor Stefan Willich, Leiter des Netzwerks, will erreichen, dass Kunst therapeutisch mehr genutzt wird. Denn die Zusammenhänge seien klar: "Das fängt schon damit an, dass Musiktherapie zum Beispiel in der Neonatologie, also auf Stationen mit frühgeborenen Babys erstaunliche Wirkung hat - und zwar harte physiologische Wirkung."
Der Mediziner nennt als Beispiele die Sauerstoffsättigung im Blut, eine verbesserte Stillfrequenz, die Atemwegsreifung und nicht zuletzt die Krankenhausverweildauer, die man verkürzen könne. Bei Demenzerkrankungen oder Autismus werde ebenfalls Musiktherapie eingesetzt, und auch im Herz-Kreislauf-Sektor zeige sich die Wirkung: Musiktherapie senkt den Blutdruck, das belegen einige Studien. Die Ergebnisse seien zudem durchaus vergleichbar mit Medikamentenwirkung, so Willich: "Das ist nicht nur geringfügig oder trivial, sondern das ist auch klinisch relevant und nachhaltig."
Bremer Pilotprojekt für psychische Gesundheit
Darauf beruht in der praktischen Umsetzung die Idee von "Arts on Prescription" ("Kunst auf Rezept") - in Großbritannien und den USA schon länger populär. Und jetzt auch in Bremen, denn dort gibt es seit einigen Jahren ein Pilotprojekt: "Der Projektantrag ist 2022 erstellt worden, nach der Corona-Zeit, in der grundsätzlich die psychische Belastung zugenommen hat. Es ist ein niedrigschwelliges Angebot, das die psychische Gesundheit stärkt, das präventiv wirken kann und einen gesundheitsfördernden Effekt hat", erzählt Imke Seifert von der senatorischen Behörde für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz in Bremen.
Eine interessante Wechselwirkung: Gerade die Kultur hat durch Corona besonders gelitten, aber ihr Wegfall hat für viele Menschen zu größerem psychischen Leiden geführt. Was vielleicht durch Kunst auf Rezept teilweise kuriert werden kann. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 2019 eine Metastudie veröffentlicht, die mehr als 900 Publikationen mit 3.000 Studien überprüft hat. Insgesamt zeigten die Ergebnisse, dass Kunst sowohl die psychische als auch physische Gesundheit beeinflussen kann.
Mit dem Kunst-Rezept Kulturangebote wahrnehmen
Hannah Goebel von der Volkshochschule Bremen, Projektpartner der Hansestadt, erklärt, wie Patientinnen und Patienten an die Angebote kommen: "Wir haben ein Kunstrezept entwickelt, angelehnt an das, was man aus Arztpraxen kennt. Und das hat super funktioniert. Es sind sehr viele Leute mit diesen Rezepten bei uns angekommen - viel mehr, als wir an Plätzen in diesem Pilotprojekt anbieten konnten." Kooperationspartner waren Arztpraxen und psychotherapeutische Praxen, die die Rezepte ausgeben konnten.
Zeichnen oder Improtheater – das sind nur zwei der Kursmöglichkeiten, für die das Rezept eingelöst werden konnte. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv, erzählt Imke Seifert, auch von Seiten der verschreibenden medizinischen und therapeutischen Fachleute: "Die sind natürlich oft in der Situation, dass sie eine Person vor sich haben, wo sie sagen: Also, irgendwie eine Therapie ist jetzt nicht das Richtige, aber der Person geht es nicht gut - und sind dann ein bisschen alleingelassen mit den Optionen, die sie anbieten können."
Entlastung für das Gesundheitssystem
Kunst auf Rezept sei darum eine hilfreiche Ergänzung, die es bisher nicht gab. Für viele Menschen, die Kunst "verschrieben" bekommen hatten, sei der soziale Aspekt sehr wichtig - und zum anderen die künstlerische Komponente selbst, erzählt Hannah Goebel: "Künstlerische Aktivitäten können eine sehr große Ressource für Menschen sein. Auch 'Coping'-Strategien, also Dinge die sie tun können, wenn es ihnen schlecht geht und die dann helfen können, wie zum Beispiel singen, schreiben, malen. In diesem künstlerischen Prozess kann man auch Selbstwirksamkeitserfahrungen machen."
Ihr Fazit: Kunst auf Rezept ist eine Ergänzung im Versorgungssystem, die eine Lücke schließt. Sie kann sich vorstellen, dass das Gesundheitssystem dadurch etwas entlastet wird - durch die Prävention. Denn der Besuch eines Kunstkurses sei nun mal viel günstiger, als wenn Menschen erstmal spezialisiert in Psychiatrie und Psychotherapie versorgt werden müssen..
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