Gegen Antisemitismus: Künstler setzen in Lübeck ein Zeichen
Seit Wochen gehen Hunderttausende in Deutschland gegen die AfD und Rechtsextremismus auf die Straße. Unter dem Titel "Nie wieder" haben Künstlerinnen und Künstler am Dienstag im Theater Kolosseum in Lübeck ein Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt.
Fast 500 Menschen lauschen im Saal. Das Theater ist ausverkauft. Martina Tegtmeier stimmt die Musik des ukrainischen Komponisten Viktor Vlasov an. Das Stück "Gulag" soll an die Stimmung in einem Lager erinnern. Sirenen, Peitschenhiebe, Stille.
Unter dem Titel "Nie wieder ist jetzt, das Schweigen überwinden", protestieren Künstlerinnen und Künstler gegen Antisemitismus und Rassismus. Es ist ein Pionierprojekt im Land. Auf dem Programm: Fast ausschließlich Texte von jüdischen Komponisten, Autorinnen und Autoren. Lesungen wechseln sich ab mit Gesang und Text.
Engholm: "Wo Rechtsextreme sich wie ein Virus vermehren, darf der Rechtsstaat nicht zuschauen"
Vor den Chansons und Gedichten werden die Lebensläufe verlesen. So erfahren die Zuhörenden an diesem Abend, dass Erich Kästner einer der wenigen Autoren war, der bei der Verbrennung seiner Bücher dabei war. Es sei ein Abend, "der überfällig war", mit einem "Thema, das unter den Nägeln brennt" hieß es.
Der ehemalige Ministerpräsident Björn Engholm sagte in seiner Ansprache das, was vielen im Saal aus den Herzen spricht: Antisemitismus sei die hässlichste Fratze der Geschichte. "Wo Rechtsextreme sich wie ein Virus vermehren, da darf der Rechtsstaat nicht zuschauen", so Engholm. "Wenn ich den Charakter des Protestes hier nehme, das hier ist nachdenklicher. Es ist nicht so direkt und brutal wie manchmal auf großen manchen Demos und leichte Musikstücke."
"Zur jüdischen Kultur gehört Freude am Leben"
Initiatorin des Abends ist Dagmar Heidenreich, Vorsitzende der Heidenreich Stiftung. Sie beobachtet seit 30 Jahren die Situation im Land, seit November hat sie die Veranstaltung vorbereitet. "Ich bin richtig überwältigt, ich versuche meine Tränen zurückzuhalten", sagt Heidenreich. "Dieser Zuspruch, die Dankbarkeit, es wird etwas gemacht." Jeder der neun Künstlerinnen und Künstler hat an diesem Abend auf seine Gage verzichtet. Für Künstler Andreas Hutzel ist es ein Herzensprojekt: "Es ist einfach wichtig Flagge zu zeigen."
Im Publikum kommt das gut an. "Es ist besonders emotional. Heute Abend ist eine besondere Stimmung", sagt der Besucher Klaus Mai. "Ich wusste nicht, dass es so einen Vorbildcharakter haben könnte, es ist ganz wundervolle Stimmung heute Abend, schöner kann ich mir das nicht vorstellen. Was wir eben auch gehört haben, das Lied 'Bella Ciao', kennen wir von früher und erfüllt mich mit großer Freude." Schauspielerin Laila Salome Fischer sagt: "Zur jüdischen Kultur gehört auch Freude am Leben, ich finde wichtig das auch zu zeigen. nicht immer nur die Schattenseiten. Ich nehme sehr viel Hoffnung mit, manchmal verzweifelt man ja doch ein bisschen."
Am Ende gibt es Standing Ovations, alle singen gemeinsam ein Friedenslied aus Israel. Knapp 13.000 Euro sind an dem Abend zusammengekommen. Der Erlös geht an die jüdische Gemeinde, die seit langem für eine neue Thorarolle sammelt. Ob es jetzt mehrere von diesen Abenden gibt: "Es gibt Dinge im Leben - so wie dieses Format - die lassen sich nicht wiederholen", so Dagmar Heidenreich.