Bildungsexpertin schult Polizei gegen Antisemitismus
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel ist die Zahl der antisemitischen Vorfälle stark gestiegen. Eine Pädagogin will Polizistinnen und Polizisten in Eutin dabei helfen, Antisemitismus besser zu erkennen.
Seit acht Jahren macht Demokratiepädagogin Wencke Stegemann Workshops zum Thema Antisemitismus. An einer Polizeidirektion in Schleswig-Holstein war sie noch nie. Für die Polizistinnen und Polizisten gibt es ein spezielles Seminar. Wencke Stegemann hat sieben echte Fälle aus Schleswig-Holstein mitgebracht. Ein Beispiel: "In einer Bahnunterführung (...) wurde der Schriftzug "FCK JUDE" gesprüht." Die Beamten sollen nun entscheiden: antisemitischer Vorfall oder nicht.
Polizeidirektion in Eutin will besser auf antisemitische Taten vorbereitet sein
Die 45-Jährige Seminarleiterin hofft, dass die Teilnehmenden Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem wahrnehmen. "Die Polizei ist eine große Basis für den Erhalt der Demokratie", sagt sie. Die Polizeidirektion hat sie eingeladen. Alle 22 Polizistinnen und Polizisten sind freiwillig hier. Mit dabei ist auch der Ausbilder Matthias Faber. Es sei wichtig, die richtigen Werte und Normen an die Auszubildenden weiterzugeben, sagt er. "Ich will erkennen, wo ich beim Thema Antisemitismus noch einen blinden Fleck habe", erzählt Faber.
Antisemitismus gibt es in verschiedenen Formen
Was Antisemitismus genau ist, das wüssten viele gar nicht, sagt Stegemann. Vor allem der sogenannte israelbezogene Antisemitismus habe nach dem terroristischen Angriff der Hamas im Oktober zugenommen. Er überträgt antisemitische Stereotype auf den Staat Israel. Zum Beispiel, dass Israel ein bösartiger Staat sei, der nur Unheil über die Welt und die Palästinenserinnen und Palästinenser bringe. Die zweite präsente Form bezeichnet Wencke Stegemann als "Grundrauschen": "Jüdinnen und Juden berichten, dass sie zum Beispiel immer öfter als reich bezeichnet werden." Das würde laut der Expertin nicht von politisch extremen Gruppen ausgehen, sondern aus der Mitte der Gesellschaft.
Nicht alle Fälle von Antisemitismus tauchen in der Kriminalstatistik auf
Zum Ende des Seminars geben die Polizistinnen und Polizisten ihre Einschätzung zu den echten Fällen ab. Darunter auch die Schmiererei und eine Kundgebung in Kiel. Dort haben Teilnehmende "Kindermörder Israel" skandiert. Die Polizistinnen und Polizisten stufen alle Fälle als antisemitisch ein. Wencke Stegemann stimmt zu, verrät aber: "Das sind leider alles Fälle, die in der Statistik nicht in Antisemitismusformen eingeordnet wurden." Ihr Appell: "Für euch ist es also relevant, noch mal nachzuvollziehen, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema Antisemitismus auszukennen."
Immer mehr Seminare von Behörden angefragt
"Viele jüdische Menschen fühlen sich nicht gesehen", erklärt Wencke Stegemann zum Abschluss. Sie habe aber das Gefühl, dass bei den Teilnehmenden schon ein Umdenken und die Reflektion der eigenen Haltung stattgefunden habe. Kommende Woche hält die Bildungsexpertin einen Vortrag in der Verwaltung in Rendsburg. Auch dort will Wencke Stegemann für das Thema Antisemitismus sensibilisieren.