Kinder und eine ältere Frau umarmen sich © Magalí Druscovich Foto: Magalí Druscovich

Fotoausstellung in Rendsburg: Erinnern an die Opfer der Hamas

Stand: 11.10.2024 13:58 Uhr

Die Ausstellung "Home Front - Menschen in Israel nach dem 7. Oktober 2023" im Jüdischen Museum Rendsburg widmet sich den Wunden und den Geschichten der Überlebenden des Hamas-Anschlags.

Das brutale Massaker der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 erschütterte die israelische Zivilbevölkerung und hinterließ tiefe Wunden in der Gesellschaft. Ein Jahr später widmet sich die Ausstellung "Home Front - Menschen in Israel nach dem 7. Oktober 2023" im Jüdischen Museum Rendsburg diesen Wunden und den Geschichten der Überlebenden. Die argentinische Fotografin Magalí Druscovich, die im März und April 2024 in Israel war, hat eindrückliche Aufnahmen geschaffen, die nicht nur das Leid, sondern auch die Stärke, Hoffnung und den Zusammenhalt der Menschen dokumentieren. Diese Sammlung fordert dazu auf, über politische Grenzen hinweg Menschlichkeit zu zeigen und das Leiden aller Betroffenen anzuerkennen - sowohl in Israel als auch in Gaza. Welche Herausforderung das Kuratieren der Ausstellung mit sich brachte, erläutert Mirjam Gläser aus dem Bereich Vermittlung des Hauses.

Wie geht das Jüdische Museum Rendsburg mit den Themen Antisemitismus und historischer sowie aktueller Gewalt gegen jüdische Gemeinschaften um?

Mirjam Gläser: In unserer Dauerausstellung spielt Antisemitismus an verschiedenen Stellen eine Rolle. Es gibt beispielsweise eine Station unter der Überschrift: "Sind Jüdinnen und Juden in Schleswig-Holstein sicher?" Dort thematisieren wir den ersten Angriff auf eine Synagoge nach der Shoah in Deutschland - das war 1994 in Lübeck. Damit machen wir auf die andauernde "Unsicherheit" von Jüdinnen und Juden nach dem Holocaust und in Deutschland heute aufmerksam. Im Kontext der Sonderausstellung "Home Front" behandeln wir zum einen das Thema des israelbezogenen Antisemitismus, aber insbesondere auch, welche Auswirkungen der Anschlag der Hamas auf Jüdinnen und Juden in Deutschland und Schleswig-Holstein hat.

Was ist in der Sonderausstellung "Home Front" zu sehen?

Gläser: Die Fotografin Magalí Druscovich war im Frühjahr 2024 in Israel und hat eindrückliche, großformatige Bilder geschaffen, die sehr berührende Geschichten von Überlebenden erzählen und an die Opfer der Überfälle erinnern. Es geht um Personen und Gruppen, die sich gegenseitig geholfen haben - während und nach dem Terrorangriff. Das besondere an den Bildern ist, dass sie Stärke und Entschlossenheit vermitteln. Die Porträtierten erzählen nicht nur von ihrem Schmerz, sondern auch von Überlebenswillen, Zusammenhalt und Hoffnung.

Welche Herausforderungen bringt denn aus Museumsperspektive der Umgang mit dem 7. Oktober mit sich?

Gläser: Die größte Herausforderung ist es, sehr komplexe Inhalte zu vermitteln. Einerseits geht es um die Situation von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Warum ist der Aufschrei der Mehrheitsgesellschaft ausgeblieben? Viele fühlen sich alleine und machen die Erfahrung, dass oft von ihnen erwarten wird, zur israelischen Politik Stellung zu beziehen. Zudem geht es darum, Wissen über den Krieg in Israel/Palästina selbst zu vermitteln. Es wird oft in Schwarz-Weiß-Kategorien gedacht: Mit wem fühlt man sich solidarisch, mit wem nicht?

Eine Gruppe von Menschen posiert in einem Felsigen Gebiet © Magalí Druscovich Foto: Magalí Druscovich
Gabriel und Tamir wurden im Rahmen ihres freiwilligen Wachdienstes gerufen, um den Kibbuz zu schützen.

Wir merken auch hier im Museum, dass Menschen oft einfache Antworten auf diese komplexen Situationen haben wollen, aber es sind die Grautöne auf die es ankommt. Gleichzeitig ist es für uns wichtig, Haltung zu zeigen. Man kann den brutalen Angriff der Hamas auf Israel eindeutig verurteilen und gleichzeitig Empathie für die palästinensische Bevölkerung empfinden, die jetzt unter dem Gaza-Krieg leidet. Empathie und Mitgefühl für beide Seiten schließen sich nicht aus. Eine weitere Herausforderung bedeutet, klar zu machen, dass Antisemitismus kein alleiniges Problem von muslimischer Seite ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Es ist wichtig zu betonen, dass nach dem 7. Oktober nicht nur Antisemitismus, sondern auch antimuslimischer Rassismus enorm angewachsen ist. Und die Sicherheitslage für das Museum selbst hat sich verändert. Die Angriffe beziehen sich eben auf alles, was mit dem Judentum und Israel in Verbindung gebracht wird.

Inwiefern wird die palästinensische Perspektive thematisiert?

Gläser: Als Jüdisches Museum fokussieren wir uns in der Ausstellung auf die Menschen, die durch die Hamas zu Opfern wurden. Aber schon im Einleitungstext der Ausstellung laden wir zu einem Dialog ein, um verschiedene Standpunkte und Perspektiven hörbar und besprechbar zu machen. Die palästinensischen Perspektiven kommen natürlich in unseren Führungen und Workshops vor. Es ist uns wichtig, einen Dialog zu ermöglichen, wobei wir dabei ganz klar Haltung beziehen: Das Existenzrecht Israels und das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat werden nicht infrage gestellt. Ebenso ist für uns die Gleichsetzung von Naziverbrechen und dem Vorgehen Israels nicht verhandelbar.

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Inwiefern soll die Ausstellung zur Aufklärung über die aktuelle Situation beitragen?

Gläser: Diese Ausstellung ist bereits vor einem halben Jahr entstanden. In einer Zeit, in der die aktuelle Situation so nicht absehbar war. Nichtsdestotrotz ist sie gerade jetzt sehr wichtig, da sie an die Menschen erinnert, die zu Opfern geworden sind. Sie macht noch einmal deutlich, dass ohne den menschenverachtenden, grausamen Angriff der Hamas die derzeitige Situation so nicht entstanden wäre. Das scheint in den heutigen Debatten häufig in Vergessenheit zu geraten.

Welche Kooperationen sind als Begleitprogramm in Planung?

Vier Frauen posieren in einem Raum © Magalí Druscovich Foto: Magalí Druscovich
Sigalit Shemer, Naama Navon, Talila Ariel und Tali Atias verloren ihre Kinder beim Nova-Festival. Sie kannten sich vor dem 7. Oktober nicht, doch sie eint der Schmerz, ein Kind zu verlieren.

Gläser: Gemeinsam mit dem Literaturhaus Schleswig-Holstein wollen zum Beispiel Meron Mendel und Saba-Nur Chema mit ihrem neuen Buch "Jüdisch-muslimisches Abendbrot" einladen. Wir werden bestimmt auch noch einen Vortrag zur aktuellen Lage in Israel anbieten. Wichtig ist uns bei allen Formaten, dass Menschen ihre Fragen und ihre Sorgen mitbringen können. Allerdings sollte dabei eine Offenheit hinsichtlich der eigenen Position und Konfliktlinien in der deutschen Gesellschaft vorhanden sein. Wir sind an einem ehrlichen und durchaus konfrontativen Dialog interessiert, der aber nur mit einem gewissen Maß an Offenheit für andere Positionen funktioniert.

Haben Sie auch Sorgen vor negativen Reaktionen?

Gläser: Nein, wir haben keine Sorgen. Wir gehen allerdings davon aus, dass es vermehrt negative Reaktionen wie antisemitische oder rassistische Äußerungen geben wird. Aber das sind Phänomene, mit denen wir nicht erst seit dem 7. Oktober in unsere Arbeit umgehen müssen.

Das Interview führte Anina Pommerenke. Das Jüdische Museum Rendsburg ist Kulturpartner von NDR Kultur.

Weitere Informationen
Innenhof des Jüdischen Museums Rendsburg © Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen/Marcus Dewanger Foto: Marcus Dewanger

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonntag | 13.10.2024 | 14:20 Uhr

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