Kunstkollektiv glitterclit: Wenn Klitoris und Co sich schick machen
Sie heißen Doris Klitoris, Viola Vulvina oder Penelope Penoden: Was lustig klingt und toll aussieht, ist außerdem anatomisch korrekt. Denn mit diesen Genitalmodellen will das sexualpädagogische Kunstkollektiv glitterclit auch Wissen vermitteln - über anatomische Vielfalt und die Gemeinsamkeiten aller Geschlechter.
Mit etwas Nachdruck schiebt Noa Peifer die orangen, V-förmigen Schwellkörper mit der Klitoriseichel voran zurück in das lila-glänzende Modell. "So kann man auch genau zeigen, wie die Anatomie aufgebaut ist. Die Klitoris sitzt hier um die Vagina - das Rosafarbene - und um die Harnröhre - das Gelbe", erklärt Noa. "Und was man von außen sehen kann, ist eben nur dies, die Klitoriseichel." Mit wenigen Griffen wird sicht- und auch tastbar, wie die Anatomie der Vulvina, also der Vulva samt Vagina, aufgebaut ist und wie viel im Inneren des Körpers versteckt bleibt. Genau dieses Wissen über intime Anatomie zu vermitteln, ist das Anliegen von Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt.
Materialien für sexuelle und queere Bildung
Die beiden lernen sich über ihr Studium, die Kunstpädagogik und gemeinsame Arbeit in einem feministischen Kollektiv kennen. 2019 gründen sie das sexualpädagogische Kunstkollektiv glitterclit und beginnen, Materialien für die sexuelle und queere Bildung zu entwickeln. Denn bei ihrer Arbeit fällt ihnen schnell auf, dass gute Modelle fehlen. "Es gab zwar Holzpenisse, um zu zeigen, wie man ein Kondom überzieht, aber wir hatten kein Modell einer Vulva. Also haben wir selbst einen Prototyp entworfen", erzählt Noa.
Anatomie besser verständlich machen
Herausgekommen sind Doris die Klitoris und Viola die Vulvina, die zunächst als Kunstobjekte geschaffen wurden. Ein Penismodell, das nicht hart, sondern weich und in der Größe variierbar ist, folgt: Penelope Penoden. Die glänzenden und glitzernden Stoffe helfen dabei, die Anatomie der Genitalien besser verständlich zu machen, zeigen aber auch die Homologie der Geschlechtsorgane.
"Es fällt bei den beiden Modellen vielleicht auf, dass die Farben sehr ähnlich sind. Die Bereiche mit den gleichen Farben haben jeweils den gleichen embryonalen Ursprung. Am Anfang sind die Genitalien gleich aufgebaut und entwickeln sich dann in die eine oder andere Richtung", erklärt Noa.
Glitterclit: Von der Bundesregierung ausgezeichnet
Und noch einen anderen Bereich zeigen die Modelle: die anatomische Vielfalt der Genitalien von inter bis endo. Jedes Modell ist in Frankfurt handgenäht und leicht variiert, sodass keines dem anderen völlig gleicht - so wie eben auch jedes Genital einzigartig ist. Durch die flexibel kombinierbaren Einzelteile lässt sich außerdem zeigen, wie Genitalien, die nicht in die Norm der Zweigeschlechtlichkeit passen, aussehen können, etwa bei inter Personen. Für ihre Arbeit bei glitterclit wurden Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt Ende des vergangenen Jahres mit dem Kultur- und Kreativpilot*innen-Preis der Bundesregierung ausgezeichnet.
Auch ein Online-Buchhandel gehört zu glitterclit
Neben der Herstellung der bunten Genitalien, informieren die beiden Sexualpädagog*innen aus queerfeministischer Perspektive über Themen wie Gender, Körperwissen, sexuelle Bildung und darüber, was Kunst mit all dem zu tun hat. Außerdem betreibt glitterclit den Online-Buchhandel "Körperwörter" mit Fokus auf sexuelle Bildung und Körperwissen.
Und die beiden haben auch selbst ein Bildersachbuch für Kinder geschrieben, das 2023 im Beltz Verlag erschienen ist. Beim Kinderschutzbund in Braunschweig hat Noa Peifer "Untenrum. Und wie sagst du?“ bei einer Lesung vorgestellt. Darin begibt sich das neugierige Kind Lo auf die Suche nach Wörtern und Wissen zum Intimbereich.