Frau hält ein Mobiltelefon auf dessen Display auf der Plattform TikTok ein Video der AfD Politikerin Alice Weidel zu sehen ist. © imago
Frau hält ein Mobiltelefon auf dessen Display auf der Plattform TikTok ein Video der AfD Politikerin Alice Weidel zu sehen ist. © imago
Frau hält ein Mobiltelefon auf dessen Display auf der Plattform TikTok ein Video der AfD Politikerin Alice Weidel zu sehen ist. © imago
AUDIO: AfD-Trend bei jungen Wählern: Welche Rolle spielt Social Media? (5 Min)

AfD-Trend bei jungen Wählern: Mit TikTok auf Stimmenfang

Stand: 10.06.2024 14:33 Uhr

Bei der Europawahl haben 17 Prozent der Wahlberechtigten im Alter von 16 bis 24 Jahren die AfD gewählt. "Die AfD hat in diesem Wahlkampf vor allem TikTok für sich entdeckt", sagt die Social-Media-Expertin Amelie Weber.

Es war ein Novum bei der Europawahl: Zum ersten Mal konnten auch 16-Jährige ihr Kreuz auf dem Stimmzettel abgeben. Das Wahlergebnis ist eine Überraschung. Denn bei den Wahlberechtigten im Alter von 16 bis 24 Jahren haben die Grünen massiv verloren. Dagegen feiert die AfD in dieser Altersgruppe einen großen Erfolg: zwölf Prozent mehr Stimmen bei der Europawahl. Wie mobilisiert die AfD junge Menschen im Netz? Ein Gespräch mit Amelie Weber aus der Social-Media-Redaktion der Tagesschau.

Welche Auswirkungen haben die sozialen Medien auf das Wahlverhalten der jungen Menschen gehabt?

Amelie Weber © picture alliance/dpa Foto: Monika Skolimowska
"Die hauen was raus, und das zieht", sagt Amelie Weber über die TikTok-Strategie der AfD.

Amelie Weber: Allein durch Social Media lässt sich ein solches Ergebnis der AfD nicht erklären. Da spielen sicherlich auch die Krisen der vergangenen Jahre rein: die Pandemie, der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation. Studien zeigen, dass sich jüngere Menschen durch diesen Dauerkrisenmodus noch stärker belastet fühlen als ältere. Das kann natürlich Angst machen und dazu führen, dass man sich nach konservativen Werten sehnt und dass man sich einfache Antworten auf komplexe Fragen wünscht. Und damit lockt die AfD. Aber natürlich spielen auch die erfolgreichen Social-Media-Auftritte der Partei eine Rolle, weil man in den sozialen Medien besonders viele junge Wählerinnen und Wähler trifft.

Auf welchen Kanälen war die AfD unterwegs?

Weber: Die AfD hat in diesem Wahlkampf vor allem TikTok für sich entdeckt. Das ist eine Kurzvideoplattform, und deren Algorithmus belohnt steile Thesen, Zuspitzungen und populistische Aussagen. Das passt also ziemlich gut zur AfD. Man muss einfach sagen, dass sie TikTok früher genutzt und auch ernst genommen hat als andere Parteien.

Wie genau spricht man da die jungen Menschen an? Was war deren Ansprachehaltung?

Weber: Wie gesagt, geht es da um steile Thesen, um Zuspitzungen. Die kommen sehr schnell auf den Punkt, die hauen was raus. Manchmal stimmt es auch gar nicht, aber sie hauen es trotzdem raus. Und das zieht. Das sorgt dafür, dass man das mit seinen Freundinnen und Freunden teilt, dass man darüber spricht, dass man kommentiert. Und das wiederum führt dann dazu, dass es noch mehr Leute sehen. Denn je mehr man mit so einem Video im Internet agiert, desto mehr Menschen bekommen es auch in ihre Timeline gespielt.

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Es geht also nicht um Diskussionen, um fundierte Informationen, sondern um Phrasen, die man teilt und weitergibt und dann eventuell glaubt, dass diese Partei die richtige ist, oder?

Weber: Es gibt auf Social Media und auf TikTok natürlich auch sehr fundierte Diskussionen und mehr als Phrasen. Aber gerade die AfD hat eher auf Phrasen gesetzt, ja.

Könnten sich die anderen Parteien da etwas abgucken?

Weber: Ja. Alle großen Parteien in Deutschland haben einen Social-Media-Auftritt. Den hohen Stellenwert dieser sozialen Medien, insbesondere auch von TikTok, haben viele aber zu spät erkannt. Erst vor wenigen Wochen hat Bundeskanzler Olaf Scholz einen TikTok-Kanal eröffnet, wahrscheinlich auch, weil er der AfD da nicht kampflos den Platz überlassen wollte. Es war aber im Hinblick auf die Europawahl einfach zu spät. Und mit abwägenden, ruhigeren Tönen, wie sie in der Politik eigentlich vonnöten sind, ist es ohnehin schwer, auf Social Media Reichweite zu generieren.

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt hat auch andere Gründe genannt: Nicht nur TikTok, sondern auch die Abgrenzung von linken und woken Positionen - das sei das, was die jungen Menschen heute umtreibt.

Weber: Es ist sowieso schwierig, von "den jungen Menschen" zu sprechen. Diese junge Generation ist genauso heterogen wie alle Generationen vor ihr. Da sind Menschen dabei, die sich fürs Klima auf die Straße kleben, genauso wie Menschen, die jetzt die AfD wählen. Und dazwischen ist alles vertreten. Von daher würde ich auf keinen Fall sagen, dass sich "die jungen Menschen" von links abgrenzen wollen. Auch dort gibt es nach wie vor viele Grüne und Linke. Es sind ja noch nicht mal 20 Prozent, die die AfD gewählt haben. Es sind natürlich sehr viele junge Menschen, aber man darf nicht vergessen, dass weit über 80 Prozent nicht die AfD gewählt haben.

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Erreicht die Berichterstattung der klassischen Medien, beispielsweise Fernsehen oder Hörfunk, junge Wählerinnen und Wähler nicht mehr?

Weber: Es sollte nicht nur für Politikerinnen und Politiker, sondern auch für Medienschaffende, spätestens jetzt ein Weckruf sein. Social Media darf nicht unterschätzt werden. Wer junge Menschen erreichen will, muss sich auf diese Plattformen begeben. Das tun aber auch schon viele. Wir als Tagesschau zum Beispiel sind da sehr gerne und auch sehr erfolgreich bei Instagram, bei YouTube, bei Facebook und TikTok vertreten und erreichen da täglich Millionen junge Menschen.

Das Interview führte Julia Westlake.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 10.06.2024 | 17:15 Uhr

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