Nord-Ostsee-Kanal: Die Chronik einer Wasserstraße
Der Nord-Ostsee-Kanal in Schleswig-Holstein gehört zu den Prestige-Bauten des Deutschen Reiches. Allein der Bau und eine erste Erweiterung kosten den Staat Millionen Reichsmark.
Die ersten Überlegungen für das Großbauprojekt Nord-Ostsee-Kanal ordnet Otto von Bismarck bereits 1864 mit Beginn des Deutsch-Dänischen Krieges an, 1884 steht dann das Planungskonzept für den neuen Kanal von Kiel nach Brunsbüttel, das der Reichstag noch verabschieden muss. Heute ist der Nord-Ostsee-Kanal die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt, mit einer Auslastung von 33.000 Schiffen jährlich - eine Chronik.
16. März 1886
Der Reichstag verabschiedet das Gesetz zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals. Sein Vorläufer ist der Eiderkanal, auch Schleswig-Holsteinischer Kanal genannt, der 1774 von dänischen Landesherren geplant und 1784 eröffnet wird. Allerdings reicht die Wasserstraße nur von Kiel nach Rendsburg.
17. Juni 1886
Endlich gibt es die Genehmigung, die Wasserstraße mit Staatsgeldern in Höhe von 156 Millionen Goldmark zu bauen, 50 davon steuert Preußen zum Bau dazu. Die restlichen 106 Millionen sind durch Anleihen beziehungsweise Kredite finanziert.
17. Juni 1887
Kaiser Wilhelm I. legt in Kiel-Holtenau den Grundstein für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals. Dreimal klopft der 90-Jährige auf den Grundstein mit den Worten: "Zur Ehre des geeinigten Deutschlands, zu seinem fortschreitenden Wohle, zum Zeichen seiner Macht und Stärke."
10. Februar 1888
In Brunsbüttel erfolgt der erste Spatenstich. Im März ordnet Kaiser Friedrich III. die Bauarbeiten an. Noch im gleichen Monat beginnen die ersten Arbeiten, nach und nach zwischen Mai und September die an weiteren verschiedenen Bauabschnitten. Bis zur Eröffnung Kanals werden die Arbeiten acht Jahre in Anspruch nehmen.
1891 bis 1894
In den nächsten vier Jahren wird der Eiderkanal jeweils vier Monate im Winter - wenn dort keine Schiffe verkehren - auf die Höhe des neuen Kanals herunter gebaggert. Diese Bauabschnitte liegen unter anderem bei Königsförde und Rathmannsdorf.
1892 bis 1893
Ingenieure beginnen damit, die alten Schleusen abzuschalten. Dieser Vorgang ist 1893 abgeschlossen.
21. Juni 1893
Bei Kiel wird der Grundstein für die Levensauer Hochbrücke gelegt. In nur 18-monatiger Bauzeit entsteht das Bauwerk über dem Kanal. Anders als bei der Grünentaler Hochbrücke führt der Abschnitt hier auch während der Bauarbeiten Wasser und bleibt die ganze Zeit für den Schiffsverkehr geöffnet.
29. September 1894
Fertigstellung der neuen Schleusen in Kiel und Brunsbüttel. Die Holtenauer Schleuse wird mit einem Festakt offiziell eröffnet. Die Inbetriebnahme wird 1895 erfolgen.
3. Dezember 1894
Im Beisein von Kaiser Wilhelm II. wird die Levensauer Hochbrücke eröffnet.
19. bis 22. Juni 1895
Die feierliche Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals findet mit viel Pomp und Gloria durch Kaiser Wilhelm II. statt. Sie dauert drei Tage.
1. Juli 1895
Der Regelbetrieb auf dem Nord-Ostsee-Kanal beginnt.
17. September 1895
Das neu gegründete Kanalamt erlässt eine erste Betriebsordnung. Sie erlaubt Schiffen mit einer Länge von bis zu 135 Metern, 20 Metern Breite und einem Tiefgang von acht Metern die Passage. Es gilt die Regel, einen Lotsen und Kanalsteurer mit an Bord zu nehmen. Sowohl nachts als auch an Sonn- und Feiertagen ruht der Verkehr.
26. April 1902
Auf Vorschlag von Kaiser Wilhelm II. verabschiedet der Reichstag ein Gesetz zur Erhebung einer Schaumweinsteuer. Sie soll nicht nur die Kriegsmarine, sondern auch den Nord-Ostsee-Kanal gegenfinanzieren.
1907 bis 1914
Weil der Kanal bei seiner eigentlichen Eröffnung schon zu klein für die neuen Kriegsschiffe ist, beginnt der Erweiterungsbau. Kostenpunkt: 242 Millionen Reichsmark.
1911 bis 1913
Der Bau der neuen Hochbrücke bei Rendsburg beginnt. Denn durch die Kanalerweiterung müssen die Drehbrücken weichen. Am 27. September 1913 wird das Stahlbauwerk polizeilich abgenommen, am 1. Oktober erfolgt die Freigabe für den Schienenverkehr. Damals gilt die fast zweieinhalb Kilometer lange Eisenbahnbrücke als die längste in Deutschland.
23. Juni 1914
Der Kanal wird ein zweites Mal eröffnet, ebenso die neuen Schleusen in Brunsbüttel und Holtenau. Allerdings finden die Feierlichkeiten mit deutlich weniger Pomp als noch 1895 statt. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass der Kanal noch nicht vollständig auf die neue Tiefe ausgebaggert ist - und so nicht militärisch genutzt werden kann.
1965
Da immer größere Schiffe den Kanal passieren und es zu Auswaschungen an Kanalbett und Böschungen kommt, wird die Wasserstraße abermals erweitert - diesmal auf 162 Meter Breite.
2009 bis 2011
Aufgrund des boomenden Containerumschlags gibt es immer mehr Schiffsverkehr auf dem Kanal. In einer nächsten Erweiterungsphase sollen Kanalkurven bei Landwehr und Wittenbek begradigt werden. Darüber hinaus gibt es einen Ausbau des Übergangs zur Kanalweiche Schwartenbeck.
Seit 2012
Umbau der Schleuse in Brunsbüttel. Die Fertigstellung der fünften Schleusenkammer ist für 2024 geplant.
2013 bis 2014
Ein weiterer Ausbau des Kanals ist nötig, diesmal bei Königsförde, Groß Nordsee und im Bereich der Levensauer Hochbrücke.
2018
Die Holtenauer Schleuse ist durch Risse marode und instabil. Zunächst erfolgt der Abbau der Schleusentore. Der Neubau ist von 2023 bis 2029 geplant.
Seit 2020
Seit Anfang des Jahres 2020 werden enge Stellen im östlichen Teil des Kanals ausgebaut. Zwischen Großkönigsförde und Kiel können zwei Schiffe nicht mehr aneinander vorbeifahren. Der erste Bauabschnitt reicht zunächst bis Schinkel und soll nach vier Jahren abgeschlossen sein.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags ist uns bei der Levenauer Hochbrücke ein Zahlendreher beim Baujahr sowie ein Fehler beim konkreten Tag unterlaufen. Zudem war Kaiser Wilhelm II. bei der Einweihung anwesend, nicht sein Vorgänger. Wir bitten, diese Fehler zu entschuldigen.