Europa trifft sich - in Linden
Linden grüßt Linden - klingt wie ein Scherz, ist aber gelebtes Europa. Das Dorf Linden in Schleswig-Holstein pflegt Städtepartnerschaften zu Linden in Österreich, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Spanien.
Am Anfang steht ein Brief. 1961 schreibt eine Lindener Schulklasse zusammen mit ihrem Lehrer Gerhard Schwabe einen Brief nach Linden in Österreich: "Liebe Freunde, ihr werdet euch gewiss wundern, dass ihr diesen Brief aus Linden bekommt." Ob die Lindener in Österreich sich gewundert haben, ist nicht überliefert. Aber sie lassen sich auf einen Austausch ein. Die Lindener Schulklassen teilen Fotos, Zeitungsausschnitte, Alltagserzählungen aus dem jeweils anderen Land. Um zu erfahren, wie die anderen ticken, was sie bewegt. Schon bald besuchen sich die Schüler gegenseitig und festigen ihre Verbindung.
Wenn schon Europa, dann aber richtig
"Ich habe dann gesagt, lass uns mal gucken, wo es noch überall Orte gibt, die Linden heißen. Das waren wirklich viele, allein in Deutschland. Aber wir haben dann vor allem Gemeinden in Europa angeschrieben", erinnert sich der damalige Bürgermeister Willi Köster. Mit Erfolg. In kurzer Zeit entstehen weitere Kontakte zu anderen Gemeinden. Neben der mit Linden in Österreich, auch mit Linden in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Spanien. Die Verständigung ist nicht immer ganz leicht. Mitte der 1970er-Jahre ist Englisch noch nicht so geläufig. Aber alle Seiten bemühen sich, den jeweils anderen zu verstehen. Am 26. Juni 1974 wird es dann offiziell: Die sechs Gemeinden unterzeichnen die offizielle Urkunde zur gemeinsamen Städtepartnerschaft.
Europa auf einem Dorf in Dithmarschen
Linden im Kreis Dithmarschen ist eine überschaubare Gemeinde mit rund 870 Einwohnern. Das Europaprojekt ist ein Herzensprojekt des Dorfes. Jedes Jahr treffen sich Vertreter aus den sechs Ländern in einem anderen Land. Es gibt Jugendtreffen, Künstlertreffen und die Lindener Europatage. 2024 in Linden in Schleswig-Holstein: Etwa 40 Gäste reisen aus den Partnergemeinden an. Sie feiern, machen zusammen Ausflüge, Workshops. In vielen Haushalten der Gemeinde sind Gäste untergebracht. Keiner schläft im Hotel. Längst sind Freundschaften entstanden. Viele Lindener treffen sich mit anderen Lindenern auch außerhalb der offiziellen Europatage.
Das Engagement für Europa bleibt nicht unbemerkt
Auf um die 5.500 Städtepartnerschaften schätzt der Rat der Gemeinden und Regionen Europas die deutsch-internationalen Verbindungen zwischen Gemeinden. Nur wenige sind wohl so aktiv und so hoch ausgezeichnet, wie die in Linden. 1977 hat die Gemeinde Linden dafür die Ehrenfahne des Europarates verliehen bekommen, 1989 die Europaplakette des Europarates. Eine der höchsten Auszeichnungen für Orte, die Partnergemeinden haben. Nicht schlecht für ein kleines Dorf.
Keine Spur von Europamüdigkeit
Während in der öffentlichen Diskussion oft der gefühlte Regulierungswahn, Finanzen und Unterschiede in der EU Thema sind, ist die Erfahrung in Linden eine andere. "Ich sehe und erlebe auch heute nach 50 Jahren noch das, was wir von Anfang an hatten, was uns angetrieben hat. Die Neugierde auf den Alltag, die Meinungen und Einstellungen der anderen Lindener aus Österreich, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Spanien. Und wenn ich mir die nachfolgende Generation, die jungen Leute angucke - die bewegt alle das Gleiche, die leben in anderen Länder, haben aber so viel gemeinsam. Viel mehr gemeinsam, als Dinge, die sie trennen", so Willi Köster. Nachwuchsprobleme gebe es nicht, so der ehemalige Bürgermeister. In den 50 Jahren der Städtepartnerschaften zwischen den Gemeinden mit dem Namen Linden, ist die Idee eines gemeinsamen Europas von jeder Generation erneut voran getrieben und gelebt worden.