Das Harzhorn: Schauplatz der Schlacht
Trauma der römischen Legionen: 9 nach Christus lockte der germanische Feldherr Arminius die römische Armee, die von Publius Quinctilius Varus befehligt wurde, in den endlosen Wälder und Sümpfe Germaniens in einen Hinterhalt. Die Römer hatten keine Chance, als ihre Gegner sie nachts und in strömendem Regen angriffen. Zehntausende Legionäre starben in drei Tagen. Angeblich versuchten die Römer nach der Varusschlacht nie wieder, das nördliche Germanien zu erobern. So steht es bis heute in den Schulbüchern.
Karte: Das Harzhorn im Südosten Niedersachsens
Gut 230 Jahre nach der Niederlage des römischen Heeres schlugen die Römer aber offenbar doch noch eine Schlacht, tief im feindlichen Germanien, an den Ausläufern des Harzes. Die Geschichte Norddeutschlands muss umgeschrieben werden.
Antike Route nahe dem niedersächsischen Höhenzug
Das Harzhorn ist die Spitze eines in Ost-West-Richtung verlaufenden, bewaldeten Höhenzuges zwischen Bad Gandersheim, Kalefeld und Bad Grund im Kreis Northeim. Die Autobahn A7 kreuzt diesen Höhenzug in Nord-Südrichtung. Die Route, die die Autobahn hier nimmt, ist jedoch sehr viel älter. Eine richtige Straße gab es hier zu Zeiten der Römern zwar noch nicht, aber eine sehr ähnliche Route wurde damals als Handelsweg genutzt. Sie führte nach Mainz. Im dritten Jahrhundert nach Christus versammelte der römische Kaiser Alexander Severus (208 - 235 n.Chr.) dort Truppen für einen Feldzug gegen Germanen. Doch Alexander Severus wurde ermordet. Sein Nachfolger wurde der spätere Soldatenkaiser Maximinus Thrax (~173 - 238 n. Chr.).
Die Schlacht am Harzhorn: Die List der Germanen
Wenn die römische Armee durch feindliches Gebiet marschierte, nutzte sie Handelsrouten wie die, die am Harzhorn vorbeiführte. Auf dem Rückweg von einem Vergeltungsfeldzug kommend, wäre sie direkt durch das Tal am Harzhorn vorbei marschiert, von Norden nach Süden. Dieses Szenario gilt nach den bisherigen Ausgrabungen als sehr wahrscheinlich.
Doch warum wählten die Römer den Weg über das Harzhorn? Vermutlich zwangen die dort lebenden Germanen die Römer zu einem Umweg. Auf offenem Feld, im Tal, hätten sie gegen die hochgerüstete römische Armee keine Chance gehabt. "Also da kennen die römischen Soldaten sich aus, das haben sie trainiert, das sind sie gewohnt", erläutert der Archäologe Michael Meyer von der Freien Universität Berlin. "Es ist also die viel erfolgversprechendere Strategie, die Römer in einen Hinterhalt zu locken, sie in unwegsames Gelände zu zwingen, und ihnen dann den Kampf aufzuzwingen, der den Germanen stärker liegt."
Die Germanen kannten diese Wälder gut. Sie hatten überall ihre Späher und wussten Tage im voraus, wenn eine römische Armee sich näherte - und ob ein Angriff überhaupt eine Aussicht auf Erfolg hatte. Am Nordhang des Harzhorns erwartete die Römer eine hohe, schier unüberwindliche Steilwand. Wenn die Germanen also das etwa dreihundert Meter breite Tal blockieren und die Römer zum schweren Kampf den Steilhang hinauf zwingen konnten, hatten sie vielleicht eine Chance. "Wie die Germanen diesen Engpass zugemacht haben, wissen wir nicht", sagt Michael Meyer. "Anzunehmen wäre, dass hier vielleicht ein Wall aufgeschüttet wurde, und dass Gräben gegraben wurden, und danach suchen wir."
Der Kampf der Legionäre
Der Steilhang am Harzhorn ist auch heute für Wanderer eine echte Kletterübung. Für die römischen Legionäre mit etwa 30 Kilogramm Ausrüstung am Körper war er eine Strapaze. Der germanische Anführer dirigierte seine Männer vermutlich von einer Stellung auf dem Höhenkamm. Die Römer nahmen ihn mit ihren Katapulten unter Beschuss, während Reiterei und Fußsoldaten Mann gegen Mann kämpften. Sie waren den Germanen technisch haushoch überlegen.
Auf den Grabungsfeldern finden die Archäologen heute vornehmlich Katapultbolzen und andere Wurfgeschosse. Aber, "wir dürfen aus der Tatsache, dass wir hauptsächlich sogenannte Fernwaffen finden, nicht schließen, dass hier nur geschossen und geworfen wurde, sondern mit Sicherheit hat hier auch ein Nahkampf stattgefunden. Aber Nahkampfwaffen sind am Mann." Tage oder Wochen nach der Schlacht sind sie wahrscheinlich geraubt worden. Möglicherweise haben die römischen Truppen sie selbst mitgenommen.
Sieger der Schlacht
An einer Stelle des Hangs wurden über 40 Katapultbolzen gefunden. Der Beschuss habe dazu gedient, "die Germanen etwas mürbe zu machen", schätzt Michael Meyer. "Anschließend hat man diese Anhöhe dann gestürmt." Die Germanen konnten also den Vormarsch der Legionen im Tal stoppen, aber die Römer brachen daraufhin über den steilen Hang durch die Stellungen der Germanen durch. Damit war die Schlacht entschieden. Dort, wo heute die A7 am Harzhorn entlangführt, zogen Maximinus Thrax und sein siegreiches Heer weiter. Aber endgültig erobern konnten sie Germanien trotzdem nicht.