Stand: 17.02.2013 10:45 Uhr

So wüteten NS-Richter an der Heimatfront

von Katja Gundlach

Hamburger Untersuchungsgefängnis am 11. September 1944: Die Guillotine kracht nach unten, der 27-jährige Herbert Burmeister ist enthauptet. Ein Richter hatte ihn zuvor wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt. Und das gleich viermal. Ein weiteres unmenschliches Urteil der NS-Militärjustiz zeigt auch der Fall Kurt Elvers. Er wird erschossen, weil ein Kommilitone mitbekommt, wie er das Scheitern des Attentats auf Hitler bedauert. Schicksale wie diese zeigt eine Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. "Wir haben die härtesten Urteile ausgewählt, um die Kernidee darzustellen, wie diese Justiz funktioniert hat. Außerdem ist es eine Mischung zwischen historischer Aufarbeitung und dem Gedenken an die Verfolgten", erzählt Historiker Magnus Koch.

Herbert Burmeister ist ein Hamburger Ingenieur, der 1942 auf dem Wohnschiff "Jupiter" im Hafen für die Wehrmacht dient. Doch eines Tages beschließt er abzuhauen: Er heuert auf einem anderen Schiff an. Zwei Monate später wird er verhaftet. In den Vernehmungen äußert er nur sehr vage Gründe. Er sei enttäuscht gewesen, dass man ihm seinen Job als Ingenieur auf der "Jupiter" weggenommen hat.

Vom Gericht wird er wegen unerlaubter Entfernung von seinem Dienstort und Betruges zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Er sitzt zunächst im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis in Altona, doch es gelingt ihm gleich vier Mal aus der Haft zu fliehen. In der NS-Justiz zählt das als Fahnenflucht. Er wird als "Volksschädling" zum Tode verurteilt, gleich viermal, für jede Flucht eine Todesstrafe. Mit der Fahnenflucht hat er laut NS-Verständnis Volk, Vaterland und den Führer verraten.

Urteile sollten Widerständler abschrecken

Bereits 1933 wurde von den Nazis ein Militärrecht geschaffen, das den Richtern ermöglichte, harte Strafen zu verhängen, um jeglichen Widerstand abzuschrecken. Das erklärt auch die grausame Bilanz: Im Ersten Weltkrieg wurden 18 Todesurteile vollstreckt, im Zweiten Weltkrieg schätzt man die Zahl auf 15.000 bis 16.000 Todesurteile.

Mehr als 200 Todesurteile in Hamburg vollstreckt

Luftbild vom Untersuchungsgefängnis Holstenglacis Nachkriegszeit © Staatsarchiv Hamburg
Die Todesurteile wurden zum Teil im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis (Foto) und auf dem Standortschießplatz Höltigbaum vollstreckt.

Hamburg ist während des Zweiten Weltkrieges ein sehr bedeutender Wehrmachtsstandort im Deutschen Reich. In der Hansestadt sind mindestens 13 Gerichte und andere zentrale Dienststellen der Wehrmachtsjustiz tätig. Während des Krieges sind sie für mehr als 200 Todesurteile verantwortlich. Vollstreckt werden die Urteile im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis und auf dem Standortschießplatz Höltigbaum. Zu Tode kommen nicht nur Soldaten, sondern auch Kriegsgefangene und Zivilisten. Selbst wenige Tage, bevor britische Soldaten in Hamburg einmarschieren, werden die letzten Verurteilten getötet.

Staffreiheit für Verantwortliche

Militärjuristen und andere Verantwortliche werden nie belangt, im Gegenteil: Sie können ihre Karrieren nach Kriegsende fortsetzen, wie Magnus Koch berichtet. Angehörige der Opfer oder Überlebenden müssen jahrelang für die Aufhebung der Urteile, die Rehabilitierung und Entschädigungszahlungen kämpfen.

Erst in den vergangenen Jahren erkannte der Deutsche Bundestag Deserteure und "Kriegsverräter" als Opfer an. Auch die Stadt Hamburg hat sich dieser Opfer angenommen. Seit 2003 erinnert eine Gedenktafel auf dem ehemaligen Standortschießplatz Höltigbaum in Hamburg-Rahlstedt an die dort Hingerichteten. Im Sommer 2012 hat die Bürgerschaft zudem beschlossen, ein Denkmal für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz aufzustellen.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 20.01.2013 | 19:30 Uhr

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