Zeitgenössische Aufnahme des türkischen Staatsmanns Mustafa Kemal Atatürk (1881-1938) © picture-alliance / dpa | Bifab

Erste Große Nationalversammlung der Türkei

Sendung: ZeitZeichen | 23.04.2010 | 20:30 Uhr | von Heimbach, Marfa
15 Min | Verfügbar bis 31.12.2099

Als Verlierer im Ersten Weltkrieg steht das marode Osmanische Reich kurz vor der endgültigen Zerschlagung. Im Pariser Vorort Sèvres beginnen die Alliierten Beratungen darüber, wie der einst so mächtige Vielvölkerstaat unter den Siegerstaaten aufgeteilt wird. Zur gleichen Zeit erholt sich ein hoher General der osmanischen Sultansarmee im österreichischen Karlsbad von den Kriegsstrapazen. Der 37-jährige Mustafa Kemal Pascha schmiedet eigene, visionäre Pläne, das rückständige Osmanenreich nicht nur in die Freiheit, sondern in das moderne 20. Jahrhundert zu führen. Im Juni 1918 notiert er in seinem Tagebuch: "Sollte ich eines Tages großen Einfluss oder Macht besitzen, halte ich es für das Beste, unsere Gesellschaft schlagartig und in kürzester Zeit zu verändern."

Während die Alliierten noch am Vertrag von Sèvres feilen und griechische Truppen die Ägäisküste erobern, schafft Mustafa Kemal Pascha im eigenen Land Fakten. Von Sultan Mehmet VI. Vahideddin wegen Eigenmächtigkeit beim Kampf gegen die Besatzer entlassen, verlässt der General die osmanische Armee und beginnt im Mai 1919 die Organisation des türkischen Widerstands. Mit Unterstützung getreuer Kommandeure und Tausenden von Depeschen an nahezu jeden Amtsträger mobilisiert Mustafa Kemal alle Verwaltungsbezirke. Das Echo bleibt auch dem britischen Hochkommissar in Konstantinopel nicht verborgen. Er meldet nach London: "Diese Bewegung ist so zielstrebig, dass es mir hoffnungslos erscheint, ihr Einhalt zu gebieten." Während eines ersten Nationalkongresses im anatolischen Erzerum offenbart Kemal einige seiner revolutionären Ideen für einen modernen türkischen Nationalstaat: Das Sultanat wird zugunsten einer von der islamischen Religion unabhängigen Republik abgeschafft, Schleier für Frauen und der Fes der Männer werden verboten, die lateinische Schrift wird eingeführt.

Die alte Reichsmetropole Konstantinopel, jetzt Istanbul, ist von den Alliierten besetzt. So wählt Mustafa Kemal als Parlamentssitz Ankara aus, die spätere Hauptstadt. Am 23. April 1920 findet die erste "Große Nationalversammlung der Türkei" statt. Die Abgeordneten wählen Mustafa Kemal Pascha zum Vorsitzenden und ernennen eine gegen den Sultan und die Besatzer gerichtete Regierung. In Sèvres beschließen die Alliierten zwar noch die Aufteilung des Osmanischen Reichs, aber der Vertrag wird nie ratifiziert. Nachdem es den Türken 1922 unter Aufbietung aller Kräfte gelingt, die griechischen Besatzer zu vertreiben, ist Mustafa Kemals Triumph perfekt. Im Friedensvertrag von Lausanne 1923 tritt er den Alliierten als Sieger gegenüber und kann jene Landesgrenzen durchsetzen, die bereits weitgehend mit den heutigen Grenzen der Türkei übereinstimmen. Am 29. Oktober 1923 wird die Republik offiziell gegründet und Mustafa Kemal Pascha ihr erster Präsident. Mit harter Hand beginnt er, das gesamte osmanische Erbe radikal abzuschütteln. Elf Jahre später verleiht ihm die Große Nationalversammlung per Gesetz den Beinamen "Atatürk", Vater der Türken.

Einzug von König Christian X. von Dänemark in Nordschleswig im Jahr 1920. © dpa

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