Erste Babyklappe in Hamburg - Rettung für viele Neugeborene
Am 8. April 2000 ist in Hamburg Deutschlands erste Babyklappe eröffnet worden, in der Eltern anonym ihr Kind ablegen können. Ein umstrittenes Projekt. Inzwischen gibt es rund 100 dieser Einrichtungen.
Es ist der Versuch, überforderten Eltern oder ungewollt schwangeren Frauen eine Perspektive zu bieten - ohne Abtreibung und ohne das Neugeborene dem Risiko der Vernachlässigung oder Misshandlung auszusetzen. Und die Idee hat Schule gemacht: Mit einer Einrichtung des Hamburger Vereins Sternipark wird am 8. April 2000 die bundesweit erste sogenannte Babyklappe eröffnet. Seitdem können Mütter oder Väter hier unerkannt ihr Kind abgeben. Den Ausschlag für das Projekt hatte der Fund eines toten Neugeborenen in einer Hamburger Recycling-Anlage im Dezember 1999 gegeben.
Anonyme Babyklappe: "Es geht darum, Leben zu retten"
Mittlerweile wurden in den anonymen "Babykörbchen" des Jugendhilfe-Trägers Sternipark 56 Säuglinge abgegeben - bundesweit gibt es heute rund 100 dieser Einrichtungen. Wurden im ersten Jahr der Hamburger Babyklappe dort noch sieben Kinder abgelegt, hat sich die Zahl mittlerweile auf etwa einen Säugling pro Jahr deutlich reduziert. Leila Moysich, Geschäftsführerin von Sternipark Hamburg, führt diese Entwicklung zum einen auf die gestiegene Zahl von Babyklappen zurück. Zudem hätten sich aber auch die Lebensumstände für Mütter durch Elternzeit und mehr Kita-Plätze verbessert. Vom Wert des Projekts ist sie nach wie vor fest überzeugt: "Es geht darum, Leben zu retten. Wenn nur eine Frau den Weg zu uns findet, statt ihr Kind auszusetzen, dann hat sich unsere Arbeit schon gelohnt."
Projekt löst gesellschaftliche und rechtliche Debatte aus
Die Einweihung der ersten Babyklappe sorgt Anfang der 90er-Jahre für heftige Diskussionen. Befürworter sehen die Rettung der Kinder im Vordergrund. Gegner kritisierten, Mütter könnten ihre Kinder zu leicht "loswerden" - und führen unter anderem genau die Argumente an, die Fürsprecher der Babyklappe ebenso nutzen, sie aber zugunsten der Mutter auslegen: So bewegt sich das Ablegen eines Kindes in der Klappe rechtlich in einer Grauzone. Der Vorgang ist allerdings straffrei, denn er wird als "Abgabe in Pflege" gewertet, womit der Straftatbestand einer Kindesaussetzung explizit nicht vorliegt.
Versorgung des Säuglings straffrei gesichert
Inzwischen unterhält der Verein Sternipark drei Klappen: in der Goethestraße in Hamburg-Altona, in der Schönenfelder Straße in Hamburg-Wilhelmsburg und eine weitere im schleswig-holsteinischen Satrupholm. Mütter haben dort - wie auch in den anderen rund 100 Babyklappen in Deutschland - die Möglichkeit, ihre Kinder anonym und straffrei abzugeben. Sobald sich die Klappe öffnet und ein Baby in das dahinter stehende Wärmebett gelegt wird, wird ein Alarm in einer Klinik oder bei einer Hebamme ausgelöst - innerhalb weniger Minuten sind Helfer und notfalls Ärzte vor Ort, die sich um den Säugling kümmern.
Weg zurück ist acht Wochen möglich
Danach stehen Pflegefamilien bereit, bis entweder Adoptiveltern gefunden werden oder sich die leiblichen Eltern melden. Acht Wochen lang haben Mutter oder Vater die Möglichkeit, ihr Kind wieder zurückzuholen. In Hamburg sind in den vergangenen 20 Jahren so laut Sternipark 16 Kinder wieder zurück in ihre Ursprungsfamilie gekommen.
Von der Babyklappe zum Hilfsangebot für Schwangere in Not
Zum Projekt Findelbaby des Vereins Sternipark gehören aber noch weitere Bausteine: Unter einer kostenfreien Telefonnummer etwa werden Schwangere und junge Mütter beraten, weitere Hilfsangebote zur Verfügung gestellt und bei Bedarf auch die anonyme Übernahme eines Säuglings vereinbart.
Anonyme Geburt seit Mai 2014 möglich
Auch Frauen, die sich für eine anonyme Geburt in einem Krankenhaus entscheiden, finden Beratung und im Bedarfsfall einen Wohnplatz sowie eine Betreuung der Kinder durch Pflegeeltern. So soll den Müttern möglichst viel Zeit gegeben werden, sich eventuell doch noch für ein Leben mit dem Kind zu entscheiden.
Gesetzlich verankert ist die Möglichkeit einer sogenannten vertraulichen Geburt seit Mai 2014. Todesfälle vernachlässigter Kinder und ausgesetzte Säuglinge hatten die Politik trotz des Erfolgs von zum Beispiel Babyklappen immer wieder unter Zugzwang gesetzt - und letztlich zu einer Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen von Schwangeren in Not geführt. Das zugrunde liegende Gesetz soll laut Bundesfamilienministerium "heimliche Geburten außerhalb von medizinischen Einrichtungen (...) vermeiden und gleichzeitig (...) verhindern, dass Neugeborene anonym abgegeben, ausgesetzt oder getötet werden". Der leiblichen Mutter werden 16 Jahre Anonymität zugesichert. Nach Ablauf dieser Zeit haben Kinder wiederum die Möglichkeit, ihre Herkunft in Erfahrung zu bringen.