VIDEO: Keine gewöhnliche Systemkamera - Rollei (2 Min)

Als die Rollei noch "Made in Braunschweig" war

Stand: 29.01.2025 11:35 Uhr

Am 1. Februar 1920 gegründet, ist vom Braunschweiger Kamera-Hersteller Rollei kaum mehr als der klangvolle Name geblieben. Die ursprüngliche Firma existiert nicht mehr. Doch die Rolleiflex bleibt eine Legende.

von Jürgen Jenauer*

Kameras, die aussehen wie aus alten Western-Filmen, meist mit gleich zwei Objektiven und einem Lichtschacht statt eines Suchers oder gar Displays: Die Fotoapparate-Firma Rollei, gegründet am 1. Februar 1920 in Braunschweig als "Werkstatt für Feinmechanik und Optik, Franke & Heidecke", hatte einen Ruf wie Donnerhall. "Hunderte Firmen auf der ganzen Welt haben die Technik, die bei Rollei entwickelt worden ist, kopiert", sagte Frank Peter Hoffmann 2015 im Gespräch mit dem NDR. Und er muss es wissen - denn Hoffmann besaß lange Zeit die vielleicht größte Rollei-Sammlung der Welt. Und zwar nicht nur mehr als 1.000 Kameras der Kultmarke - nahezu jedes Modell aus nahezu jedem Baujahr -, sondern auch bergeweise Original-Dokumente, Anleitungen und Reparaturleitfäden.

Rolleiflex: Das berühmte "Zweiauge"

Dass sich das Unternehmen innerhalb der ersten Jahrzehnte Weltruf erarbeiten konnte, verdankt es der berühmten Rolleiflex. In den 1950er-Jahren galt sie als "die" Kamera, vor allem für Profis. In der Mitte des Jahrzehnts hatte das Unternehmen bereits eine Million Kameras verkauft. Eingeführt wurde die Kamera mit dem Namen Rolleiflex aber schon viel früher: Ende der 1920er-Jahre gab es bereits eine erste Rolleiflex, die immer wieder verbessert wurde. Durch den großen Erfolg war das alte Werk in Braunschweig schnell zu klein, bis 1932 wurden dort rund 24.000 Kameras gebaut - insgesamt etwas mehr als das, was danach am neuen Standort in der Salzdahlumer Straße in nur einem Jahr produziert werden sollte.

Zweiter Weltkrieg: Zielfernrohre statt Fotoapparate

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Lage für Rollei schwierig. Statt neue Kameramodelle zu entwickeln, wurde auf kriegswichtige Produkte umgestellt. Sie hätten für die Wehrmacht produzieren müssen, sagte Hoffmann 2015. Das sei beim Kamerahersteller Voigtländer in Braunschweig genauso gewesen. Das "Zweiauge" wurde zwischenzeitlich eingestellt, Schulden im Ausland konnten nicht mehr eingetrieben werden - Rollei machte eine schwere Zeit durch. Damals wurden in Braunschweig Optiken für Ferngläser und Zielfernrohre hergestellt, für die Entwicklung von Kameras und Zubehör waren nur wenig Geld und Kapazitäten übrig. Am Ende des Krieges gab es darüber hinaus erhebliche Kriegsschäden durch Bombenangriffe - mehr als die Hälfte des Werkes in Braunschweig war zerstört.

Innovationen heimlich in der Schublade gehabt

Hoffmann sagte dem NDR, Innovationen habe es erst später wieder gegeben, zum Beispiel mit der ersten - dann einäugigen - Spiegelreflex-Kamera, der SL 35. Eine technische Entwicklung, gegen die es zunächst allerdings hauseigenen Widerstand gegeben habe: "Der alte Herr Heidecke hat gesagt: 'Nur über meine Leiche'", so Hoffmann 2015. "Aber als der dann zu Grabe getragen wurde, haben die Ingenieure die heimlich entwickelten Pläne für neue Kameras aus der Schublade geholt", schmunzelte Hoffmann. "Der Vorteil war, dass man mehr Aufnahmen machen konnte, dazu die Wechseloptiken, Tele- und Weitwinkel, der eingebaute Belichtungsmesser. Das hatte man bei den zweiäugigen Kameras nicht." Das Fotografieren sei so deutlich einfacher geworden, erläuterte Hoffmann.

Sammlung ging für sechsstelligen Betrag nach Österreich

Rollei-Sammler Frank Peter Hoffmann aus Braunschweig © privat
Nach mehr als 30 Jahren trennte sich Frank Peter Hoffmann von einem Großteil seiner Rollei-Sammlung. (Aufnahme von 2015)

Von den alten Rolleiflex-Schätzchen hat Frank Peter Hoffmann einige behalten. Das Gros seiner einst gigantischen und einzigartigen Sammlung ist allerdings weg. "Nach mehr als 30 Jahren Sammelwut war es dann auch mal gut", sagte er 2015. Das meiste seines Bestands habe er nach Österreich verkauft - für einen sechsstelligen Betrag. "Mit zwei Lastern musste das abgefahren werden, als ich alles verkauft habe", erinnerte sich Hoffmann. "Man kann sich also vorstellen, wie viel das trotz des ganzen Verpackungsmaterials war."

Rollei, ein Kindheitstraum

Dass Frank Peter Hoffmann irgendwann eine eigene Rollei haben wollte, war ihm schon als Kind klar. In der Schule habe er bereits damit gearbeitet. Sobald er das Geld zusammen hatte, kaufte er sich ein eigenes Objektiv. Die erste Kamera wenig später. "Die konnte alles", erklärte Hoffmann, der lange Geschäftsführer eines Reparaturservices für - klar - Kameras war. "Das, was man heute Systemkamera nennt, war das eigentlich damals schon unglaublich flexibel."

Von 1978 an hat Hoffmann dann auch im Braunschweiger Rollei-Werk gearbeitet und defekte Apparate repariert. "Wir waren damals 100 Mann und haben den ganzen Tag geschraubt." Das sei ein Traum gewesen, der sich damals für ihn erfüllt habe, sagte er dem NDR. Zumindest bis 1981. Da war es mit der klassischen Rollei-Produktion vorbei, der Kamerahersteller musste Insolvenz anmelden. Die Rechte am Namen und die Produktion unter dem Label Rollei gab es zwar weiter, mit der von Kaufmann Paul Franke und Techniker Reinhold Heidecke gegründeten Firma hatte das aber nur noch wenig zu tun. "Das war ein trauriger Tag", sagte Hoffmann etliche Jahre später.

Heute nur noch Zubehör erhältlich

Echte Rollei-Kameras sind wohl endgültig Geschichte: Der Markenname gehörte zwischenzeitlich einer Firma mit Sitz in Hamburg. 2015 entstand aus ihr die Rollei GmbH und Co. KG mit Sitz in Norderstedt. Allerdings ist das Unternehmen auf Stative, Fotofilter, Blitzgeräte und anderes Kamera-Zubehör spezialisiert - Kameras gibt es dort nur noch als Actioncams. Die an die klassischen Modelle angelehnten Mittelformatkameras unter dem Namen Rolleiflex waren noch eine Zeit lang von einem Unternehmen in Braunschweig zu haben.

Rollei und Voigtländer: Fotostadt Braunschweig

Neben Rollei ist der Name Braunschweig für Fotografie-Freunde untrennbar mit dem Namen Voigtländer verbunden. Das Unternehmen ist sogar noch älter - es wurde 1756 gegründet, ab 1849 wurden Kameras in Braunschweig gebaut. Den Markennamen gibt es heute noch, die Firma selbst ging allerdings 1974 pleite und die Rechte wurden vom benachbarten Unternehmen Rollei übernommen.

* Die Urfassung dieses Beitrags wurde bereits 2015 veröffentlicht. Der Autor ist inzwischen nicht mehr für den NDR tätig.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 01.02.2019 | 09:40 Uhr

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