Zurück am Ort des Grauens
"Wenn ich heute, 70 Jahre nachdem das Konzentrationslager befreit wurde, wieder hier bin, dann, um meiner Kameraden zu gedenken", sagt Raymond Gourlin. Er blickt auf die Baracke in Neuengamme, in der er am 1. September 1944 eingepfercht wurde. "Wir sind ja nur zu dritt heimgekehrt", sagt der 90-Jährige. Zusammen mit Tausenden anderen Franzosen ist der damals 19-jährige Lothringer 1944 verhaftet und von der Schutzstaffel SS nach Neuengamme deportiert worden.
Zwangsarbeit für die deutsche Marine
Von dort aus wurde Gourlin nach Wilhelmshaven verschleppt, in eines der 97 Außenlager des KZ Neuengamme. Dort setzte ihn die SS als Zwangsarbeiter für die deutsche Marine ein. 100.000 Menschen aus ganz Europa wurden damals von den Nationalsozialisten gefangen gehalten und zu Arbeiten gezwungen, bei denen die meisten schon nach den ersten Wochen starben. Raymond Gourlin gehört zu denjenigen, die es überlebt haben. Jahrelang ist der Franzose immer wieder nach Deutschland gereist, um Schulklassen seine Erfahrungen zu schildern.
"Überall lagen Leichen"
Zu den Erinnerungen, die er nie mehr loswird, zählt der Todesmarsch, zu dem ihn die SS von Wilhelmshaven nach Sandbostel getrieben hat. "Die Leichen lagen zu Hunderten übereinander", erinnert er sich. Bei seiner Befreiung wog er 28 Kilo. "Als ich nach Frankreich zurückgekehrt bin und von Neuengamme erzählt habe, da hat mir niemand geglaubt." Sein Besuch jetzt ist die letzte Reise, die er nach Deutschland unternimmt. "Das wollte ich unbedingt erleben", lächelt er. "Den 70. Jahrestag. 70 Jahre Kriegsende - und ich bin immer noch da."