Stand: 12.09.2016 15:01 Uhr

Mit Felix Nussbaum auf der Flucht

von Birgit Schütte

Der Osnabrücker Maler Felix Nussbaum war mehr als zehn Jahre auf der Flucht vor den Nazis. Nun haben Forscher der Universität Osnabrück und Kunsthistoriker vom Zentrum für verfolgte Künste in Solingen Nussbaums Fluchtweg dokumentiert. Dabei stellt sich heraus: Nussbaum nutzte ähnliche Strategien wie auch heute Menschen auf der Flucht. Die Vorstellung der Forschungsergebnisse beginnt mit einem Rundgang durch das Osnabrück Felix Nussbaums.

Hochbetrieb in einer Einkaufsstraße der Osnabrücker Innenstadt. Hektisch laufen Passanten zur Bushaltestelle. Menschen mit Einkaufstaschen eilen in einen Supermarkt. Mittendrin der Kunsthistoriker Jürgen Kaumkötter. Er hält die Reproduktion eines Nussbaum-Gemäldes hoch - "Die trostlose Straße" lautet der Titel. Ein Eindruck des jungen Malers aus den Zwanzigerjahren. Hier lagen damals Geschäfts- und Lagerräume der Nussbaums, die mit Eisen und Schrott handelten. Die Eltern von Felix Nussbaum mussten verkaufen und aus Osnabrück fliehen.

Ein gerne ausgeklammerter Aspekt

Sie lebten dann für einige Monate in Italien. Aber besonders der Vater fühlte sich stark mit Deutschland verbunden. Das Ehepaar kehrte zurück, nach Köln, erzählt der Historiker Christoph Rass: "Für die Nussbaums selbst ist natürlich eine Welt zusammengebrochen, als sie merkten, wie schnell eine Gesellschaft, der sie sich zugehörig fühlten, sie nicht nur aufgegeben hat, sondern sich gegen sie gewandt hat, um sie im wahrsten Sinne des Wortes bis aufs Hemd auszuplündern."

Ein Aspekt, den die Stadt Osnabrück gerne ausklammert, auch wenn sie den Maler Nussbaum als Aushängeschild benutzt, sagt der Kunsthistoriker Jürgen Kaumkötter vom Zentrum für verfolgte Künste. Für Felix Nussbaum war Hitlers Machtübernahme der Beginn seiner Odyssee, für die Osnabrücker Migrationsforscher der Startpunkt ihrer Untersuchungen. Eine gerade fertiggestellte animierte Karte, die demnächst auch im Netz abrufbar sein soll, dokumentiert den Lebensweg des Künstlers mit Linien. Zunächst Ostende, später Brüssel: Nussbaum wählte Orte aus, wo er Leute kannte, die Sprache sprach, wo er untertauchen konnte.

Neue Zusammenhänge zwischen Lebensweg und Arbeit

Ein Kalenderblatt zeigt den 21. Dezember 2012 an. © dpa/picture-alliance Foto: Franziska Kraufmann
AUDIO: Felix Nussbaum - Ein Porträt (15 Min)

Die Forschungsergebnisse zeigen neue Zusammenhänge zwischen dem Lebensweg und der künstlerischen Arbeit. Jürgen Kaumkötter fragt sich zum Beispiel, ob Nussbaum und seine Frau 1944 dem Druck nicht mehr standhalten konnten: "Es ist ihr Pass, der verlängert werden musste, eine Woche bevor der "Triumph des Todes", das angeblich letzte Bild von Felix Nussbaum, fertiggestellt wird. Und wir haben lange diskutiert, in welcher Situation sich die beiden befunden haben mussten. Es war 1944. Und da geht Felka Platek in eine Behörde, in einer Zeit in der die Juden massenhaft umgebracht und deportiert werden und stellt sich sozusagen der Behörde."

Die umfassende Dokumentation des Fluchtwegs von Nussbaum soll als Prototyp auch auf andere Lebenswege von Künstlern angewandt werden, die im 20. Jahrhundert zu Flüchtlingen wurden. Stolpersteine liegen schließlich nicht nur vor der großbürgerlichen Villa in der Osnabrücker Schlossstraße, sagt Christoph Rass: "Es lehrt uns aus der Geschichte heraus, wie Gesellschaften Verfolgung produzieren, Menschen ausgrenzen. Die Osnabrücker gehören hier zu den Tätern in der Geschichte."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 12.09.2016 | 19:00 Uhr

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