Stand: 07.06.2013 16:01 Uhr

Hinrich Wilhelm Kopf - Sturz einer Legende

Hinrich Wilhelm Kopf, niedersächsischer Ministerpräsident 1947-55, 1959-61, undatiert © dpa
Lange war die NS-Vergangenheit von Niedersachsens erstem Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf unklar. (Archivbild)

Er war ein Mensch, zu dem andere aufsahen, eine starke Persönlichkeit in einer unsicheren und schweren Zeit. Als erster Ministerpräsident des neu gegründeten Bundeslands Niedersachsen prägte Hinrich Wilhelm Kopf von 1947 an Land und Leute. Jahrzehntelang wurde der Sozialdemokrat als Gründervater verehrt. Doch seit eineinhalb Jahren wackelt das Podest, auf dem er so lange unangetastet stand. Eine Göttinger Historikerin forschte über die NS-Vergangenheit Kopfs und erhebt nun in einer Dissertation unerwartete Vorwürfe gegen den 1961 verstorbenen Politiker.

Profit durch Verkauf jüdischen Eigentums

Hinrich Wilhelm Kopf war laut der Wissenschaftlerin Teresa Nentwig zwar kein Mitglied der NSDAP und stand den Nationalsozialisten nicht nahe. Doch er "war eines dieser vielen kleinen Rädchen im Getriebe der NS-Vernichtungsmaschinerie", sagte die Historikerin am Donnerstag bei der Vorstellung ihrer Dissertation. Ab 1933 hätten Kopf und ein Partner die Geschäfte und Häuser jüdischer Bürger verkauft und an der sogenannten Arisierung gut verdient. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen soll er dann für die Haupttreuhandstelle Ost gearbeitet haben. Dort konfiszierte er Nentwig zufolge den Besitz von jüdischen und polnischen Flüchtlingen für das Dritte Reich.

Ministerpräsident Weil fordert offene Diskussion

Teresa Nentwigs Dissertation über Hinrich Wilhelm Kopf



Teresa Nentwig:
"Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961). Ein konservativer Sozialdemokrat", 2013
941 Seiten
Verlag Hahnsche Buchhandlung
ISBN 978-3-7752-6072-5
48 Euro
(Die Dissertation ist derzeit nicht im Handel erhältlich.)

Wie auch bei vielen anderen bekannten Persönlichkeiten, deren Ruf durch späte Biografien erschüttert wurde, bleibt die Frage: Wie geht man künftig mit der Erinnerung an diesen Menschen um? Immerhin erinnern viele Straßen, Plätze und Schulen in Niedersachsen mit ihrem Namen an den Landesvater. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) rief dazu auf, diese Diskussion möglichst breit zu führen. Ihm selbst falle es nicht leicht, die braune Vergangenheit Kopfs gegen seine Leistungen als erster Ministerpräsident abzuwägen: "Wir haben auf der einen Seite einen überragenden Demokraten, einen Gründungsvater des Landes Niedersachsen, auf der anderen Seite einen Menschen, der in der Zeit des Nationalsozialismus einen persönlichen Teil Schuld zu übernehmen hat."

Kopf selbst bestritt eine NS-Vergangenheit

Hinrich Wilhelm Kopf war zwischen 1946 und 1955 sowie zwischen 1959 und 1961 niedersächsischer Regierungschef. Seine Rolle während der deutschen Besatzungszeit in Polen und seine Verantwortung für Verbrechen im Nationalsozialismus war lange unklar. Er selbst hatte diese stets abgestritten.

Dieses Thema im Programm:

29.03.2018 | 19:30 Uhr

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