Von der LPG-Baracke zur gläsernen Molkerei
Dort, wo vor 25 Jahren noch Kühe gemolken wurden, wird heute Milch in Bioqualität verarbeitet. Erst vor dreieinhalb Jahren hat in Dechow, im Biosphärenreservat Schaalsee, die Gläserne Meierei den Betrieb aufgenommen. Bislang ist sie die einzige Molkerei dieser Art in Norddeutschland, die ausschließlich Bioprodukte herstellt.
Wer das moderne Gebäude betritt, findet sich zunächst in einem kleinen Café mit Hofladen wieder. Vom Obergeschoss aus kann der Besucher einen Blick in die Produktion werfen - ganz ohne den in der Ernährungsbranche üblichen Hygieneanzug. "Das ist möglich, weil wir hier einen gläsernen Gang haben, der uns direkt durch die Produktion führt", erklärt Kirsten Böhmann, die Geschäftsführerin der Molkerei. Durch große Glasscheiben schaut man als Besucher direkt in die Produktion, zum Beispiel auf die große Abfüllanlage für die Frischmilch.
Ein Industriebetrieb im Biosphärereservat?
Täglich werden hier 180.000 kg Bio-Milch zu Frischmilch, Butter, Buttermilch und Joghurt verarbeitet. Die Milch stamme von Kühen, die auf norddeutschen Weiden grasen, berichtet Verkaufsleiter Peter Knopp und schmecke deshalb noch richtig wie Milch, weil sie ganz naturbelassen ist, aus der Region kommt und in der Molkerei schonend verarbeitet wird.
Das Unternehmen Gläserne Meierei hat der Vater von Kirsten Böhmann im Jahr 2001 gegründet. Anfangs ließ er geringe Mengen Bio-Milch aus dem Norden in der Ostseemolkerei Rostock verarbeiten. Als sie die Produktion einstellte wurde die Hansa-Molkerei Uphal sein Partner, die heutige Arla-Molkerei. Nach einem ersten kleineren Neubau in Münchehofe bei Berlin suchte Böhmann nach einem weiteren Standort für die Biomilch aus dem Norden. In der kleinen Gemeinde Dechow mit etwa 200 Einwohnern wurde er fündig, erinnert sich seine Tochter, die inzwischen ins Unternehmen eingestiegen war.
Milch da zu verarbeiten, wo sie produziert wird - das ist die Idee einer Biomolkerei. Von der Möglichkeit, sich im Biosphärereservat ansiedeln zu können, sei man gleich begeistert gewesen. Doch ein Industriebetrieb mitten im Biosphärenreservat - das konnte sich nicht jeder vorstellen. "Doch mit Bio ist das gut möglich", sagt Kirsten Böhmann, denn die Biobauern verstünden sich als Teil der Natur und des Kreislaufes und versuchen im Einklang mit den Tieren und der Natur und den anderen Menschen zu wirtschaften.
Die Zahl der Milchlieferanten hat sich seit 2001 fast verzehnfacht - auf 130. Die Gläserne Meierei hat 50 Mitarbeiter und drei Auszubildende. Es ist der einzige größere Betrieb im Dorf und möchte Teil der Gemeinde sein. "Klar es gibt auch mal Konflikte, bei höherem Verkehrsaufkommen beispielsweise", ergänzt Böhmann.
Vom "Schandfleck" zum "Sechser im Lotto"
Mit der Gläsernen Meierei ist Dechow einen Schandfleck losgeworden, eine stillgelegte Milchviehanlage, die teilweise noch mit Asbest gedeckt war. Lange hatte die beschauliche Gemeinde mit ihren Fachwerkhäuschen nach einer passenden Nutzung für das Areal gesucht, erinnert sich Udo Wachtel, früher Bürgermeister in Dechow. Mit der Ansiedlung dieser gläsernen Meierei habe Dechow sich natürlich seine Zukunft hier geschaffen: "Arbeitsplätze, Leute kommen ins Dorf, Dechow wird bekannter - die Meierei organisiert hier auch eine ganze Reihe an Veranstaltungen, das war der Sechser im Lotto für Dechow, das muss man auch so sagen, erklärt Wachtel.
Und die ewig Zweite im Wettbewerb um das schönste Dorf in Mecklenburg-Vorpommern wurde endlich mit Gold belohnt, sogar im Bundeswettbewerb sprang ein Sieg für Dechow heraus. Und für viele Kinder aus der Region ist die Gläserne Meierei heute zu einem Lernort geworden, wenn sie nicht nur durch die großen Scheiben in die Produktionshallen schauen, sondern beim Buttern selbst Hand anlegen können.