Dir gehör' ich, Dir bleib ich bis zum Tod!
Sie sind auf den ersten Blick ähnlich zeitgemäß wie eine Dampfmaschine: Studentenverbindungen wirken archaisch, altmodisch, unmodern. Doch schon seit mehr als 200 Jahren behaupten sie sich durch alle wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse. Was steckt hinter dem Bund fürs Leben?
Das Grundprinzip: Wer beitritt, bleibt treu. Studentenverbindungen sind Zusammenschlüsse von Studenten und ehemaligen Studenten. Einen Lebensbund einzugehen, ist eines der wichtigsten Ziele und eine der Gemeinsamkeiten nahezu aller Verbindungen. Verbindungen stammen aus einer Zeit, zu der ein Studium etwas Außergewöhnliches und meist der Elite des Landes vorbehalten war. Damit man sich untereinander erkennen konnte, gab es bestimmte Zeichen, die auch heute noch eine große Bedeutung für das Verbindungsleben spielen. Die "Couleur" sind zum Beispiel Farbkombinationen, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verbindung zeigen, getragen als Band oder Mütze. Darüber hinaus gibt es noch den sogenannten Zirkel, in der Regel die verschlungenen Anfangsbuchstaben des Verbindungsnamens und das Studentenwappen.
Über den absoluten Ursprung herrscht keine klare Einigung. Jede Verbindung scheint ihre eigene Entstehungsgeschichte zu schreiben. So sehen sich zum Beispiel die "Corps" als älteste Verbindungsart. "Doch auch die Landsmannschaften erheben Anspruch, der älteste Verbindungstypus zu sein. Es ist eine parallele Entwicklung, die heutigen Verbindungen sind alle keine 200 Jahre alt", so Alexandra Kurth, Politikwissenschaftlerin an der Universität Gießen.
Verbindungsarten
Das Wort "Studentenverbindung" ist nur ein Oberbegriff, Verbindungsarten gibt es viele. Es gibt Landsmannschaften, Corps, Burschenschaften, katholische, evangelische und protestantische Verbindungen, Turner- und Sängerschaften sowie Damenverbindungen. Die Kultur der Studentenverbindung war nie unveränderlich.
Viele der heute typischen Äußerlichkeiten haben sie über einen langen Zeitraum erst entwickelt. Der wohl wichtigste Unterschied: Es gibt schlagende und nichtschlagende Verbindungen, aber auch farbentragende und nicht farbentragende. Schlagende Verbindungen tragen die sogenannten Mensuren (Fechtkämpfe) aus, farbentragende Verbindungen zeigen durch ihre Farben, welcher Verbindung sie angehören. Trotz der Vielfalt weisen nahezu alle Verbindungen Grundprinzipien auf, denen sie allesamt folgen, wie das Lebensbundprinzip.
Burschenschaften und Studentenverbindungen
Wie die unterschiedlichen Verbindungsarten schon zeigen, lassen sich die Formen nicht unter einem Begriff zusammenfassen. Das größte begriffliche Missverständnis bezieht sich auf Studentenverbindungen und Burschenschaften. Der Begriff 'Burschenschaften' wird oftmals falsch als Oberbegriff für alle Arten von Verbindungen gebraucht. Um die Hintergründe zu verstehen, muss bis auf die Urburschenschaft zurückgeblickt werden.
1815 senkten aufgelöste Landsmannschaften ihre Fahnen - und im Gasthaus "grüne Tanne" in Jena schlossen sich die Gründer der Urburschenschaft zusammen. Sie verfolgten die Idee, alle existierenden Zusammenschlüsse der Universitäten zu verbinden und die landsmannschaftlichen abzuschaffen. Im Hinterkopf: das vereinte Deutschland. Schon während der Fremdherrschaft Napoleons entwickelte sich innerhalb der Studentenschaften ein eigener, deutscher Patriotismus. Burschenschaften waren von Beginn an politisch ausgerichtet und stellten Forderungen auf. Im Gegensatz zu ihnen sind viele Verbindungen - insbesondere heutzutage - dem eigenen Selbstverständnis zu Folge parteipolitisch neutral.
Der Fuchsmajor und seine Füchse
Studentenverbindungen folgen klaren Regeln und ihrer eigenen Hierarchie. Sie sind in Studierende und ehemalige Studenten unterteilt, letztere werden "Alte Herren" beziehungsweise "Hohe Damen" genannt. Sie bilden die Altherrenschaft und unterstützen den Bund ideell und finanziell. Die Verantwortlichen für bestimmte Positionen werden von den Mitgliedern gewählt. Der mindestens dreiköpfige Vorstand - die "Chargierten" - besetzt die Rollen des Vorsitzenden, des Fechtverantwortlichen (zumindest bei schlagenden Verbindungen) und die des Schriftwarts (auch Sekretär genannt). Hinzu kommt ein Fuchsmajor, der für die Neulinge - die "Füchse" (manchmal auch in der Schreibweise "Füxe") - verantwortlich ist. Nach der Fuchsenzeit der neuen Mitglieder kommt die endgültige Aufnahme in den Lebensbund - mit vollen Rechten und Pflichten. Doch ist das wirklich verbindlich? Der Eintritt scheint für die Ewigkeit. "Ein Ausstieg ist jederzeit ohne juristische Hürden möglich", erklärt Albrecht Fehlig, Pressesprecher der "Corps". "Mitglieder können bei schwerwiegendem Fehlverhalten aber auch zeitweilig oder endgültig aus der Verbindung ausgeschlossen werden".
Studentenverbindungen heute
Das Verbindungswesen ist heute vielfältiger geworden - ob Männer oder Frauen, religiöse oder Musikbegeisterte - für jeden Studenten, der sich für eine Verbindung interessiert, wird sich etwas finden. Doch was zieht sie in den Bann? Früher war es der geheimnisvolle Bund, die freiwillige Selbstbindung an die Hochschulelite des Landes, der besondere Flair und der Reiz des Männerbundes - kurzum der Reiz, etwas Besonderem anzugehören. Heute sind es das Gemeinschaftsgefühl, die Traditionsliebe - oder doch die guten Kontakte und Immobilien, mit denen Verbindungen oftmals neue Studenten locken? "Zusammenhalt, die Gleichberechtigung der Mitglieder und der zivilisierte Umgang miteinander", zählt Albrecht Fehlig die für die "Corps"-Brüder wichtigen Werte auf. "Auch Freundschaft ist ein wichtiger Wert. Man wird Mitglied, weil man Spaß an den Aktivitäten und an der Gemeinschaft hat".
Wie lange die Relikte aus längst vergangener Zeit noch existieren, bleibt dem Nachwuchs überlassen. Denn die Verbindungen haben eines gemeinsam: Es mangelt an neuen Mitgliedern. Aber solange das Lebensbundprinzip erhalten bleibt, wird auch in Zukunft in alten Gewölbekellern aus stolzen Kehlen ein "Dir gehör ich, Dir bleib ich bis zum Tod!" erklingen.