Gertrud Meyer: Sie war Willy Brandts erste Liebe
Mit Willy Brandt kämpft sie gegen das Nazi-Regime. Trotz ihrer Arbeit im Widerstand ist sie heute kaum bekannt. Mit einem Stolperstein erinnert die Stadt Lübeck an Gertrud Meyer.
"Gertrud Meyer hat vollkommen selbstbestimmt den Weg in ihr politisches Engagement gefunden", sagt Historikerin Sophie Nübling vom Willy Brandt Haus in Lübeck. In der Ausstellung, die das Leben des Politikers in allen Phasen zeigt, sucht man sie vergeblich. Dabei waren Gertrud Meyer und Willy Brandt für acht Jahre ein Paar.
Brand und Meyer zusammen im Untergrund
Gertrud Meyer wird 1914 in einer einfachen Arbeiterfamilie als zehntes Kind in Lübeck geboren. Schon als 17-Jährige tritt sie der Sozialistischen Arbeiterjugend bei, und trifft dort Herbert Frahm, den späteren Willy Brandt. Sie werden in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) aktiv, die nach der Machtübergabe der Nationalsozialisten 1933 verboten wurde. Brandt und Meyer arbeiten gemeinsam im Untergrund weiter und werden ein Paar. Sie leisten Widerstandsarbeit durch Fluchthilfe und Aufklärungsarbeit über die neu errichtete NS-Diktatur. Als Stenotypistin redigiert und vervielfältigt Gertrud Meyer Flugblätter gegen den Arbeitsdienst, eine Aktivität die als "Vorbereitung zum Hoch- und Landesverrat" verfolgt wird. Im Mai 1933 wird sie verhaftet und für fünf Wochen im Frauengefängnis Lauerhof in Lübeck inhaftiert. Ihre Freilassung erfolgt aufgrund mangelnder Beweise. Die politische Lage zwingt sie, ihren Widerstand im Exil fortzusetzen. Sie flieht zu Brandt nach Norwegen.
Widerstand aus dem Exil in Norwegen
In Oslo spielt Meyer eine zentrale Rolle bei der Koordination des Widerstands zwischen Deutschland und dem Ausland. Sie fungiert als Kurierin und Verbindungsperson für die SAP. Dabei unternimmt sie mehrmals gefährliche Reisen nach Deutschland. Durch eine Scheinehe mit dem norwegischen Studenten Gunnar Gaasland erhält sie die norwegische Staatsbürgerschaft und kann ihre Arbeit unter neuem Namen verdeckt weiterführen. Sie lebt zusammen mit Willy Brandt, die beiden führen ein eheähnliches Verhältnis. Da der junge Brandt als Journalist nur sporadische Einkünfte hat, kann Gertrud Meyer den gemeinsamen Lebensunterhalt mit einer Stelle als Sekretärin sichern.
Gertrud Meyer geht in die USA - Brand beginnt eine neue Beziehung
Sie arbeitet für den von den Nationalsozialisten verfolgten Mediziner und Psychoanalytiker Wilhelm Reich. "Sie finanzierte so auch einen nicht unwesentlichen Teil der politischen Tätigkeit der SAP Gruppe in Oslo", bemerkt Sophie Nübling. In New York soll sie die Auswanderung für den jüdischen Wilhelm Reich in die USA vorbereiten und reist ihm voraus. Die Besetzung Norwegens am 9. April 1940 durch die deutsche Wehrmacht schafft eine neue Lage für Gertrud Meyer - auch für sie wird es gefährlich. Sie bleibt in New York und so verlieren sich auch die gemeinsamen Wege mit Willy Brandt. Einige Zeit später erfährt sie über Dritte, dass er anderweitig liiert ist und die neue Beziehung ein Kind erwartet.
Eigene Wege im Schatten des Politikers Willy Brandt
In den USA arbeitet Gertrud Meyer unermüdlich weiter, indem sie die Einreisebürgschaften für die Genossinnen und Genossen auf der Flucht beschafft. 1947 heiratet sie Harry Danielsen, einen norwegischen Kapitän, mit dem sie zwei Kinder bekommt. Oslo wird 1955 erneut ihre Heimat. Sie engagiert sich weiter auf lokaler Ebene in der Norwegischen Arbeiterpartei. Willy Brandt macht politisch Karriere und wird 1969 Bundeskanzler. Als er 1971 den Friedensnobelpreis erhält, gehört Gertrud Meyer nicht zu den Eingeladenen.
In einem Brief heißt es: "Ich muss offen gestehen, dass ich eine Einladung erwartet hätte, obwohl ich aus Taktgefühl ferngeblieben wäre, aber nur die Geste hätte mir eine ungeheure Freude bereitet und ich hätte es als eine persönliche Wertschätzung unserer vergangenen gemeinsamen Arbeit aufgefasst (...) diese immer wieder von Dir erwähnten grundlegenden Jahre in Norwegen, waren unsere Jahre, lieber Willy, das dürftest Du nicht vergessen."
Mehr als eine "Frauengeschichte Brandts"
Zu dieser Zeit gibt es auch Interesse an der damaligen Verbindung zu Gertrud Meyer weiß die Historikerin vom Brandt Haus: "Die Presse war gerade in den 70er- und 80er-Jahren hinter den Frauengeschichten Willy Brandts her. Sie wollte nicht auf eine solche Frauengeschichten reduziert werden und hat sich deshalb zu dieser Zeit nicht geäußert." 2002 verstirbt sie als Gjertrud Danielsen im Alter von 89 Jahren in Oslo. Im Oktober 2024 wird ihr vor ihrem Elternhaus in Lübeck ein Stolperstein verlegt.
Posthume Anerkennung für Gertrud Meyer
Tor Erik Danielsen freut sich über die Anerkennung seiner Mutter: "Es ist paradox, dass sie heute die Aufmerksamkeit für ihre politische Arbeit von damals bekommt. Bisher ist sie als eine Person wahrgenommen worden, die neben anderen gearbeitet und diese auch weitergebracht hat. Jetzt bekommt sie Anerkennung für ihre eigenständige Arbeit. Es ist eine Genugtuung zu sehen, dass sie heute dafür geehrt wird." Zur Stolperstein-Verlegung sind zwölf ihrer Familienangehörige aus Norwegen angereist. Gemeinsam mit ihren beiden Söhnen hatte Getrud Meyer ihre HeimatstadtLübeck immer wieder besucht.