CSD: "Ohne Politik keine Party - und andersrum"
Christopher Street Day. Das bedeutet: bunte, schrille Kostüme und laute Musik. Nein. Halt. Stop. Beim CSD geht es um viel mehr. Vor allem geht es bei der Veranstaltung um Akzeptanz, um Toleranz und um Politik. Alle Menschen sollen gleichberechtigt sein. Egal, wen sie lieben. In Hamburg gehen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle seit 35 Jahren auf die Straße. Von Anfang an dabei: Wolfgang Krömer. Er setzt sich seit den 70er-Jahren für die Rechte von Schwulen in der Hansestadt ein. Außerdem moderiert er den PINK Channel, eine Radiosendung für Lesben und Schwule. NDR.de hat mit ihm gesprochen.
1980 fand der erste CSD statt. Was war damals anders als heute?
Wolfgang Krömer: Damals war der Christopher Street Day als Stonewall-Demonstration angemeldet. Nach einer Kneipe in der New Yorker Christopher Street, wo die Parade ursprünglich entstanden ist. Die Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland entstand auf den letzten Metern der Studentenbewegung. Die Teilnehmer waren also studentisch gekleidet. Viele trugen Schlaghosen, hatten Schnauzbärte und lange Haare. Aber es gab auch Dragqueens. Besonders Gunther Schmidt ist mir in Erinnerung geblieben. Er trug ein Kleid und Rollschuhe.
Wie lief der erste CSD ab?
Krömer: Es waren nicht so viele Menschen wie heute dabei, ungefähr 1.500. Der erste Christopher Street Day war noch politisch betonter. Es gab verschiedene Forderungen, für die wir kämpften. Vor allem gegen sogenannte Rosa Listen. Das waren Listen, die Behörden führten, auf denen die Namen mutmaßlicher Schwuler und Lesben aufgeführt waren. Und natürlich für die Abschaffung des Paragrafen 175, der Homosexualität unter Strafe stellte.
Mittlerweile sind diese Listen abgeschafft. Ist der CSD im Laufe der Zeit mehr Party und weniger Politik geworden?
Krömer: Für mich waren immer beide Aspekte gleichberechtigt. Denn ohne Party würden weniger kommen, und wenn wir alles erreicht hätten, würden wir keine Parade mehr brauchen. Ich glaube nicht, dass es die Paraden ohne Forderungen noch geben würde. Viele Menschen, die zum CSD kommen, sind ganz normal gekleidet. Natürlich sind die Medien immer mehr auf die schillernden Bilder von Dragqueens fokussiert. Und das auch zu Recht. Dieses einfache Crossdressing kann helfen, der Gesellschaft zu zeigen, wofür unsere Bewegung steht.
Was konnten Sie über die Jahre schon erreichen?
Krömer: Mittlerweile kann ich mich als Schwuler in Hamburg frei bewegen. Bei fast allen Arbeitgebern kann man offen zu seiner Homosexualität stehen. Außerdem wurde 1994 der Paragraf 175 abgeschafft. Mit der Hamburger Ehe war Hamburg Vorreiter in Deutschland. Es war 1999 die erste deutsche Stadt, in der homosexuelle Paare sich als Partner beim Standesamt eintragen lassen konnten.
Welche Forderungen haben Sie heute noch?
Krömer: Natürlich fordern wir die "Ehe für alle". Die es aber nicht geben wird, solange Frau Merkel an der Regierung ist. Hier will sie beweisen, dass sie noch eine konservative Kanzlerin ist. Und dann setzen wir uns gerade dafür ein, dass sexuelle Vielfalt in Schulen mehr gefördert wird. Jungs sollen nicht mit einem Machobild aufwachsen, sondern wahrnehmen: Da gibt es ganz viel - nicht nur rosa und blau, sondern eine ganz große Vielfalt. Deswegen ist das Motto des CSD in diesem Jahr auch: Akzeptanz ist schulreif.
Man kann also davon ausgehen, dass es den CSD noch lange geben wird?
Krömer: Ich möchte da keine langfristige Prognose wagen. In fünf Jahren wird sicher nicht alles erreicht sein und es wird weiterhin CSD-Paraden geben. Was in 20 Jahren ist, weiß ich nicht. Wenn Parteien wie die AfD oder ähnliche Parteien in die Regierung kommen, besteht auch immer die Möglichkeit eines Rückschritts in der Gesellschaft. Ein "Alles erreicht" liegt noch in ganz ferner Zukunft.
Das Interview führte Stefanie Döscher, NDR.de.