Bullenhuser Damm bekommt neues Ausstellungsstück
Viel ist Grete Hamburg aus Tel Aviv nicht von ihrem Bruder Walter geblieben. Ein Briefmarkenalbum gehört zu den wenigen Dingen, die noch von ihrem kleinen Bruder erhalten sind. Nun übergab sie es der Gedenkstätte für die Kinder vom Bullenhuser Damm - dem Ort, an dem ihr Bruder 1945 zusammen mit anderen jüdischen Kindern von Nazis erhängt wurde. "Ich habe geschworen, ich komme nie mehr nach Deutschland", sagte Hamburg am Mittwoch bei einer Gedenkfeier für die Ermordeten. Nun sei sie aber doch froh, gekommen zu sein.
"Er hätte ein schönes Leben verdient"
Schulkinder sangen Lieder zum Andenken an Walter und die anderen Opfer vom Bullenhuser Damm. "Er hätte ein schönes Leben verdient. Jeder hat ein Recht zu leben", sagte ein Junge in seiner Gedenkrede. Walter Jungleibs Schicksal wurde erst im vergangenen Jahr bekannt. "Dass nach mehr als 70 Jahren von einem weiteren Kind die Geschichte erzählt werden kann, ist zugleich sehr ungewöhnlich und bewegend", erklärte der Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Detlef Garbe. "Wir sind sehr froh darüber, dass wir unsere Ausstellung um ein wertvolles und berührendes Erinnerungsstück ergänzen können."
Für Experimente missbraucht und anschließend getötet

Im Oktober 1944 war Grete zunächst gemeinsam mit ihrem Bruder und den Eltern deportiert worden, dann wurden sie und ihre Mutter von Vater und Bruder getrennt. "Walter hatte seine Kappe vergessen und ist zurückgekommen, um sie zu holen. Danach war er der Letzte in der Reihe, hat sich umgedreht, gewinkt und gelächelt, und das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen haben", berichtete Grete Hamburg. Walter deportierten die Nazis damals nach Hamburg. Dort führte ein Arzt an ihm und weiteren Kindern grausame medizinische Experimente durch. Kurz vor Kriegsende wurden die Kinder ermordet, um die Spuren zu verwischen.
Wie aus "W. Junglieb" Walter Jungleib wurde
In Hamburg war am Bullenhuser Damm nur der Name "W. Junglieb" für einen ermordeten Jungen bekannt, von dem angenommen wurde, dass er er wahrscheinlich aus Jugoslawien stammte und zwölf Jahre alt war, als er von den Nazis ermordet wurde. Dank der Recherche von Verwandten eines anderen von der SS ermordeten Kindes fand man heraus, dass W. Junglieb in Wirklichkeit Walter Jungleib hieß und aus der slowakischen Stadt Hlohovec kam. Nur seine Mutter und seine zwei Jahre ältere Schwester Grete überlebten die Gefangenschaft in Auschwitz.
Der kleine Walter war ein begeisterter Briefmarkensammler. Sein Album wird nun in der Ausstellung der Gedenkstätte am Bullenhuser Damm zu sehen sein. Außerdem wurde zu seinen Ehren die Jungliebstraße in Hamburg-Schnelsen unbenannt in Walter-Jungleib-Straße.
