Ein Ort für Experimente: Schloss Bröllin
Etwa 20 Menschen verschiedenen Alters räkeln sich ausdrucksstark, hingebungsvoll und ausdauernd auf dem Holzboden des Theaterraumes im sogenannten Bullenstall. Sie wärmen sich für die Proben zu einem Tanzprojekt auf, das verschiedene Tanzkünste miteinander vereint. Im ehemaligen Bullenstall entstanden bei der Sanierung gleich mehrere Räume, die sich ideal für solche Performances eignen. Die ehemaligen Stallanlagen wurden erhalten und hergerichtet. Heute besitzen sie einen ganz besonderen Charme, der Künstler aus aller Welt anlockt. "Ich kenne den Platz schon seit 1992, also schon ein paar Jährchen. Wir sind hier mehr oder weniger Urgestein", sagt Delta Rai, der künstlerische Leiter des Tanzfestivals.
Prädikat: "gewöhnungsbedürftig"
Eine Berliner Theatergruppe suchte 1992 in Vorpommern einen Ort, an dem geprobt und aufgeführt werden konnte. Das damals verfallene und auch sehr gewöhnungsbedürftige Schloss mit den alten Ställen und Anlagen war genau das Richtige für die Theaterenthusiasten aus der Hauptstadt. "Abgelegen, ruhig und ausbaufähig", erinnert sich Katharina Husemann, die damals den Schloss Bröllin e. V. mitgründete. Der Titel Schloss ist irreführend, denn es handelt sich bei dem heutigen Gutshof wahrscheinlich um ein Rittergut, dessen erste Erwähnungen bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es landwirtschaftlich genutzt.
Der Aufbau wird zur Mammutaufgabe
"Wir haben es als Herausforderung gesehen und haben auch ziemlich schnell gemerkt, dass Theater spielen und so einen Ort hier aufzubauen zwei ganz unterschiedliche Themen sind", erinnert sich Husemann. Eine Mammutaufgabe sei es gewesen, die viel Kraft und Ausdauer erforderlich machte. Denn was die Künstler vorfanden, war alles andere als eine fertige Probenstätte: Die Ställe seien leer gewesen, überall lag Stroh, die Öfen waren herausgerissen, es waren Plastikfenster eingebaut worden und draußen gab es ein Plumpsklo, erzählt Husemann. Dennoch: Der Verein suchte sich Verbündete und die Sanierung der Schlossanlage und auch das Theatermachen kamen voran.
Das alte Gutshaus von Schloss Bröllin wurde 1992 in diesem maroden Zustand vom Verein gemietet und mit erheblichen Eigenleistungen für die Vereinsarbeit und für einige Mitarbeiter- und Gästezimmer nutzbar gemacht. Später kaufte der Verein den Hof und konnte mittels öffentlicher Förderungen und weiteren Kreditmitteln zunächst die Gebäude fachgerecht sanieren und ausbauen, die für das künstlerische Angebot des Vereins gebraucht wurden. Die dringend erforderliche Restaurierung und Sanierung des denkmalgeschützten Gutshauses musste mangels finanzieller Mittel zurückgestellt werden.
Von der "Insel" zum "Hafen des Wohlbefindens"
Das Projekt sei von vielen belächelt worden, erinnert sich Katharina Husemann: "Anfänglich waren wir wirklich sehr 'die Insel'." Eine Insel, die zunächst als skurril angesehen wurde, aber durch Berichterstattung und Fernsehbeiträge an Akzeptanz gewann. Mittlerweile feiert die Dorfbevölkerung mit dem Schloss Bröllin auch gemeinsam Erntedankfest und sogar eine Silvesterparty habe es schon gegeben, sagt Nathalie Sensevy vom Verein: "Es gibt hier die regionalen Leute, die ein Herz für Kunst und Kultur haben, die sich freuen, wenn hier was passiert. Für die ist das so ein Hafen des Wohlbefindens." Aber auch die Nachbarschaft, die mit der Kunst weniger anfangen kann, besucht das Schloss Bröllin. Einige kämen einfach, um im Café dem Sprachgewirr von manchmal bis zu 20 Sprachen zu lauschen.
Viel Platz zum Probieren
Die Künstler scheint das riesige Gelände magisch anzuziehen. Das Schloss Bröllin besticht besonders durch sein Ambiente und die vielen Möglichkeiten sich auf unterschiedlichste Art und Weise zu entfalten. Im Refektorium beginnen gerade Musiker mit ihren Proben für die Vorstellung am Abend. Gleich nebenan machen sich die Tänzer warm. Der künstlerische Leiter Delta Rai liebt diesen Ort: "Viel Fläche, viele Möglichkeiten was auszuprobieren." Für die Zukunft plant der Verein das mehr als 50.000 Quadratmeter große Gelände zu einem generationsübergreifenden Kompetenzzentrum für Kunstproduktionen aller Art zu machen.