Cum-Ex: Olaf Scholz und die Wahrheit
Worum ging es bei den Treffen zwischen Olaf Scholz und dem Bankier Christian Olearius? Eigentlich keine schwierige Frage - doch Scholz bleibt die Antwort schuldig.
Eigentlich sind es keine komplizierten Fragen, die Olaf Scholz seit einiger Zeit gestellt werden: Hat er sich als Erster Bürgermeister der Stadt Hamburg mit Christian Olearius getroffen, dem Chef der Warburg-Bank? Obwohl gegen diesen bereits wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde? Und: Wie oft? Und worum ging es? Um Cum-Ex?
Die Suche nach klaren Antworten bleibt schwierig. Und das liegt vor allem an Olaf Scholz - an dem Mann, der einst "Aufklärung" und "volle Transparenz" im Cum-Ex-Skandal versprach.
Bereits 2019 wollen Oppositionspolitiker in der Hamburger Bürgerschaft wissen, ob es solche Treffen gab. Die Hamburger Politik beschäftigt sich damals mit der Frage, warum die Finanzbehörde der Stadt sich rund 50 Millionen Euro Steuergeld nicht zurückholte, die sich die Warburg-Bank durch Cum-Ex-Geschäfte ergaunert hatte. Mittels einer Parlamentarischen Anfrage Klarheit schaffen, das ist das Ziel der Linksfraktion. War Olaf Scholz in Gespräche mit Vertretern der Warburg-Bank involviert, fragt sie explizit. Die kurze und offenbar klare Antwort der Senatskanzlei, jahrelang quasi das Büro des früheren Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz, lautet: Nein.
Erst kein Treffen, dann doch ein Treffen
Es könnte das Ende der Geschichte sein - wenn nicht wenige Monate später Panorama Belege dafür erhalten hätte, dass es ein solches Treffen eben doch gab. Und zwar am 10. November 2017. Da hatte Scholz als Bürgermeister den Chef der Warburg-Bank in seinem Amtszimmer im Rathaus empfangen. Das geht aus Tagebucheinträgen von Christian Olearius hervor, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen ihn beschlagnahmt wurden. Panorama fragt daraufhin erneut bei Scholz nach. Eine Antwort innerhalb der Frist gibt es nicht. Erst als die Recherchen und Belege bereits veröffentlicht sind - das Treffen also nicht mehr abzustreiten ist - antwortet sein Sprecher: Ja, es habe ein solches Treffen gegeben. Das gehe aus Scholz‘ Kalender hervor.
In Folge dieser Berichterstattung bestellt der Finanzausschuss des Bundestages Olaf Scholz ein. Gleich in drei Sitzungen wird Scholz vernommen. Wie aus dem Protokoll der ersten Sitzung hervorgeht, wollen Mitglieder des Ausschusses unter anderem wissen, "ob es neben dem Treffen mit Olearius weitere Gespräche dieser Art gegeben habe". Den Eindruck, den Scholz bei mehreren Ausschussmitgliedern erweckt, ist: Nein, es gab keine weiteren Treffen.
Erst ein Treffen, dann drei
Doch Panorama recherchiert weiter - und kann kurz darauf zwei weitere Treffen belegen. Auf die Frage von Panorama, warum Scholz in der Sitzung nicht von den anderen Gesprächen mit Olearius berichtet hat, erklärt sein Sprecher lapidar: Die Abgeordneten hätten eben konkreter nachfragen müssen. Es scheint: Olaf Scholz erinnert sich immer erst dann, wenn sich Treffen mit dem Banker überhaupt nicht mehr abstreiten lassen.
Als im März 2021 in Hamburg ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der klären soll, ob es politische Einflussnahme zu Gunsten der Warburg-Bank und dessen Chef Olearius gegeben hat, ist Scholz bei zwei Sitzungen als Zeuge geladen. Hier streitet er die Treffen nicht ab, nur daran erinnern könne er sich nicht mehr: "Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich an die konkreten Treffen keine Erinnerung habe."
Immer neue Fragen statt Aufklärung
Das ist insofern merkwürdig als er im Jahr zuvor im Finanzausschuss durchaus eine grobe Erinnerung zumindest an das Treffen 2017 hatte. Florian Toncar, damals FDP-Bundestagsabgeordneter und Obmann im Finanzausschuss, erinnert sich so: "Er hat dann einige Anmerkungen gemacht zu seinem Treffen mit Herrn Olearius. Dazu hat er sich eingelassen und hat dort auch vorgetragen, dass er keine erkennbare Reaktion auf die Ansprache mit Blick auf die Steuernachforderung gezeigt habe." Dies geht auch aus dem Protokoll der Sitzung hervor, das Panorama vorliegt.
Der Widerspruch fällt ebenfalls Mitgliedern des Hamburger Untersuchungsausschusses auf. Konkret danach vom Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch gefragt, kann sich Scholz plötzlich auch nicht mehr an seine eigenen Aussagen im Finanzausschuss erinnern - Zitat: "Konkret an die Sitzung des Ausschusses und seinen Verlauf kann ich mich nicht erinnern."
Wieder eine neue Erinnerungslücke
Aufklärung? Volle Transparenz? Was ist denn nun die Wahrheit? Kann Olaf Scholz sich wirklich nicht erinnern? Es bleibt eher der Eindruck, dass er sich einfach nicht erinnern will.