Stand: 03.11.2016 19:14 Uhr

Die zweifelhaften Deals der Warburg-Bank

von Anne Ruprecht, Christian Salewski und Oliver Schröm

Der Bankier Christian Olearius gehört zu den großen Mäzenen in Hamburg. Der 74-Jährige unterstützt etwa das Thalia Theater oder die Elbphilharmonie. Und nach der Finanzkrise verkündete der Mitinhaber der altehrwürdigen Privatbank M.M. Warburg & Co. stolz: "Wir haben Fehlentwicklungen und Auswüchse des Finanzmarkts bewusst nicht mitgemacht."

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Aber das Bild vom ehrbaren Banker wankt. Nach Recherchen von Panorama sollen die Warburg Bank, ihre Tochterinstitute und sogar Olearius persönlich in dubiose Aktiengeschäfte verstrickt sein. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt. Bereits im Januar durchsuchten Fahnder die Geschäftsräume der Bank in Hamburg. Nach Informationen von Panorama fanden sie Unterlagen, wonach die Bank und ihre Inhaber an fragwürdigen Cum-Ex-Geschäften beteiligt waren. Den Fahndern fiel etwa ein Stehordner mit der Aufschrift "Cum-Ex-Transaktionen" in die Hände. Darin fand sich ein vertraulicher Vermerk, in dem der damalige Hausjurist vor Haftungsrisiken infolge solcher Cum-Ex-Geschäfte warnte.

Millionen durch Cum-Ex

Bei Cum-Ex-Geschäften werden rund um den Dividendenstichtag Aktien zwischen verschiedenen Playern trickreich hin- und hergeschoben, sodass letztlich eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer doppelt rückerstattet wird. Innerhalb von Tagen lassen sich auf diese Weise Millionen scheffeln.

Es sei eine "falsche Grundannahme", heißt in einem Schreiben der Bank an Panorama, "dass M.M. Warburg & Co an Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt habe, die zu einer Mehrfachanrechnung oder -erstattung von Kapitalertragssteuer geführt hätten. (...) Unsere Geschäfte erfolgten unter strikter Berücksichtigung aller gesetzlichen Anforderungen."

"Lücke, um den Staat zu schaden"

Frank Tibo
"Cum-Ex-Geschäfte sind dafür erdacht, den Staat auszutricksen", sagt der ehemalige Steuerchef der Hypovereinsbank, Frank Tibo.

"Also Cum-Ex-Geschäfte sind dafür erdacht worden, um eine Lücke zu nutzen, die dem Staat schadet, und man hat versucht, den Staat hier wirklich auszutricksen", sagt Frank Tibo. Tibo war Steuerchef der Hypovereinsbank (HVB). Seine Bank hat mittlerweile ihre Verwicklungen in Cum-Ex-Geschäfte eingeräumt und zehn Millionen Euro Strafe gezahlt. Tibo selbst hatte vor diesen und anderen Aktiengeschäften gewarnt, aber beim Vorstand einst kein Gehör gefunden. Gegenüber Panorama geißelt er erstmals öffentlich die Gier und Tricks der Derivatehändler und Banker: "Das was man machen kann, das möchten die auch machen. Da gibt es immer neue Varianten, und da werden immer neue Aktionen gestartet."

Schadenshöhe: Zwölf Milliarden Euro

Mehr als hundert Banken und Kapitalanlagefonds sollen mit diesen Geschäften die deutschen Steuerzahler ausgenommen haben. Schätzungen geghn von einem Schaden in Höhe von zwölf Milliarden Euro aus.

"Die Profiteure von diesem Steuertrick waren große Banken und Millionäre, und deswegen kann man sagen, gerade die Elite unseres Landes hat eigentlich in die Kasse der Gemeinschaft gegriffen und unser Steuergeld herausgeholt. Das ist natürlich etwas, was Sprengkraft hat", sagt Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen.

Schick ist Obmann im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Das Gremium untersucht das Fehlverhalten der Finanzbehörden, die durch eine Gesetzeslücke diese Geschäfte ermöglichten. "Auf der staatlichen Seite sind diese Geschäfte , obwohl die Informationen da waren, lange nicht wirklich bekämpft worden, oder, wo man das versucht hat, waren die Maßnahmen ungeeignet", sagt Schick, der den Untersuchungsausschuss initiierte.

Christian Olearius © Agentur Focus Foto: Lucas Wahl
Christian Olearius: Ein ehrbarer Banker?

In wenigen Tagen muss Christian Olearius sich den Fragen der Ausschussmitglieder stellen. Sein Anwalt beantragte bereits, die Öffentlichkeit auszuschließen. Schließlich gehe es um "Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie das Steuergeheimnis von M.M. Warburg & Co.", heißt es in dem Schreiben, das Panorama vorliegt.

Laut dem Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft geht es um mindestens 150 Millionen Euro, die sich die Bank über Steuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften erschlichen haben soll. Den Millionengewinn, so die Ermittler, habe Olearius sich mit weiteren Bankmitinhabern und Beratern geteilt.

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 03.11.2016 | 21:15 Uhr

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