Lübcke-Mord: Bundesanwaltschaft verschweigt Vernehmung von Andreas Temme
Der ehemalige Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, Andreas Temme, wurde nach Informationen von Panorama Ende 2019 im Rahmen der Ermittlungen zum Mordfall Walter Lübcke vernommen.
Die Bundesanwaltschaft hat gegenüber dem Bundestag die Vernehmung von Andreas Temme verschwiegen. Der ehemalige Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes wurde nach Informationen von Panorama Ende 2019 im Rahmen der Ermittlungen zum Mordfall Walter Lübcke vernommen. Im Innenausschuss des Bundestages bestritt im Januar eine Vertreterin des Generalbundesanwalts auf Nachfrage, dass Temme als Zeuge befragt wurde.
Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft wollte sich auf Panorama-Anfrage nicht dazu äußern, wieso den Parlamentariern die Vernehmung von Temme verschwiegen worden war. Falls von der Bundesanwaltschaft Äußerungen in der Sitzung gemacht wurden, so der Sprecher allgemein, "entsprechen diese dem damaligen Erkenntnisstand der Bundesanwaltschaft". Ob es sich also um gezieltes Verschweigen oder bloß einen Irrtum handelte, ist bisher nicht zu klären.
Temme konnte sich nicht an Stephan E. erinnern
Die Ermittler gehen davon aus, dass Temme nichts mit der Tat zu tun hat. Der mutmaßliche Mörder Stephan E. sagt gegenüber "Panorama", er habe Temme nicht gekannt. In seiner Aussage aus dem November 2019, die "Panorama" vorliegt, gab Andreas Temme an, sich an den Namen Stephan E. nicht erinnern zu können. Bekannt ist, dass Temme mehrfach dienstlich mit E. befasst war. Dies ist nicht verwunderlich, da zu Temmes Aufgabenbereich die Beobachtung der rechtsextremen Szene in Nordhessen gehörte.
Auf Nachfrage der Mordermittler gab der Ex-Verfassungsschützer an, dass er tatsächlich keine Erinnerung mehr an den Rechtsextremisten E. habe. Auch an Markus H., der wegen Beihilfe zum Mord an Lübcke angeklagt ist, konnte er sich nicht erinnern. Den Regierungspräsidenten Lübcke habe er persönlich gekannt, habe hin und wieder mit ihm dienstlich zu tun gehabt, so Temme in der Vernehmung. Temme arbeitet heute als Sachbearbeiter im Regierungspräsidium Kassel.
Bundesanwältin bestritt Vernehmung
Bisher war nicht bekannt, dass Temme von den Ermittlern zu dem Mordfall Lübcke befragt wurde. Laut dem Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses am 15. Januar bestritt die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, dass Temme im Rahmen der Mordermittlungen vernommen wurde. Die Bundesanwältin sagte demnach: "In dem Ermittlungsverfahren zum Nachteil Dr. Lübcke wurde er nicht vernommen, was nicht heißt, dass wir nicht an ihm interessiert sind oder dass er uns nicht interessiert."
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen Irene Mihalic wundert sich über die falsche Information. Sie spricht auf Panorama-Anfrage von einem "Affront gegenüber dem Parlament". "Warum wird uns eine solche Information vorenthalten?", fragt die Abgeordnete. Sie erwarte eine Erklärung von dem Generalbundesanwalt. Auch Martina Renner (Linke), ebenfalls Mitglied des Innenausschusses, sieht sich getäuscht. Sie hatte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft konkret nach der Vernehmung Temmes befragt. So eine Falschinformation verhindere, dass der Ausschuss seiner Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle nachkommen könne.
Untersuchungsausschuss soll Temmes Rolle klären
Der Hessische Landtag hat am Donnerstag, den 25. Juni einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der auch explizit die Rolle des ehemaligen Verfassungsschützers Temme In den Blick nehmen soll. Der Ausschuss soll mögliche Fehler der Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Mordes aufklären.