Stand: 28.11.2019 07:00 Uhr

Lübcke-Mord: Verdächtiger kündigt neues Geständnis an

von Robert Bongen, Julian Feldmann und Nino Seidel

Der Verdächtige im Mordfall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke will ein neues Geständnis ablegen. Dies teilte Frank Hannig, der Verteidiger von Stephan E., mit. Gegenüber Panorama wollte Stephan E. Inhalte des Geständnisses zwar nicht offenbaren, äußerte sich aber erstmals öffentlich zu einzelnen Aspekten des Falles.

VIDEO: Lübcke-Mord: Verdächtiger kündigt neues Geständnis an (4 Min)

Seit mehr als fünf Monaten sitzt Stephan E. in Untersuchungshaft. Er wird verdächtigt, Lübcke auf der Terrasse seines Hauses erschossen zu haben. Nach anfänglichem Schweigen hatte der Rechtsradikale Ende Juni die Tat gestanden. Er führte die Ermittler unter anderem zum Versteck der Mordwaffe. Doch dieses Geständnis hat E. Anfang Juli widerrufen. Zwei mutmaßliche Helfer sitzen ebenfalls in U-Haft.

Anwalt geht offenbar von weiterem Täter aus

Frank Hannig, Verteidiger von Stephan E. © NDR Foto: Screenshot
Frank Hannig, Verteidiger von Stephan E., leitete die Fragen von Panorama an seinen Mandanten weiter.

Über den genauen Inhalt des neuen Geständnisses will der Verteidiger von Stephan E., der Dresdner Rechtsanwalt Hannig, noch nichts sagen. Aber die Tendenz steht fest: "Man wird kaum davon ausgehen können, dass Herr E. gar nichts mit der Tat zu tun hat", sagt Hannig im Panorama Interview. "Das heißt, die Erwartung, er würde jetzt plötzlich sagen, er war überhaupt nirgendwo dabei, dürfte unrealistisch sein." Allerdings geht der Anwalt offenbar von einem anderen Tatgeschehen aus. Neben seinem Mandanten könnte demnach noch ein zweiter Mann am Tatort gewesen sein.

Panorama Reporter konnten nun Fragen an den mutmaßlichen Lübcke-Mörder stellen, die Stephan E. teilweise beantwortete. Wieso er überhaupt Fragen beantworten will, erklärt E. damit, dass das Bild über ihn, "das in der Öffentlichkeit aufgebaut wurde, so nicht richtig" sei. Anwalt Hannig leitete einen Fragenkatalog an den Mordverdächtigen in die Justizvollzugsanstalt Kassel I weiter. Die Antworten seines Mandanten hat Hannig protokolliert und einem Panorama Reporter übergeben. Alle Fragen zu der Tat und den Tatumständen ließ der mutmaßliche Mörder offen.

Stephan E. war bei Rede von Walter Lübcke

E. nennt ein Motiv für seine Abneigung gegen Walter Lübcke: So bestätigt er, dass er 2015 bei einer Veranstaltung mit Lübcke in Lohfelden bei Kassel anwesend war, bei der der Regierungspräsident radikale Gegner einer geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge zurechtwies. E.: "Ich war empört. Ich konnte es nicht fassen, dass ein Politiker weiten Teilen der Bevölkerung nahelegt, das Land zu verlassen, weil sie anderer Meinung sind zu dieser Thematik."

Markus H. © NDR Foto: Screenshot
Sitzt wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Mord in Untersuchungshaft: der Kasseler Neonazi Markus H.

Wen er als zweiten Täter womöglich in seinem neuen Geständnis benennen könnte, dazu äußert sich Stephan E. nicht. In den Antworten gegenüber Panorama geht er allerdings auf einen Namen explizit ein. So sagt er über seinen Kontakt zum Neonazi Markus H. aus Kassel: "Das war ein entscheidendes Verhängnis. "Das war ein entscheidendes Verhängnis. Er sprach viel über alte Zeiten und was man hätte besser machen können und sollen." H. soll Stephan E. die Mordwaffe vermittelt haben und befindet sich deshalb wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Mord ebenfalls in Untersuchungshaft. Jetzt sagt Stephan E. gegenüber über H.: "Er brachte die Waffen ins Spiel, er verknüpfte sie ständig mit politischen Themen. Markus hat sein Umfeld immer aufgestachelt."

Auf Anfrage von Panorama wollte sich der Verteidiger von Markus H. dazu nicht äußern. Beweise, dass Markus H. als zweiter Mann in der Mordnacht auf der Terrasse von Walter Lübcke war, sind derzeit nicht bekannt.

 

Weitere Informationen
Stephan E. © C.O. Meyer/Panorama Foto: Screenshot

Exklusiv: Video zeigt mutmaßlichen Lübcke-Mörder Stephan E.

Panorama liegt ein Video vor, das den wegen Mordverdachts an Walter Lübcke in Untersuchungshaft sitzenden Stephan E. bei einer Auseinandersetzung 2007 in Kassel zeigt. mehr

Mann mit Kapuze, Reporter im Hintergrund © NDR Foto: Screenshot

Mutmaßlicher Lübcke-Mörder: Wer ist Stephan E.?

Der mutmaßliche Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke sitzt seit über einer Woche in Untersuchungshaft. Wer ist Stephan E. und in welchem Umfeld bewegte er sich? mehr

Lübckes Wohnhaus

Lübcke-Mord: Mutmaßlicher Helfer als Neonazi bekannt

Zwei mutmaßliche Helfer des geständigen, mutmaßlichen Lübcke-Mörders Stephan E. sind festgenommen worden. Einer der Männer gehörte seit Jahren zur Kasseler Neonazi-Szene. mehr

Markus H. (2.v.l.) © NDR Foto: ARD Magazin Panorama

Mordfall Lübcke: Mutmaßlicher Helfer Markus H. 2009 bei Neonazi-Demo dabei

Fotos belegen: Markus H., einer der mutmaßlichen Helfer von Stephan E., nahm 2009 an einer der größten Neonazi-Demos der Nachkriegsgeschichte teil. mehr

Symbolbild: "Combat 18" gilt in der Neonazi-Szene als Code für besonders hohe Gewaltbereitschaft. © NDR Foto: Julian Feldmann

Stephan E.: Zweifel an Geheim-Treffen mit "Combat 18"

Panorama berichtete über "Combat 18" - eine Gruppe von Rechtsextremisten. Der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke war möglicherweise doch nicht mit "C 18"-Mitgliedern bei einer Veranstaltung. mehr

Symbolbild: "Combat 18" gilt in der Neonazi-Szene als Code für besonders hohe Gewaltbereitschaft. © NDR Foto: Julian Feldmann

"Combat 18": Maulhelden oder rechte Terroristen?

"Combat 18 Deutschland" ist eine neue Gruppe von Rechtsextremisten. Sie sieht sich in der Tradition des Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour", das auch Vorbild des NSU war. mehr

Downloads

Mordfall Walter Lübcke: Verdächtiger kündigt neues Geständnis an

Der Panorama-Beitrag vom 29. November 2019 als PDF-Dokument zum Download. Download (73 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 28.11.2019 | 21:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Terrorismus

Rechtsextremismus

Über Panorama

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr