Lübcke Mord: Tatverdächtiger spricht von zweitem Täter
Der Verdächtige im Mordfall Lübcke hat ein neues Geständnis abgelegt. Wie sein Verteidiger bekannt gab, sagte Stephan E. aus, es habe neben ihm einen zweiten Täter gegeben.
Seit mehr als fünf Monaten sitzt Stephan E. in Untersuchungshaft. Er ist dringend verdächtig, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Anfang Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses erschossen zu haben. Zwar hatte der Rechtsradikale kurz nach seiner Festnahme schon einmal gestanden, die Tat begangen zu haben, allerdings allein. Seine Aussagen führten die Ermittler unter anderem zum Versteck der Mordwaffe. Dieses Geständnis hatte E. aber Anfang Juli widerrufen.
Stephan E. belastet Neonazi Markus H.
Heute hat Stephan E. ein neues Geständnis in Kassel abgelegt. Im Anschluss an die Vernehmung durch einen Ermittlungsrichter berichtete sein Anwalt, Frank Hannig, in einer Pressekonferenz über den Inhalt des Geständnisses. Demnach belastet E. nun auch den 43- jährigen Neonazi Markus H. an dem Mord direkt beteiligt gewesen zu sein. Beide seien in der Tatnacht zum Haus von Walter Lübcke gefahren.
Nach Angaben des Verteidigers wollten Stephan E. und Markus H. den Politiker lediglich mit der Waffe bedrohen und einschüchtern. Auf der Terrasse hätte es zunächst eine verbale Auseinandersetzung mit Lübcke gegeben, soll E. laut seinem Anwalt nun behaupten. Dann habe sich ein "Schuss gelöst". Die Tatwaffe soll dabei der Mittäter Markus H. in der Hand gehalten haben.
Stephan E.: Versprechungen für falsches Geständnis
Auf der der Pressekonferenz nannte E.s Verteidiger Hannig auch einen Grund, weswegen E. zunächst ein angeblich falsches Geständnis abgelegt haben soll. "Auf Anraten eines früheren Verteidigers" soll E. das erste Geständnis abgelegt haben, sagte Hannig. Davon habe er sich "finanzielle Vorteile" erhofft. Stephan E. will die Tatbeteiligung von Markus H. zunächst nicht erwähnt haben, weil ihm sein damaliger Verteidiger als Gegenleistung versprochen habe, seine Familie zu schützen.
Diese Motivation soll Stephan E. vor dem Ermittlungsrichter genannt haben. Nun wolle er angeblich den wahren Tatablauf schildern. Der frühere Anwalt von Stephan E. bestritt diese Darstellung gegenüber Panorama und teilte mit, er habe Stephan E. nicht aufgefordert, die Schuld auf sich zu nehmen und Markus H. zu schützen.
Spurensuche im Mobiltelefon
Nach Panorama-Informationen bereitete die besondere Verschlüsselung des Mobiltelefons von Markus H. dem Bundeskriminalamt zunächst Schwierigkeiten. Unterdessen sind die Ermittler aber weitergekommen. Das Mobiltelefon wurde ausgelesen. Bislang konnten die Ermittler aber keine verfahrensrelevanten Erkenntnisse gewinnen.
Zu den Vorwürfen, Markus H. sei am Tatort gewesen und habe geschossen, wollte dessen Anwalt wegen des laufenden Verfahrens keine Stellung nehmen.
Keine Spuren eines zweiten Täters
Nach Informationen des NDR haben die Ermittler im Mordfall Lübcke bislang keinerlei Spuren gefunden, die auf die Anwesenheit einer zweiten Person am Tatort hindeuten. Von Markus H. wurde nach NDR Informationen eine DNA-Probe genommen. Anders als bei Stephan E. hat es aber keinen Treffer bei den Spuren am Tatort gegeben.
Im ersten Geständnis Ende Juni hatte Stephan E. noch behauptet, selbst und alleine Lübcke erschossen zu haben. Außerdem hatte er damals zugegeben, dass die Tat ein geplanter Mordanschlag aus rechtsextremistischen Motiven war. Nach Panorama-Informationen hatte Stephan E. bei seinem ersten Geständnis erklärt, zwischen 2016 und 2019 mehrfach mit einer Waffe zu Lübckes Haus gefahren zu sein. Ihm habe dabei vorgeschwebt, man müsse Lübcke erschießen.
E. und H. sitzen in Untersuchungshaft
Stephan E.s mutmaßlichem Komplizen Markus H. wird bislang Beihilfe zum Mord vorgeworfen und er sitzt deshalb ebenfalls in Untersuchungshaft. Er soll Stephan E. Kontakt zum mutmaßlichen Verkäufer der Mordwaffe vermittelt haben. Außerdem soll Markus H. laut Ermittlungsbehörden E. in seinen mutmaßlichen Mordplänen bestärkt haben. Stephan E. und Markus H. kennen sich nach Recherchen des NDR aus der Kasseler Neonazi-Szene, in der beide aktiv waren. Sie besuchten unter anderem zusammen rechte Demonstrationen, zuletzt 2018 in Chemnitz. Der 43-jährige H. gilt in der Szene als Waffennarr, durfte zuletzt sogar legal Schusswaffen besitzen.
Laut Ermittlern agierte H. stets konspirativ, nutzte etwa zur Kommunikation mit E. den verschlüsselten Messengerdienst Threema. Nach Panorama-Informationen bereitete die besondere Verschlüsselung von H.s Mobiltelefon dem Bundeskriminalamt zunächst Schwierigkeiten. Ende November hatten Polizisten erneut die Wohnung von H. in Kassel durchsucht und nach Panorama-Informationen weiteres Beweismaterial sichergestellt.