Nazi-Morde: Hessischer Verfassungschützer beteuert Unschuld
Geschredderte Akten, vernachlässigte Hinweise, lückenhafte Berichte - Versagen oder Vorsatz? Verfassungsschutz und Ermittlungsbehörden machen sich in der Aufarbeitung der NSU-Mordserie mit Stümpereien und fadenscheinigen Erklärungen verdächtig. Immer häufiger taucht die Frage auf: Wie tief ist der Verfassungsschutz wirklich verstrickt? Besonders verdächtig erscheint ein Fall aus Kassel im Jahr 2006: Andreas T., damals Verfassungsschützer in Hessen, war am Tag des neunten Mordes der Rechtsterroristen am Tatort. Die Medien elektrisiert dieser Fall damals wie heute. Zu dubios scheint die Erklärung des Mannes, dort rein zufällig aus ganz privaten Gründen gewesen zu sein - wegen eines Internetflirts.
Verdächtigungen bis auf den heutigen Tag
Auch die Polizei kann kaum an einen Zufall glauben: Eine Zeit lang wird er sogar als Mörder gehandelt. Die Ermittlungen gegen ihn werden zwar schon 2007 eingestellt, doch vermuten manche Medien bis heute, Andreas T. könne zumindest von den Mördern gewusst, sie möglicherweise gedeckt haben. Heute fragt etwa die Wochenzeitung "Die Zeit": "Hat ein Verfassungsschützer einen der NSU-Morde begangen?" Als belastendes Indiz wird immer wieder angeführt, man habe auf seinem Dachboden Auszüge aus Hitlers "Mein Kampf", Munition und diverse Waffen gefunden. Dabei ging es laut Durchsuchungsprotokoll allerdings nur um 13 Schrot- und 100 Platzpatronen.
In Panorama wehrt sich Andreas T. nun gegen die Vorwürfe, die immer wieder in den Medien gegen ihn erhoben werden: "Ich war tatsächlich, wie ich es immer wieder nur betonen kann, zur falschen Zeit am falschen Ort. Und es gibt keine Verbindung von mir zu diesen Taten und auch keine Verbindung, die irgendetwas mit meiner Arbeit zu tun gehabt hätte."
Die Waffen besaß er als Sportschütze völlig legal. "Also ich habe mir diese Waffen ganz schlicht und einfach zugelegt, weil ich in dem Verein nette Menschen kennengelernt habe und mich da beteiligen wollte. Dazu war es dann letztendlich notwendig, dass ich auch eigene Waffen hatte, um auch an den Wettkämpfen teilzunehmen." Zudem ist unstrittig, dass der Mord mit der Ceska verübt wurde, die damals im Besitz von Böhnhardt und Mundlos war.
Als Jugendlicher "rechte Sprüche nachgeplappert"
Bezüglich seiner angeblich rechten Gesinnung räumt er gegenüber "Panorama" ein, dass er als junger Mann durchaus rechte "Sprüche nachgeplappert" habe. Das sei aber lange vorbei. "Ich hoffe für jeden Jugendlichen in diesem Alter, dass er wenn er solche Gedanken in seinem Kopf hat, dass er andere Sichtweisen auf das Leben finden kann, dass ihm das Gleiche geschieht wie mir, dass er sagt, ich sehe mir die Welt selber an, mit eigenen Augen. Und ich bin frei davon, irgendwelche Dinge einfach nachzuplappern."
Schlimm sei insbesondere die Zeit für die Familie gewesen, als der Fall 2011 neu hoch kochte und Andreas T. als "Klein Adolf" in den Medien beschrieben wurde. Seine Frau Eva gegenüber "Panorama": "Das ist natürlich entsetzlich, Zeitung aufschlagen, steht da 'kleiner Adolf'. Das tut weh, das ist furchtbar, aber ich weiß ja, dass es nicht so ist. Für die Kinder finde ich es ganz furchtbar. Der Große geht zur Schule und die anderen Eltern lesen das auch in der Zeitung, die haben die Bilder vom Haus im Fernsehen gesehen, deren Kinder kommen vielleicht nachmittags hier her, besuchen meinen Sohn. Ja, es ist einfach eine Frechheit."
Bundesanwaltschaft fand keine Hinweise auf Tatbeteiligung
2011 und 2012 wurde der Fall erneut von der Bundesanwaltschaft überprüft. Das Ergebnis: Die Strafverfolger sahen keinen Grund die Ermittlungen gegen Andreas T. wieder aufzunehmen. Im Zuge dieser Prüfung wurde auch der V-Mann aus der rechten Szene vernommen, der am Tattag mit Andreas T. telefoniert hatte. Auch dieser Fakt, der gern als Indiz einer möglichen Verbindung zum NSU beschrieben wird, erwies sich als tote Spur. Die Bundesanwaltschaft fand keine Anhaltspunkte dafür, dass der V-Mann oder Andreas T. an der Tat beteiligt gewesen sein könnten.