Die erfolglose Fahndung nach den Terroristen
Von John Goetz und Martin Munz
Zehn Morde, fast immer ausgeübt mit derselben Pistole vom Typ Ceska 83. Die Ermittler verfolgten hunderte von Spuren, gingen Hinweisen nach. In Rasterfahndungen wurden Millionen von Telefon- und Verkehrsdaten ausgewertet, Waffenbesitzer und Waffendelinquenten überprüft. Mehrfach kam es zu Verhaftungen von vermeintlich Verdächtigen - doch es waren die falschen. Trotz intensiver Fahndung gelang es der Soko "Bosporus" nicht, die Morde zügig aufzuklären. Die Analyse der Ermittlungsakten zeigt, dass die Ermittler immer wieder auf der richtigen Spur waren, so das Ergebnis der Recherchen von Panorama und der "Süddeutschen Zeitung". Eine beeindruckende Dokumentation der verpassten Gelegenheiten, des Scheiterns. Das von den Ermittlern gezeichnet Täterprofil passt überraschend klar auf Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos: Wahrscheinlich handele es sich um mehrere Männer jüngeren Jahrgangs, "Nationalität deutsch", so heißt es in den Akten. Die Männer hätten eine "Affinität zu Waffen", seien mobil und besäßen offenbar "Kenntnisse zur rechten Szene".
Das Motiv Fremdenhass wird genannt. Man habe polizeiliche Daten von Personen ausgewertet, die wegen rechter Gesinnung aufgefallen seien. Möglicherweise seien sie schon früher aufgefallen oder gar in "Waffen/Sprengstoffdelikte" verwickelt gewesen. Schon früh erwogen die Beamten einen Zusammenhang zwischen einem Sprengstoffanschlag 2004 in Köln und den Morden - und verwarfen ihn wieder. Ausführlich setzen sich die Fahnder damit auseinander, dass Zeugen zumindest in vier Fällen zwei Männer auf Fahrrädern in der Nähe des Tatortes beobachtet hatten. Tatsächlich sollen Mundlos und Böhnhardt von ihrer Basis, einem Wohnmobil, zu den Tatorten geradelt sein. All diese Hinweise führten nicht zum Erfolg.
Im Gegenteil: Häufig lagen die Ermittler grundfalsch. Sie verfolgten angebliche Spuren im Mafia- und im Drogenmilieu. Weitere Stichworte lauteten "Glücksspiel/Spielschulden", "PKK/Schutzgeld", "Inkassobüro", "politisch religiöse Gründe". Besonders belastend für die Familien waren die - mehrjährigen - Verdächtigungen und Ermittlungen im direkten Umfeld gegen Angehörige der Opfer. Im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag 2004 nahmen die Kölner Ermittler an, dass die radelnden Täter aus der Umgebung stammen könnten. Die Soko "Bosporus" hingegen ging von einem Wohnort in Bayern aus - schließlich wurden dort sechs der Taten verübt. Querverbindungen nach Thüringen, wo sich die Ermittlungsbehörden schon lange intensiv mit Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe befasst hatten, wurden keine gezogen - auch weil von dort trotz Fahndung keine Hinweise kamen. Und so stellte die Soko "Bosporus" noch am 26. Juni 2008 in ihrem "32. Sachstandsbericht" trocken fest, dass es "erfolgsversprechende Ermittlungsansätze" nicht gebe.