Stand: 19.04.2012 17:56 Uhr

Das Nazi-Netzwerk hinter dem Terror-Trio

Die drei Jenaer Bombenbastler Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt radikalisierten sich Ende der 90er Jahre als Teil einer ohnehin "hochexplosiven" Neonazi-Szene, die gekennzeichnet war von Wehrsport und Waffenlagern. Sie zählten nach Einschätzung des LKA Thüringen 1998 zum "harten Kern der Blood & Honour-Bewegung", eines äußerst militanten rassistischen Netzwerkes, welches 2000 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Ihr Abtauchen glich einer Kampfansage an das verhasste demokratische "System". Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt waren schon damals keine harmlosen Mitläufer mehr. Beschlagnahmte Devotionalien belegten: Die Drei waren ideologisch gefestigt, gefährlich kreativ und gut organisiert. Dennoch hinterließen sie zahlreiche Spuren und Hinweise auf ihr Unterstützernetzwerk.

Die Zwickauer Zelle © Panorama
Ideologisch gefestigt, gefährlich kreativ und gut organisiert - die Zwickauer Zelle

Der Ordner trägt die Aufschrift "Kofferbombe". Darin befindet sich das Asservat 23.6.: Eine Telefonliste mit etwa 35 Namen sowie Notizzettel mit Adressen bundesweit aktiver Neonazis. Nach den Hausdurchsuchungen beim Jenaer Trio Ende Januar 1998 scheint diese Akte in den Kammern des thüringischen Landeskriminalamtes verstaubt zu sein. Heute lesen sich die notierten Namen nahezu wie ein "Who-is-who" konspirativer Komplizen und Kontaktleute. Das LKA ordnete die persönlichen Daten damals Uwe Mundlos zu, bewertete sie aber insgesamt als "für das hier geführte Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung". Dabei tauchten darin allein schon zehn Namen aus Chemnitz auf, darunter ein führender Kopf der Blood & Honour-Sektion Sachsen, ein einflussreicher Szenehändler und eine stadtbekannte Neonazi-Aktivistin.

Auch die seit November 2011 in Haft befindlichen potenziellen NSU-Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben und Holger G. sind aufgeführt. Der spätere hochrangige NPD-Funktionär und langjährige Weggefährte der Drei aus Jena, Wohlleben, lieh Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt für die Flucht aus Thüringen zunächst sein Auto. Ihre erste Fluchtroute ging über die Landesgrenze zu vertrauten Kameraden nach Chemnitz. Den dortigen Szene-Anführer Thomas S. hatte Mundlos bereits während dessen Haftzeit mehrfach in Sachsen besucht. Da die Blood & Honour-Sektion sich seit 1998 unter Überwachung befand, brachten die Kameraden die Geflohenen bei den weniger bekannten Szene-Angehörigen Mandy S. und Max Florian B. unter. Mindestens einmal entkamen Böhnhardt und Zschäpe nur knapp den Kameras der Geheimdienste.

Was die Neonazis ebenfalls übersahen: Mandy S. hatte offenbar bereits wenige Wochen zuvor gemeinsam mit Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos eine Fahne des Deutschen Reiches bei einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden getragen. Es gab Fotos. Das thüringische Landeskriminalamt wurde 2000 oder 2001 bei der Chemnitzer Aktivistin vorstellig, wie sie in einer ihrer aktuellen Vernehmungen einräumte. Damals habe sie geleugnet, die Frau auf dem Foto zu sein. Die Behörden hakten nicht weiter nach.

T-Shirt-Motive zur Finanzierung des Trios

Die Luft wurde heiß in Chemnitz. V-Leute diverser Behörden gaben Informationen über deren Verbleib in der sächsischen Stadt weiter. Auch vor Waffenbeschaffungen durch Angehörige von Blood & Honour wurde gewarnt. Der kreative Mundlos schien längst auch andere Szene-Kontakte zu nutzen. Laut Zeugenaussage beim BKA, die dem NDR vorliegt, soll er für einen stadtbekannten Neonazi-Händler T-Shirt-Motive entworfen haben, die zur Finanzierung des Trios dienen sollten. Auch Helfer Max B. bekam ein Mundlos-Shirt mit dem Bild von Bart Simpson und der abgewandelten Überschrift "The Skinsons" geschenkt.

Mandy S. machte das Trio mit Andre E. , einem Neonazi aus dem Erzgebirge, bekannt. Die drei verließen Chemnitz und zogen nach Zwickau, wo Andre E. und seine Kameraden die politischen Fäden zogen. Die überzeugten Nationalsozialisten um E. organisierten Brauchtumsfeste und Konzerte. Auch von paramilitärischen Trainings der Neonazi-Szene im Erzgebirge war immer wieder zu hören. E.`s Ehefrau Susann freundete sich Zeugenaussagen zufolge mit Beate Zschäpe an, besuchte sie regelmäßig mit den beiden kleinen Söhnen in der Frühlingsstraße in Zwickau. Nebenher stellte das rechte Ehepaar Ausweise und Pässe zur Verfügung, um der sogenannten Zwickauer Terrorzelle das Überleben zu ermöglichen.

Doch auch der Kontakt zu Kameraden in anderen Bundesländern wurde gehalten. So sollen Holger G. und Ralf Wohlleben, Vertraute aus Jenaer Tagen, nach den ersten Banküberfällen jeweils 10.000 Euro zur Aufbewahrung bekommen haben. G. wurde zu gemeinsamen Urlauben an die Ostsee eingeladen. Anwohner in Zwickau registrierten auch schon mal Besucher mit einem teuren Auto.

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, die schon seit frühester Jugend unzählige Insiderschriften und Strategiepapiere verschlungen hatten, horteten auch in Zwickau vieles. Seit 2002 bastelten sie auf dem Computer an einer Datei namens "NSU Brief.cdr". Darin hieß es: "Jeder Kamerad ist gefragt. (..) Worte sind genug gewechselt, nur mit Taten kann ihnen Nachdruck verliehen werden." Auch wenn sich der aus politischen Gründen mordende "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) als konspirativ agierende Speerspitze der "Bewegung" verstanden haben mag, so ganz isoliert waren die Rechtsterroristen nicht.

 

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