Trabant, Wartburg & Co.: Lange warten, viel hegen und pflegen
In der Familie herrschte große Freude, wenn der nagelneue Trabi vom IFA-Vertrieb abgeholt werden konnte. 10 bis 15 Jahre Wartezeit oder mehr waren endlich vorbei. Teurer als der Trabant war der Wartburg.
Wen wundert's, dass der Trabi in der DDR nicht nur Auto, sondern ein gehegtes Familienmitglied war - auch wenn er oft als "Rennpappe" verspottet wurde. Wer mehr Geld auf die hohe Kante legen konnte und ein paar Jahre mehr Geduld hatte, der leistete sich den Luxus eines Wartburgs. Wenn eines der noch rareren Importautos in der Garage stand, zählte der Besitzer schon zur Auto fahrenden Oberschicht und wurde um seinen Polski Fiat oder Lada heftig beneidet. Ob Trabi, Wartburg oder Import - eines hatten alle Autos gemeinsam: Sie waren eine Geldanlage und profitabler als ein Sparbuch. Denn: Als Gebrauchte brachten sie häufig mehr, als sie neu gekostet hatten.
Zweitaktmotoren für die Arbeiter und Bauern
Besonders im sächsischen und thüringischen Raum hat der Automobilbau eine lange Tradition. Bis in die 1940er-Jahre waren dort DKW, Adler, Audi, Horch oder BMW mit Werken präsent. Ihre Erzeugnisse hatten einen guten Ruf. Auch innerhalb der Volkswirtschaft der DDR genoss der Kraftfahrzeugbau durchaus hohen Stellenwert. 1972 wurden 206.000 Lkw (1960: 118.000), 50.000 Spezialfahrzeuge (14.000), 203.000 Zugmaschinen (86.000), 18.000 Busse (9000), 1,4 Millionen Pkw (299.000) und 1,3 Millionen Krafträder (848.000) gebaut.
Bereits in den 1950er-Jahren forderten SED-Führung und Regierung den Bau neuer Pkw-Typen. Im früheren BMW-Werk in Eisenach wurde für gehobenere Ansprüche der Wartburg produziert, in Zwickau der später zur Legende gewordene Trabant. Beide Autos waren mit einem Zweitaktmotor ausgestattet, der nach dem Urteil vieler Experten bereits damals am Ende seiner Entwicklung angelangt war.
Bedarf an Autos wird nie gestillt
Die DDR-Führung setzte auf private Motorisierung, ohne allerdings jemals den wirklichen Bedarf stillen zu können. Im Herbst 1989 waren in den 14 Bezirken der DDR 3,9 Millionen Pkw angemeldet. Rund 95 Prozent davon befanden sich in Privatbesitz. Auch in der DDR war das Auto des Deutschen liebstes Kind. Dabei erforderte gerade dieses Steckenpferd von den Ostdeutschen besonders viel Geduld. Wer ein Auto kaufen wollte, musste sich auf lange Wartezeiten einstellen. Sie schwankten zwischen zwölfeinhalb Jahren für die einfachste Ausführung der Trabant-Limousine und bis zu 17 Jahren für einen aus der Sowjetunion importierten Lada 2107. So war man in der Regel 30 Jahre alt, bevor man das erste Auto sein Eigen nennen durfte.
Not macht erfinderisch
In den Familien wusste man sich zu helfen. Vater, Mutter, Oma und Opa ließen sich in Abständen in die Warteliste einschreiben. Das war problemlos, denn wer 18 Jahre alt geworden war, durfte beim IFA-Autohandel den Kauf eines Pkw beantragen, unabhängig davon, ob er das Geld besaß oder nicht. Hatte so eine Familie erst einmal ein Auto, konnte sie dies nunmehr in regelmäßigen Abständen gegen ein neues ersetzen.
Schwarzhandel mit Gebrauchten florierte
Die Wartezeit hatte noch weitere Folgen: Unter den Augen der Staatsmacht entfaltete sich ein florierender Schwarzhandel mit gebrauchten Pkw. Kurios und vielleicht eine Einmaligkeit: Gebrauchte Autos waren teurer als fabrikneue. Der Historiker Stefan Wolle nahm in seinem Buch "Die heile Welt der Diktatur" diese groteske Eigenart der sozialistischen Realität unter die Lupe. Er schreibt: "Unter Kennern galt die Faustregel: doppelter Neupreis minus 1.000 Mark pro Nutzungsjahr." Wer seinen alten Trabi, Wartburg oder Polski Fiat verkaufen wollte, brauchte nur ein Inserat in der Zeitung aufzugeben. Oder er stellte das Auto auf einen der in der Endzeit der DDR aufkommenden Gebrauchtwagenmärkte, drehte die Scheibe einen Spalt breit herunter. Danach brauchte er sich jeweils nur das höchste Angebot herauszusuchen.
Im Politbüro der SED, wo anfangs überlegt wurde, dieser Entwicklung administrativ entgegenzutreten, resignierten die führenden Genossen bald. Von Egon Krenz ist die Feststellung überliefert, "dass es kaum möglich sein wird, mit administrativen Maßnahmen wirksam den spekulativen Handel zu unterbinden. Durch die sich ständig verlängernden Wartezeiten bei Pkw aus der Neuproduktion sind Bürger in zunehmendem Maße bereit, für den Erwerb eines gebrauchten Fahrzeuges Überpreise zu zahlen".
Unter schwierigsten Bedingungen: Reparaturen und Ersatzteil-Kauf
Wer endlich ein Auto hatte, war der Sorgen nicht ledig. Jetzt bekam der Autofahrer die Segnungen des Dienstleistungssystems zu spüren. Auch die kleinste Reparatur am Trabi, Wartburg, Lada oder Moskwitsch wurde zum Problem. Oftmals war es nur mit Schmiergeld und untertänigem Betteln in einer der wenigen Kfz-Werkstätten zu beheben. Das führte wiederum dazu, dass immer mehr Autobesitzer sich ein Vorratslager an Ersatzteilen zulegten: Rückspiegel, Zylinderkopfdichtungen, Karosserieteile, Ersatzscheiben.
Dacia 1300
Abwechslung auf die Straßen der DDR brachte der Dacia 1300. Die Lizenz-Variante des französischen Renault 12 wurde aus Rumänien importiert. Mit einem Viertaktmotor, 1289 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung von 39,7 kW brachte es der Dacia auf eine Geschwindigkeit von 142 Kilometer pro Stunde. Der Viertürer verfügte über eine selbsttragende Stahlkarosserie.
Importiert wurden auch Autos wie Lada, Skoda, Moskwitsch, Wolga und Tschaika. Darüber hinaus zählen West-Autos wie der VW Golf I und der Mazda 323 zu den Importen. Beide Fahrzeuge waren aber für die meisten DDR-Bürger nicht erschwinglich. Während der Golf anfangs stolze 35.000, später etwa 25.000 Ost-Mark kostete, gab es den Mazda für gut 24.000 Ost-Mark. Ein Trabant war hingegen schon ab 9.000 Ost-Mark erhältlich.
Motorräder aus Zschopau
Was für die Erwachsenen Wartburg oder Trabi, waren für die junge Generation die MZ-Motorräder aus Zschopau. Diese Maschinen bestimmten lange Jahre das Geschehen auf den internationalen Rennpisten mit. Später konnten die Zschopauer bei Geländeprüfungen große Erfolge erringen, beispielsweise bei den "Six Days". Eine Schwalbe oder ein anderes Moped aus der Produktion der Suhler Fahrzeugwerke wie eine Simson war häufig der erste motorisierte Untersatz der DDR-Jugend. Mopeds oder Kleinkrafträder aus Thüringen waren deshalb ein beliebtes Geschenk zur Jugendweihe oder Konfirmation, auch Anreiz zum Sparen. Vorher musste allerdings der Mopedschein erworben werden.
(Der ursprüngliche und inzwischen überarbeitete Text stammt von www.mdr.de/damals aus dem Jahr 2009)