Team Malizia jubelt über Etappensieg beim Ocean-Race-Finale
Die 14. Auflage des Ocean Race ist nach fast sechs Monaten zumindest auf See so gut wie beendet. Boris Herrmanns Team Malizia feierte auf dem siebten und letzten Teilstück von Den Haag nach Genua den zweiten Etappensieg und schaffte bei der wichtigsten Team-Segelregatta um die Welt mit Platz drei den Sprung aufs Podium. Über den Gesamtsieg wird noch am grünen Tisch entschieden, der Gewinner dürfte 11th Hour Racing heißen.
Schon vor dem hart erkämpften Prestigeerfolg auf der letzten Etappe flossen an Bord der Malizia - Seaexplorer Tränen. Der letzte Abend auf dem Schiff, die letzten Stunden nach über 100 Tagen auf hoher See - zum Trost und sicher auch zur Belohnung gab es gemeinschaftlich einen Schluck Rum.
Dass die Malizia beim Ocean Race "sportlich eine Rolle spielte", wie Skipper Herrmann nicht ohne Genugtuung feststellte, ist auch dem in schwierigen Momenten deutlich spürbaren Teamspirit zu verdanken. "Gemeinsam die Welt zu entdecken und so viel zu erleben, das schweißt zusammen. Wir sind auch ein bisschen wehmütig, dass das nun zu Ende geht", sagte der Hamburger. "Wir haben mit Stil gesegelt. Wir haben uns nie gestritten, es gab nie ein lautes Wort. Es war eine tolle Teamerfahrung. Wir haben sehr gut harmoniert und nicht sehr viele Fehler gemacht."
Hand in Hand ins Mittelmeer
Als die Malizia in Genua die Ziellinie kreuzte, genoss auch Rosalin Kuiper an Deck sichtlich jede Sekunde. Die mutige und stets gut gelaunte Niederländerin war als einzige Frau der gesamten Flotte bei allen Etappen dabei. "Darauf bin ich sehr stolz", sagte sie. "Ich spüre, dass mein Körper müde ist, dass ich jetzt eine Pause brauche. Aber ich bin glücklich, dass ich mich gepusht habe, und ich habe es geschafft - wir haben es geschafft."
Von der Malizia-Crew segelten zudem Co-Skipper Will Harris und Bord-Reporter Antoine Auriol immer mit. "Wir haben so viel von der Welt gesehen, einen guten Job gemacht und dann dieser perfekte Abschluss - ich bin so glücklich", sagte Kuiper, bevor sie gemeinsam mit ihren Teamkollegen Hand in Hand ins Ligurische Meer sprang.
"Es war ein verrücktes Abenteuer und es ist gut, ins normale Leben zurückzukehren. Aber wird werden uns gegenseitig jeden Tag sehr vermissen und auch das Leben auf See. Wir hatten so eine tolle Zeit." Rosalin Kuiper
Malizia im Geduldsspiel vorn
Nach 32.000 Seemeilen (etwa 60.000 Kilometer) über die Weltmeere und Kampf gegen Naturgewalten, Sturm und Wellen erlebte die spektakuläre Hatz um den Erdball am Dienstag ein gemächliches, aber hochspannendes Ende. Bis fast zum Schluss rangen die drei im Rennen verbliebenen Yachten teilweise in Sichtweite um den Etappensieg.
Für die Malizia, die zwischenzeitlich schon mehr als 80 Seemeilen zurückgelegen hatte, zahlte sich im Geduldsspiel am Ende vor allem der küstennahe Kurs aus. "Nico (Nicolas Lunven, d.Red.) ist so ein großartiger Navigator. Es war fantastisch, ihn für die letzte Etappe zurückzuhaben. Letzte Nacht hat er sein feines Gespür gezeigt", sagte Herrmann. Auf der vorletzten Etappe hatte der Franzose pausiert.
"Es herrschte Anspannung bis zum Schluss, aber jetzt ist es geschafft. Super cool." Boris Herrmann
Biotherm kam schließlich mehr als eineinhalb Stunden nach der Malizia als Zweiter und damit noch vor dem lange führenden Team Holcim - PRB in Genua an, das zuletzt in der Flaute steckengeblieben war.
Anhörung und Jury-Entscheid am Donnerstag
Das Boot unter deutscher Flagge hatte schon zuvor praktisch sicher als Dritter des Klassements festgestanden. Doch wer den Gesamtsieg feiert, darüber entscheidet nach Anhörung aller Teams am Donnerstag in Genua eine internationale Jury.
Holcim übernahm am Dienstag zunächst wieder die Führung von 11th Hour Racing. Doch werden dem US-Team am grünen Tisch Punkte zugesprochen, haben Skipper Charlie Enright und Co. den ersehnten Triumph sicher.
Ein wahrscheinlicher Fall, denn selbst bei einer Teilschuld der Amerikaner an der Kollision kurz nach dem Start in Den Haag mit dem bekennenden Verursacher Guyot würde ihnen ein Durchschnittswert der bisher ersegelten Punkte zugesprochen. Und schon ein Zähler reicht zum Sieg, denn in der bei Gleichstand entscheidenden Wertung der Hafenrennen liegt 11th Hour uneinholbar vor Holcim. Das Schweizer Team hätte dann noch 24 Stunden Zeit, um gegebenenfalls Einspruch einzulegen.
11th Hour, das ebenso für die letzte Etappe ausfiel wie Guyot, befindet sich aktuell noch außer Konkurrenz auf dem Seeweg nach Genua und will dort am Sonnabend (14.10 Uhr) am letzten Hafenrennen teilnehmen - am liebsten natürlich als Gesamtsieger.
Malizia bewährt sich mit Blick auf Vendée Globe
Herrmann und Co. können unterdessen schon jetzt Bilanz ziehen. Dass sich sein Boot am Ende noch einmal explizit im Schwachwind behauptete, dürfte den Hamburger Weltumsegler freuen. Besonders zu Beginn des Rennens hatte die Malizia - Seaexplorer bei wenig Wind der Konkurrenz den Vortritt lassen müssen, das Team steuerte unter anderem mit angepasster Segelgarderobe erfolgreich nach.
"Wir haben immer noch nicht ganz verstanden, wie wir alles perfekt machen können, weil man lange mit einem neuen Boot lernt. Aber das Schiff ist auch bei Leichtwind gut, nicht schwerer als die anderen." Boris Herrmann
Vor allem aber bewährte sich sein Neubau mit Blick auf die Vendée Globe, die im November kommenden Jahres startet. Gerade für die Solo-Weltumseglung mit ihren rauen Bedingungen wurde die Hightech-Yacht auch nach den Vorstellungen des Hamburger Skippers konstruiert, der bei seiner Premiere 2021 mit Platz fünf für Furore gesorgt hatte. Nun sieht sich Herrmann bestens aufgestellt: "Ganz ehrlich - ich würde mit keinem der anderen Schiffe überhaupt in Erwägung ziehen, bei der Vendée Globe zu starten."
Triumph im Südpolarmeer und Fabel-Weltrekord
Der Triumph auf der langen Südpolarmeer-Etappe von Kapstadt nach Itajai, der Fabel-Weltrekord für Einrumpfyachten von sagenhaften 641,13 Seemeilen binnen 24 Stunden, der nur noch ratifiziert werden muss, und der Gewinn der Roaring Forties Trophy mit der schnellsten Passage vom Kap der Guten Hoffnung zum Kap Hoorn lassen keinen Zweifel daran, dass sich das gewagte Design auszahlt.
"Es ist toll zu sehen, dass das Boot so gut funktioniert", sagte der gebürtige Oldenburger, der auf See seinen 42. Geburtstag feierte. "Ich habe lange davon geträumt, am Ocean Race teilzunehmen und diese historisch längste, unglaubliche Etappe durchs Südpolarmeer zu absolvieren. Dass wir sie nach allen Schwierigkeiten, die wir am Anfang hatten, nicht nur beenden, sondern auch gewinnen konnten, war die Krönung." Sein Team lag trotz eines Mast-Risses und einer waghalsigen Reparatur-Aktion in 28 Meter Höhe auf See am Ende vorn.
"Natürlich war der größte Tiefpunkt der Riss im Mast. Aber davon zurückzukommen und die Etappe im Südpolarmeer zu gewinnen, das ist wirklich die große Lektion des Ocean Race. Sie lautet: Gib niemals auf! Es gibt immer etwas, wofür du kämpfen musst. Und wenn du das tust, wirst du belohnt." Boris Herrmann
"Imocas sind gekommen, um zu bleiben"
Herrmann bescheinigte den Imoca-Yachten eine aussichtsreiche Zukunft bei der bedeutendsten Team-Regatta um die Welt. Fünf Boote waren diesmal dabei. "Die Imocas sind gekommen, um zu bleiben. Sie haben sich stark bewährt."
Das Abenteuer Ocean Race ist aber nun für das Team Malizia zunächst einmal (fast) vorbei. "Es ist aber nicht das Ende unserer Geschichte, sondern der Beginn von viel mehr, was da noch kommt", meinte Harris. Nach dem letzten Hafenrennen wird die Malizia - Seaexplorer am 3. oder 4. Juli in den Heimathafen nach Monaco überführt, weitere Regatten auf dem Weg zur Vendée Globe folgen.
Boris Herrmann fasst 15. Ocean Race ins Auge
Herrmann kann sich auch eine weitere Ocean-Race-Kampagne gut vorstellen: "Wir wollen gerne wieder dabei sein. Wir können jetzt noch keine offizielle Kampagne ankündigen, aber ich würde das vorsichtige Zwischenfazit ziehen, dass wir sehr, sehr wahrscheinlich hoch motiviert daran arbeiten werden, wieder an den Start zu gehen." Das 15. Ocean Race findet 2026/27 statt. Dann könnte auch Kiel nach dem gelungenen Fly-by als neuer Etappenhafen dazukommen. "Kiel ist prädestiniert dafür", so Herrmann.