Das NDR "Logbuch": So lief die Vendée Globe für Boris Herrmann
Segler Boris Herrmann hat seine zweite Vendée Globe auf Platz zwölf beendet - für den Skipper der Malizia - Seaexplorer eine Enttäuschung. Auf dem Weg allein nonstop um die Welt kam aber auch viel zusammen. Die Chronologie.
Als "ultimative Herausforderung" hatte Herrmann die Vendée Globe vor seinem Start beschrieben. Und er hat sie bestanden. Wenn auch nicht so erfolgreich, wie es sich der gebürtige Oldenburger erhofft hatte. Vor vier Jahren hatte Herrmann nur wegen einer Kollision mit einem Fischtrawler das Podest verpasst und wurde Fünfter. 2024 hatte er in Vorbereitung auf die Weltumsegelung mit den zweiten Plätzen bei den Transatlantik-Regatten "Transat CIC" sowie der "New York Vendée" aufhorchen lassen.
Ein Platz auf dem Treppchen sollte es schon sein. Und er machte sich nicht zuletzt aufgrund seiner neuen Malizia - Seaexplorer, die nach den Erfahrungen seiner ersten Vendée Globe für die Bedingungen im Südpolarmeer gestählt worden war, Hoffnungen auf den Sieg. Doch es kam ganz anders - und das hatte viele Gründe, wie ein Blick ins NDR "Logbuch" zeigt:
10. bis 22. November: Herrmann mit gutem Start - und ersten Problemen
Die Malizia überrascht in Les Sables-d'Olonne mit dem besten Start aller 40 Boote. Herrmann führt die Flotte zumindest kurz an. Bei sehr leichten Winden kommen allerdings alle Imocas kaum voran. Der gebürtige Oldenburger hat jedoch auch schnell ein erstes technisches Problem an Bord zu lösen, das seine Aufmerksamkeit beansprucht. Herrmann gerät ein wenig ins Hintertreffen, den Äquator passiert er am 22. November als 14. Der Rückstand auf die Spitzengruppe beträgt zu diesem Zeitpunkt überschaubare 120 Seemeilen.
23. November bis 2. Dezember: Frust und Trauer am Kap der Guten Hoffnung
Doch der vermeintlich kleine Abstand täuscht - die Folgen sind drastisch. Auf dem Weg zum Kap der Guten Hoffnung verliert Herrmann den Anschluss, weil er das erste große Tiefdruck verpasst. Die Führungsgruppe um den späteren Sieger Charlie Dalin segelt auf und davon - und erwischt vor allem gleich noch ein weiteres Tiefdruckgebiet.
"Manchmal möchte ich weinen." Skipper Boris Herrmann
"Manchmal möchte ich weinen", gesteht der Norddeutsche am 19. Tag des Rennens Ende November. "Vier Jahre Vorbereitung, ein neues Boot und der Traum, mit 20 Knoten durch die Wellen zu schneiden. Und jetzt sitze ich hier, in der Flaute. Das macht mich traurig."
Während Dalin und Co. mit diesen ungeahnten Möglichkeiten Geschwindigkeitsrekorde brechen, kommt Herrmann kaum vom Fleck. Als er wenige Tage später das Kap der Guten Hoffnung passiert, ist der Rückstand bereits auf über 1.300 Seemeilen angewachsen.
3. bis 12. Dezember: Hoffen aufs "Heimspiel" an der Eisgrenze
Herrmann hat vor dem Rennen erklärt, dass er von einem gewissen Rückstand zur Spitze ausgehe, bis er selbst das Südpolarmeer erreicht. Die Malizia soll aber an der Eisgrenze ihre ganzen Stärken ausspielen: Er setzt auf "ein Heimspiel für unser Boot".
Doch die Hoffnung wird ganz schön strapaziert. Nicht nur, dass Herrmann den Rückstand zur Spitze auf dem Weg zum Kap Leeuwin nicht wirklich verkürzen kann. Er setzt sich gleichzeitig auch nicht von drei Konkurrentinnen ab - auch, weil Wind und Welle im Südmeer atypisch sind. Herrmann steckt sich kleinere Ziele: Er habe die Hoffnung, an Neujahr am Kap Hoorn zu sein, dies sei sein "großes Ziel", sagt er am 10. Dezember. Kap Leeuwin, an dem die Führenden zu diesem Zeitpunkt schon vorbei sind, sei dabei für ihn ein "großer Meilenstein".
Als Herrmann, der immerhin wieder in den Top Ten liegt, und seine Konkurrentinnen den südwestlichsten Punkt des australischen Festlandes passieren, ist die Spitzengruppe noch immer knapp 1.200 Seemeilen voraus.
13. bis 18. Dezember: Die Malizia zeigt ihre Stärke
Endlich spielen Herrmann die Bedingungen in die Karten. Die Malizia kann bei rauer See ihre Qualitäten zeigen und düst in Richtung Point Nemo. Am 18. Dezember ist der Rückstand auf knapp 850 Seemeilen geschrumpft. Bis auf Justine Mettraux (160 Seemeilen dahinter) hat er seine Langzeit-Begleiterinnen weit hinter sich gelassen. Und plötzlich ist Rang vier bei 300 Seemeilen Rückstand wieder in Reichweite.
19. bis 28. Dezember: Herrmann schnell unterwegs, Dalin und Co. schneller
Doch dann geht auch vorne wieder die Post ab, Neptun bleibt mit der Spitze im Bunde, die von Express zu Express und zu Rekorden eilt. Herrmann dagegen muss zunächst einen Schreckmoment überstehen: Kurz vor Weihnachten kentert er "beim schlimmsten Seegang aller Zeiten". Er bekommt seine Yacht aber wieder in den Griff. Trotzdem ist der Rückstand auf die Spitze bis zum Kap Hoorn schon wieder auf mehr als 1.600 Seemeilen angewachsen.
Dass Herrmann hadert, hat aber ganz andere Gründe: "Die Vendée Globe bringt mir kein Glück", stellt der 43-Jährige fest, weil er bei Nacht un in großer Entfernung am letzten großen Kap der Einhandregatta vorbeisegelt. Er hatte auf eine Passage bei Tageslicht mit guter Sicht auf die ikonische Felseninsel gehofft.
Immerhin ist der Hamburger selbst schnell unterwegs: Bereits am 28. Dezember und damit drei Tage schneller als anvisiert rundet er Kap Hoorn.
29. Dezember bis 7. Januar: Kurs nach Norden und nach vorn
In der Folge läuft es bestens, sein Kurs führt für Herrmann, auch wenn er mit der einen oder anderen Entscheidung hadert, immer weiter nach vorn. Das Blatt scheint sich für ihn zu wenden. Auf einmal ist sogar Platz vier - und damit eine Verbesserung im Vergleich zu seiner ersten Vendée Globe - in Reichweite. Hinter Sam Goodchild (Vulnerable) und Jérémie Beyou (Charal) ist der Norddeutsche weiter westlich unterwegs als die direkten Konkurrenten in der Gruppe.
8. bis 19. Januar: Pleiten, Pech und Pannen
Doch ein Rückschlag folgt auf dem Fuße. Eine Halteleine der Takelage droht zu reißen - Herrmann muss seine Höhenangst bezwingen, um den Schaden in 29 Metern Höhe auszubessern. Die Freude über die geglückte Aktion währt nur kurz.
Ein Blitzeinschlag setzt Teile der Elektronik an Bord außer Betrieb. Herrmann hat noch Glück im Unglück. Zwei Tage später verliert er auch noch sein wichtigstes Vorsegel. Die Aufhängung ist gebrochen - ein Teil, dessen Einbau Herrmanns Idee gewesen war. Der 43-Jährige macht sich große Vorwürfe. Als es der Wellengang wieder zulässt, kann der Skipper das Segel aber auf herkömmlichem Weg befestigen und weitersegeln.
Doch es kommt weiter knüppeldick: Bei einer Kollision mit einem unbekannten Objekt wird das Backbord-Foil so stark beschädigt, dass es nicht mehr zu benutzen ist. In einer artistischen Reparaturaktion gelingt es Herrmann zumindest, dafür zu sorgen, dass das Foil zu 80 Prozent eingefahren werden kann. Aber anders als der Drittplatzierte Sébastien Simon, dem ein großer Teil des Foils abgerissen worden ist, wird Herrmann fortan durch den Wasserwiderstand gebremst.
20. bis 29. Januar: Herrmann "will einfach nur noch nach Hause"
Der Rest des Rennens wird in einer ohnehin harten Regatta zur besonderen Bewährungsprobe. Einerseits kann das Boot nicht mehr, wie er es gern würde. "Ich will einfach nur noch nach Hause", sagt der Skipper. Andererseits zieht am Kap Finisterre noch einmal extrem harsches Wetter auf mit orkanartigen Böen und meterhohen Wellen - das Segeln bleibt bis zuletzt in der aufgewühlten Biskaya eine riesige Herausforderung. Herrmann: "Es sind die härtesten Bedingungen, die ich je gesehen habe."
Tatsächlich schiebt sich der im Klassement weit zurückgefallene sechsmalige Weltumsegler noch einmal an Samatha Davies vorbei auf Rang zwölf. Die Britin hatte ihr Boot früh gebremst, um sich im Sturm nicht in zu große Gefahr zu begeben. Herrmann navigiert in der Folge geschickt, bleibt genau hinter dem großen Tiefdruckgebiet und so vor Davies. Auch ein Riss im Großsegel kurz vor der Zielankunft ändert daran nichts.
Nach 80 Tagen, 10 Stunden, 46 Minuten und 41 Sekunden ist er nach einer schwierigen Vendée Globe voller Pleiten, Pech und Pannen schließlich im Ziel und zurück in Les Sables-d'Olonne.
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