14 Medaillen und zwei Abschiede: Die Olympia-Highlights aus Nordsicht
33 Medaillen hat Deutschland bei den am Sonntag zu Ende gegangenen Olympischen Spielen in Paris gewonnen. Über viele davon durften sich Sportlerinnen und Sportler aus dem Norden freuen. Aber es gab auch bewegende Abschiede. Eine norddeutsche Olympia-Bilanz.
Für die größte Überraschung - und das einzige "reine" Nord-Gold - sorgte eine noch relativ junge "Sportart". Die schnelle Spielform "3x3" bescherte dem deutschen Basketball-Bund die erste Olympia-Medaille überhaupt. Die für den TK Hannover startenden Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher und Marie Reichert sowie die erst spät nominierte Rendsburgerin Elisa Mevius (künftig University of Oregon/USA) sorgten von Beginn des Turniers an für Furore und begeisterten mit acht Siegen in neun Partien.
Gold war der sensationelle Lohn nach dem 17:16-Finalerfolg gegen Spanien, Dirk Nowitzki einer der ersten Gratulanten. Die deutsche Basketball-Ikone hatte das Finale auf der Place de la Concorde live verfolgt. "Das ist der Wahnsinn, vor so einer Legende zu spielen. Das wird Tage dauern, bis wir realisiert haben, was wir hier geleistet haben", sagte Brunckhorst nach dem Triumph, der der schnellen Basketball-Variante in Deutschland extremen Aufschub geben wird.
Eine zweite olympische Medaille für die deutschen Korbjäger gab es nicht, denn der Medaillentraum der Männer platzte. Das Weltmeister-Team um Daniel Theis (Salzgitter) und Kapitän Dennis Schröder (Braunschweig), der bei der Eröffnungsfeier die deutsche Fahne getragen hatte, verlor das Spiel um Bronze: Gegen Serbien gab es bei der Neuauflage des WM-Finales vom Vorjahr ein enttäuschendes 83:93.
Zweimal holten deutsche Mannschaften Gold mit norddeutscher Beteiligung: Dressurreiter Fredric Wandres aus Hagen am Teutoburger Wald siegte im Teamwettbewerb an der Seite von Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl. Triathlet Lasse Lührs aus der Wingst (Kreis Cuxhaven), der inzwischen für Bonn startet, triumphierte im Mixed-Wettbewerb gemeinsam mit Tim Hellwig, Lisa Tertsch und Laura Lindemann.
Golf: Das Silber-Märchen von Esther Henseleit
Ebenso unerwartet wie die 3x3-Basketballerinnen holte auch Golferin Esther Henseleit eine olympische Medaille. Die 25-Jährige aus dem niedersächsischen Varel, die für den Hamburger Golf-Club Falkenstein spielt, feierte mit der Silbermedaille den größten Olympia-Erfolg der deutschen Golf-Geschichte. Zugleich war es der sportliche Höhepunkt einer ganz besonderen Liebesgeschichte: Ihr Trainer Reece Philipps ist auch ihr Verlobter, die Hochzeit soll im kommenden Sommer stattfinden.
Beachvolleyballer und Handballer: Silber für tolle Leistungen
Mehr als "nur" Silber hatten sich im Finale die Beachvolleyballer Clemens Wickler und Nils Ehlers ausgerechnet. Das Hamburger Duo hatte im Stadion am Eiffelturm mit sechs Siegen in sechs Spielen ein beeindruckendes Turnier abgeliefert, war im Endspiel gegen die schwedischen Weltranglisten-Ersten David Ahman/Jonatan Hellvig jedoch chancenlos.
"Vielleicht zu viel gewollt. Gold vor Augen und dann komplett dicht gegangen vom Kopf", versuchte sich Wickler an einer Erklärung. Eine Olympia-Medaille war das - ambitionierte - Ziel, das sich die beiden bei der Formierung ihres Teams 2022 gesetzt hatten. Und auch wenn sie nach den zuvor starken Leistungen zunächst dem verpassten Gold hinterhertrauerten, Silber ist der größte Erfolg ihrer Karriere.
Dass die deutschen Handballer - immerhin das jüngste Team im Wettbewerb - bis ins Endspiel einziehen würden, haben wohl auch nur die wenigsten erwartet. Doch die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason zeigte sensationelle Leistungen: Vor allem das "Jahrhundertspiel" gegen Frankreich mit einem überragenden Renars Uscins von der TSV Hannover-Burgdorf dürfte noch lange im Gedächtnis bleiben.
Dass die Niederlage gegen Dänemark die höchste Final-Pleite der olympischen Geschichte war - egal: Uscins und der gebürtige Flensburger Juri Knorr wurden ins All-Star Team des Turniers gewählt. Zusammen mit Kapitän Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt), Andreas Wolff, Rune Dahmke (beide THW Kiel) und Justus Fischer (H.-Burgdorf) sowie Lukas Mertens (gebürtig aus Wilhelmshaven) und den früh verletzten Tim Hornke (Hannover) durften sich insgesamt acht Norddeutsche über die Silbermedaille freuen.
Bahnrad: Nur zwei Medaillen für Hinze und Friedrich
Die Bahnwettbewerbe waren für den Bund Deutscher Radfahrer bis zum Schlusstag ein Wechselbad der Gefühle: Top-Leistungen und Enttäuschungen wechselten sich ab. Für die erfolgsverwöhnten mehrfachen Weltmeisterinnen Emma Hinze (Hildesheim) und Lea Sophie Friedrich (Dassow) reichte es am Ende nur zu zwei Medaillen.
Die Mecklenburgerin Friedrich, die in der Qualifikation zum Sprint einen Fabel-Weltrekord aufstellte, gewann Silber. Im Team-Wettbewerb reichte es gemeinsam mit Hinze und Pauline Grabosch (Magdeburg) zu Bronze. Das Finale verpassten sie, weil sie im Halbfinale 29 Tausendstelsekunden langsamer waren als die späteren Olympiasiegerinnen aus Großbritannien.
Hockey: Herren mit Silber, Damen nur auf Platz sechs
Auch die deutschen Hockeyherren holten "nur" Silber, aber dafür war es nach Rang vier in Tokio 2021 wieder mal eine Medaille. Das Team um die gebürtigen Hamburger Mathias Müller und Marco Miltkau sowie Hannes Müller, der für den UHC Hamburg spielt, verloren das Finale 1:3 im Shootout gegen die Niederlande. Unschöner Höhepunkt war der provokante Jubel des entscheidenden Torschützen Duco Telgenkamp, der sich nach dem Treffer mit einem über den Mund gelegten Zeigefinger vor dem deutschen Torhüter Jean-Paul Danneberg aufgebaut hatte.
Derart unsportlich ging es bei den Damen nicht zu. Aber die "Danas", bei denen in Kira Horn, Benedetta Wenzel, Anne Schröder, Viktoria Huse (alle Club an der Alster), Amelie Wortmann, Jette Fleschütz (beide Großflottbeker THGC) und Lena Micheel (UHC) gleich sieben Hamburgerinnen das Gros des Kaders stellten, schieden bereits im Viertelfinale aus. Die Auswahl von Bundestrainer Valentin Altenburg aus Hamburg unterlag Argentinien mit 0:2 im Shootout und beendete das Turnier als Sechste.
Silber für Judoka Butkereit und Bogenschütze Unruh
Tränen der Enttäuschung gab es zunächst auch bei der Hamburgerin Miriam Butkereit, die das Judo-Finale im Mittelgewicht gegen die kroatische Weltranglistenerste Barbara Matic verlor: "Aktuell habe ich einfach Gold verloren und nicht Silber gewonnen", sagte die 30-Jährige, die für den SV Halle startet, aber immer noch in ihrem Heimatverein TSV Glinde Mitglied ist. Erst bei der Siegerehrung wichen die Tränen einem strahlenden Lachen und der Freude über den größten Erfolg ihrer Karriere.
Eine gar historische Medaille holte der Rendsburger Bogenschütze Florian Unruh, der gemeinsam mit Michelle Kroppen im Mixed-Wettbewerb Silber gewann - noch nie hatte ein deutsches Mixed-Team bei Olympia Edelmetall geholt. Im Einzelwettbewerb verpasste der 31-Jährige vom SSC Fockbek seine zweite Medaille knapp, als er sich im Duell um Bronze dem Südkroeaner Woo-seok Kim geschlagen geben musste.
Hannoveraner Kanutin Paszek mit zwei Medaillen
Kanutin Paulina Paszek, Niedersachsens Sportlerin des Jahres 2022 und 2023, fehlten im Kajak-Vierer lediglich 0,42 Sekunden zum Olympiasieg. Das als Außenseiter gestartete Boot, in dem neben der für den Hannoverschen Kanu-Club startenden gebürtigen Polin auch Jule Hake (Datteln), Pauline Jagsch (Berlin) und Sarah Brüßler (Mannheim) saßen, holte hinter Neuseeland überraschend Silber.
Noch knapper war es einen Tag später im Kajak-Zweier. Nach dem Rennen, bei dem hinter Sieger Neuseeland drei Boote nahezu zeitgleich ins Ziel kamen, kauerte Paszek mit Hake minutenlang auf dem Bootssteg, ehe das Ergebnis bekannt gegeben wurde: Dann brach Jubel aus, das deutsche Duo durfte sich mit den Ungarinnen Noemi Pupp und Sara Fojt über gemeinsames Bronze freuen. Ebenfalls Bronze gewann Ruderin Pia Greiten (Ostercappeln) vom Osnabrücker Ruder-Verein im Doppervierer der Frauen.
Acht "Wölfinnen" schicken Hrubesch mit Bronze in die Rente
Die größte norddeutsche Beteiligung bei Olympia stellten die Fußballerinnen. Gleich acht Spielerinnen des VfL Wolfsburg (Jule Brand, Vivien Endemann, Merle Frohms, Marina Hegering, Kathrin Hendrich, Sarai Linder, Janina Minge und Alexandra Popp) kehren mit einer olympischen Bronzemedaille zurück in die Heimat.
Dazu kommen noch die gebürtigen Norddeutschen Laura Freigang (Kiel), Elisa Senß (Oldenburg), Stina Johannes (Hannover) und Pia-Sophie Wolter (Bremen), die alle für Eintracht Frankfurt spielen, sowie Felicitas Rauch (Hann. Münden), die nach vier Jahren beim VfL inzwischen in den USA bei North Carolina Courage unter Vertrag steht. Zudem besteht das Trainerteam neben Chefcoach Horst Hrubesch, der in Boostedt bei Bad Segeberg wohnt, in dessen Assistenten Thomas Nörenberg (Timmendorfer Strand), Britta Carlson (Kiel) und Julius Balsmeier (Sankt Peter-Ording) ausschließlich aus gebürtigen Schleswig-Holsteinern.
Mit dieser geballten Nordpower verabschiedet sich Hrubesch in die verdiente "Fußball-Rente". Der 73-Jährige, der 2016 mit den Männern in Rio Olympia-Silber gewonnen hatte, beendet seine Trainer-Karriere und widmet sich wieder seiner Nachwuchsarbeit beim Fußball-Zweitligisten HSV.
Abschied von Laura Ludwig ...
Aber auch ohne Medaillen gab es emotionale norddeutsche Höhepunkte in Paris: In Tennisspielerin Angelique Kerber (Kiel) und Beachvolleyballerin Laura Ludwig (Hamburg) verabschiedeten sich zwei langjährige und mit vielen Titeln gesegnete Sportlerinnen von der ganz großen Bühne. Kerber hatte diesen Schritt bereits vor Olympia angekündigt - mühsam hatte sie sich zuvor durch die Monate seit dem Comeback nach ihrer Babypause gequält. Ludwig spielt nach Olympia noch die Saison zu Ende und tritt noch bei den Europameisterschaften in den Niederlanden, den Deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand und bei einem Elite16-Turnier in Hamburg an.
"Heute war es spontan", sagte die 38-Jährige nach dem Vorrunden-Aus bei Olympia, doch "der Entschluss ist in den letzten Wochen und Monaten in meinen Gedanken gereift. Ich wollte aber die ganze Energie hier noch einmal reingeben." Die Hoffnung, in Paris noch einmal an glorreiche Zeiten - mit dem Olympiasieg 2016 als Höhepunkt - anknüpfen zu können, war bitter enttäuscht worden. Mit Partnerin Louisa Lippmann gewann Ludwig kein einziges von drei Spielen und blieb dabei ohne Satzgewinn.
... und von Angelique Kerber
Ganz anders verlief Kerbers Abschiedstour: Die einstige Weltranglisten-Erste verschob ihr Karriere-Ende in Paris unerwartet schön immer weiter nach hinten. Bis ins Viertelfinale stieß die 36-Jährige vor: "Ich habe die Atmosphäre genossen, die Fans gehört. Und genau für diese Emotionen bin ich zurückgekommen", sagte Kerber sichtlich bewegt nach ihrer denkbar knappen Niederlage gegen die Chinesin Zheng Quinwen.
In Paris hatte sie 2012 in der Halle ihren ersten Titel auf der WTA-Tour gewonnen - in der französischen Hauptstadt endete nun auch die Karriere der nach Steffi Graf zweiterfolgreichsten deutschen Tennisspielerin.