Kerber verliert und geht als Siegerin: "Bin einfach nur stolz"

Stand: 31.07.2024 21:55 Uhr

Was für ein letztes Match! Angelique Kerber war dicht dran, sich bei ihrem letzten Tennis-Turnier die Chance auf eine Olympia-Medaille zu erkämpfen. Die Kielerin blickte nach dem Viertelfinal-Krimi dankbar auf ihre Karriere zurück.

Angelique Kerber kämpfte tapfer und mit jeder Faser ihres Körpers gegen die überwältigende Flut an Emotionen an, dann brach ihre Stimme schließlich doch. "Jetzt ist es also vorbei. Und es ist irgendwie verrückt. Ich habe wirklich alles in meiner Karriere erreicht", sagte die Grande Dame des deutschen Tennis nach dem dramatischen, dreistündigen Schlussakt ihrer großen Laufbahn im Viertelfinale der Olympischen Spiele von Paris: "Im Moment bin ich einfach nur stolz."

Und das durfte die 36-Jährige auch mit allergrößter Berechtigung sein, als sie dort im Schatten des mächtigsten Courts von Roland Garros stand. Die 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (6:8)-Niederlage auf Philippe Chatrier gegen die Chinesin Zheng Qinwen war ein perfektes Komprimat dessen, was Kerber in 21 Jahren Profijahren so populär gemacht hatte.

"Alleine in diesem letzten Tiebreak kamen so viele Emotionen hoch." Angelique Kerber

Sie wehrte drei Matchbälle ab, zeigte das komplette Repertoire großer Emotionen, kämpfte um jeden noch so aussichtslosen Punkt und nahm das komplette Publikum mit. Mit langen "Angie"-Sprechchören verabschiedete Paris einen seiner Lieblinge in der Ruhestand. "Ich werde dieses Match immer in Erinnerung behalten", sagte Kerber.

Angelique Kerber nach der Niederlage gegen die Chinesin Qinwen Zheng. © imago images /HMB-Media
AUDIO: Kerber: "Ich bin froh, dass ich hier in Paris aufgehört habe" (3 Min)

Sie habe es extrem genossen, sagte sie im Interview mit dem NDR. "Ich habe die Atmosphäre genossen, die Fans gehört. Und genau für diese Emotionen bin ich zurückgekommen. Ich muss sagen, dass ich und Paris uns doch noch versöhnt haben. Und dass ich mit der Entscheidung froh bin, dass ich in Paris aufgehört habe." Genau dort, wo es für sie über viele Jahre hinweg nicht gut gelaufen war. Bei den Australian Open, den US Open und Wimbledon gelang ihr jeweils der große Triumph, bei den French Open war das Viertelfinale (zweimal) das Maximum.

Einige Tage werde sie schon brauchen, das alles zu verarbeiten, vielleicht auch einige Wochen. Sie hat jetzt alle Zeit dazu im Kreise ihrer Familie, bei Töchterchen Liana. Als am Dienstag um 17.19 Uhr alles vorbei war, verbeugten sich viele vor Kerber. "Liebe Angie, herzlichen Glückwunsch für deine einzigartige Karriere mit 3 Majors, Silber in Rio und Nr. 1 der Welt", schrieb Boris Becker bei X: "Wir werden dich sehr vermissen."

"Sie ist eine Spielerin von außergewöhnlicher mentaler Stärke." Barbara Rittner, ehemalige Bundestrainerin

Die frühere Bundestrainerin und langjährige Wegbegleiterin Barbara Rittner lobte "eine außergewöhnliche Sportlerin, die uns nochmal alles gezeigt hat. Sie wird uns fehlen."  Und auch Gegnerin Zheng wünschte Kerber "alles, alles Gute für den Ruhestand. Sie ist eine Spielerin von außergewöhnlicher mentaler Stärke."

Selten wirkte die Verliererin eines Matches so sehr wie die Gewinnerin eines Turniers. Dabei hätte Kerber auch diesmal nicht die Verliererin sein müssen, im erbittert geführten Duell mit der Weltranglistensiebten entschieden Kleinigkeiten. "Natürlich bin ich traurig, am Ende waren es zwei Punkte", sagte Kerber. Das Halbfinale war greifbar, ein Medaillen-Märchen, ein Happy End sondergleichen. Auch wenn dies ausblieb: Kerbers Reise hat das Potenzial dazu, die emotionalste und schönste deutsche Geschichte dieser Sommerspiele zu bleiben.

Am Tag vor der Eröffnungsfeier das Karriereende angekündigt

Mühsam hatte sie sich durch die Monate seit dem Comeback nach ihrer Babypause gequält, sich noch einmal in Form gebracht und dann am Tag vor der Eröffnungsfeier publik gemacht, dass nach Paris Schluss ist. Befreit und ohne Erwartungen marschierte Kerber durch die Runden, schlug Japans Topspielerin Naomi Osaka und zwei weitere Gegnerinnen, hatte auch Zheng am Rande einer Niederlage. Und dann - war Schluss. Auf einem Höhepunkt. 

"Ich liebe Tennis immer noch. Aber ich wollte die Entscheidung, wann und wie ich aufhöre immer selber in der Hand haben. Ich wusste, dass mein Herz mir den richtigen Zeitpunkt mitteilen wird", sagte Kerber.  Das Herz hat gesprochen, sie hat gehorcht, es ist zu Ende, definitiv. "Ich weiß, dass ich noch mithalten kann, aber die sind alle 15 Jahre jünger", sagte Kerber: "Ein Comeback mit 45? Das wird es nicht geben, denke ich."

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 31.07.2024 | 18:25 Uhr

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