Johan Gomez von Eintracht Braunschweig schlägt die Hände vor das Gesicht © IMAGO/Revierfoto

Nur zwei waren schlechter - Was läuft schief bei Eintracht Braunschweig?

Stand: 29.08.2024 12:56 Uhr

Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig ist nach vier Pleiten zum Saisonauftakt bereits früh in Nöten. Besonders die vielen Gegentore machen dem Team von Trainer Daniel Scherning zu schaffen. Was läuft falsch und was könnte helfen? Das sagen die Daten.

von Tobias Knaack

Verteidiger Jannis Nikolaou war nach dem 0:5-Debakel in Köln so richtig bedient: "Das darf uns nicht passieren. Wir verteidigen als Team nicht konsequent, haben in jedem Spiel eine Phase, wo wir in kurzer Zeit so viele Gegentore fressen", sagte der Eintracht-Routinier konsterniert.

Tatsächlich gab es im Spiel der Braunschweiger in allen vier Pflichtspielen der noch jungen Saison Phasen von meist zehn Minuten, in denen es Gegentreffer hagelte und in denen dem BTSV die Partien final aus der Hand glitten - oder diese "zerstörten", wie es Torhüter Lennart Grill etwas martialisch ausdrückte. Das war gegen Schalke 04 (1:5) zum Saisonstart der Fall, gegen Magdeburg (1:3), in Köln und auch bei der Pokalniederlage gegen Eintracht Frankfurt (1:4).

Nur St. Pauli und Saarbrücken waren schlechter

Nimmt man - unabhängig von der bisherigen Null-Punkte-Ausbeute - das Torverhältnis von 2:13 zur Grundlage, waren in diesem Jahrtausend nach drei Spieltagen nur der FC St. Pauli in der Saison 2002/2003 (Torverhältnis 1:14) und der 1. FC Saarbrücken 2005/2006 (Torverhältnis 0:12) noch schlechter zum Zweitliga-Start. Beide stiegen am Ende der jeweiligen Spielzeiten ab.

Die nackten Zahlen sind erschütternd, der Befund über das "Wie" - zumindest gegen Bundesliga-Absteiger aus Köln - ist es auch. Denn gegen die Rheinländer reichten die von Nikoaou und Grill erwähnten "schwachen Phasen" als Erklärung längst nicht aus, wie auch die Daten des Global Soccer Networks (GSN) zeigen.

Eintracht ließ gegen Köln die "Basics" vermissen

Demzufolge waren die Braunschweiger acht Kilometer weniger gelaufen als der FC, hatten 50 Sprints und 40 intensive Läufe weniger angezogen. Es sind bittere Werte - inbesondere für ein Team, das sich in der vergangenen Rückrunde vor allem über Intensität, Laufbereitschaft und Zweikampfführung definiert und so sensationell noch den Klassenerhalt geschafft hatte.

"Das ist alles andere als das, was wir uns als Verein und als Trainerteam vorstellen. Das macht mich unheimlich sauer", zürnte Scherning nach der Partie. Weil es Aspekte des Fußballs betrifft, die gemeinhin zu den sogenannten "Basics" gehören. Und eben Aspekte sind, die die Niedersachsen seit seiner Amtsübernahme stark gemacht hatten. "Seit November haben wir unter meiner Verantwortung jeden Tag alles dafür getan, dass wir in der 2. Liga sind", sagte der 40-Jährige. Das habe er gegen den FC "nicht gesehen".

"Wir sind mit jeder Ballbesitzphase des Gegners tiefer gefallen und hatten keinen Zugriff auf die Räume in und um unsere Box herum." BTSV-Trainer Daniel Scherning

Zwar liegen die Lauf- und Zweikampfwerte laut GSN über die drei Liga-Begegnungen hinweg im oberen Mittelfeld des Rankings. Nur gewinne das Team zu wenig entscheidende Duelle, speziell in und um den eigenen Sechzehner herum, monierte Scherning: "Wir sind mit jeder Ballbesitzphase des Gegners tiefer gefallen und hatten keinen Zugriff auf die Räume in und um unsere Box herum."

Schon vor der Pokal-Begegnung gegen Frankfurt hatte der Coach mehr Kompaktheit und geringere Abstände untereinander angemahnt. Zudem kritisierte er, dass sein Team es kaum schaffe, "Intensität in unser Zweikampfverhalten zu bekommen", man habe bisher zu oft "mehr begleitet als wirklich Zweikämpfe geführt".

Braunschweig offensiv mit passablen Werten

Die Situation ist in Braunschweig aus den vergangenen Jahren keine unbekannte, immer wieder machten schwache Starts in eine Saison dem Club zu schaffen - in der vergangenen Spielzeit führte das zur raschen Entlassung von Coach Jens Härtel.

Daniel Scherning (Trainer Eintracht Braunschweig) im Spiel gegen Eintracht Frankfurt © IMAGO / Christian Schroedter
Alles auf "Null": BTSV-Trainer Daniel Scherning.

Trotz des abermals großen personellen Umbruchs in diesem Sommer mit den Abgängen von Leistungsträgern wie Torhüter Ron-Thorben Hoffmann, Innenverteidiger Hasan Kurucay, Linksverteidiger Anton Donkor oder Offensivspieler Thórir Jóhann Helgason hatte es - nicht zuletzt aufgrund von Schernings starker Arbeit seit November - aber durchaus Hoffnung auf eine etwas sorgenfreiere Spielzeit gegeben.

Die hat sich bereits nach vier Pflichtspielen allerdings weitgehend zerschlagen - auch weil die Abgänge offenbar nicht adäquat ersetzt werden konnten. Stand jetzt wird Scherning nach der Partie in Köln alles nochmal auf "Null" setzen müssen - und mit den Spielern arbeiten, die da sind. Zumindest forderte er von ihnen "eine andere Art und Weise im Läuferischen, aber auch in der Zweikampfführung".

Mut macht immerhin, dass die "Löwen" in fast jeder Begegnung zu Abschlüssen kommen. Bei der Zahl der Schüsse pro Partie (20; 2. Platz) und den Schüssen auf das gegnerische Tor (5,3; 6. Platz) sowie bei den Torschussvorlagen (7; 7. Platz) etwa liegt die Mannschaft bislang im oberen Drittel des Rankings. Hier muss das Team angesichts von nur zwei Treffern an der Effizienz arbeiten.

Umstellung der Formation die Lösung?

Viel mehr aber wird es zunächst um das gesamtmannschaftliche Verteidgen und ein Stoppen der Gegentor-Flut gehen. Und hier muss vielleicht auch der Coach angesichts der eklatanten Probleme seines Teams noch einmal umsteuern - beispielsweise durch einen Wechsel seiner Grundformation. Helfen könnte laut GSN eine Umstellung von einer Verteidigung mit drei beziehungsweise fünf Verteidigern auf eine Viererkette.

Die Vorzüge liegen in einer erhöhten Stabilität und Balance, in klareren Defensivrollen, einer größeren Flexibilität im Mittelfeld, wo mit vier oder fünf Spielern agiert werden kann, sowie in einem einfachen Übergang ins Offensivspiel. Zudem können gegnerische Flügelspieler besser verteidigt werden.

4-4-2 das aktuell beste System für die Eintracht

Ein weiterer Vorteil für die speziell nach Gegentoren verunsichert wirkende Mannschaft könnte darin liegen, dass die Kommunikation untereinander weniger aufwendig ist - und dass das System laut GSN "einfacher zu organisieren und zu spielen" ist, "insbesondere in defensiver Hinsicht". Gerade für ein Team auf der Suche nach Stabilität und Kompaktheit könnte das zum jetzigen Zeitpunkt einen Ansatzpunkt bieten.

Die zum jetzigen Zeitpunkt für die Eintracht beste Aufstellung wäre ein defensives 4-4-2:

Grill - Lucoqui, Bicakcic, Ivanov, Rittmüller - Köhler, Krauße, Ould-Chikh, Kaufmann - Gómez, Philippe

Am Sonntag kommt der KSC

Allerdings legt die Analyse - auch um dieses System spielen zu lassen - noch die Verpflichtung eines "torgefährlichen, körperlich robusten Allrounders" im Angriff nahe, der Johan Gómez ersetzen würde. Zudem im besten Fall für die Innenverteidgung "einen Linksfuß, der über einen guten Spielaufbau verfügt". Am Donnerstag gab die Eintracht die Leihe von Paul Jaeckel bekannt - der 26-Jährige ist somit eine weitere Option neben Kapitän Ermin Bicakcic, Robert Ivanov und Nikolaou.

Noch bis Freitag (20 Uhr) haben die Braunschweiger Verantwortlichen Zeit, ihren Kader auf dem Transfermarkt zu verstärken. Am Sonntag gastiert der sehr gut gestartete Karlsruher SC an der Hamburger Straße (13.30 Uhr, im NDR Livecenter). Ob Jaeckel dann bereits mit eingreifen kann, bleibt abzuwarten. Wie in Köln erwartet die "Löwen" erneut ein intensives Gegenpressing. "Das kannst du nur bekämpfen, wenn du Mut und Herz hast", konstatierte Scherning - egal ob mit oder ohne Neuzugänge.

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 01.09.2024 | 16:17 Uhr

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