HSV-Stürmer Selke über seinen Glauben, Förderer Baumgart und den Aufstieg
Davie Selke ist bei Fußball-Zweitligist HSV trotz einiger Zweifel stark gestartet. Weil er in Trainer Steffen Baumgart einen Förderer weiß - und weil dem Angreifer, dem jahrelang ein Bad-Boy-Image anhaftete, sein Glaube hilft. An den Bundesliga-Aufstieg der Hamburger glaubt er, weil "wir eine gute Energie haben".
Das Wort Ehrlichkeit spielt eine große Rolle für Selke. Das wird im Gespräch im Sportclub des NDR schnell klar. Wahrscheinlich auch deshalb darf sein Trainer über ihn in etwas derberer Wortwahl öffentlich sagen, dass er den Stürmer beim mauen 1:1 des HSV gegen den 1. FC Nürnberg habe auswechseln müssen, weil der "im Arsch" gewesen sei.
Der Trainer habe schlicht recht gehabt, sagte Selke, der es in elf Ligapartien für die Hamburger auf sechs Treffer bringt, mit einem Augenzwinkern. Nach drei Partien binnen acht Tagen und nach seiner langwierigen Fußverletzung, die ihn im Sommer nach seinem Wechsel an die Elbe weite Teile der Vorbereitung gekostet hatte, sei er körperlich nicht mehr fit genug gewesen, um vielleicht doch noch den Sieg herauszuschießen.
Insofern hätten Baumgart ("Man sieht, dass du kämpfst") und er sich am Sonntag in der Pause darüber verständigt, dass er nach Wiederbeginn "nochmal alles raushaut" und er dann ausgewechselt wird.
Besondere Beziehung zu Baumgart
Der "sehr ehrliche Austausch" sei eines der Merkmale in der Zusammenarbeit mit dem 52-Jährigen, die er sehr schätze, sagt Selke. "Er hat eine Ehrlichkeit, die im Fußballgeschäft nicht immer vorhanden ist." Baumgart sei als Trainer zugleich aber "familiär", eine Art "väterliche Figur". Und das nicht nur für ihn, auch für seine Teamkollegen.
Klar aber ist: Der 29-Jährige und der Cheftrainer der "Rothosen" haben eine besondere Beziehung, die auf ihre gemeinsame Zeit beim 1. FC Köln zurückgeht. In einer für ihn persönlich schwierigen Phase bei Hertha BSC habe Baumgart an ihn geglaubt: "Er ist ein großer Förderer, der gesagt hat: 'Viele sehen Schwächen, ich sehe Stärken!' An denen wollen wir arbeiten, die wollen wir hervorbringen."
Viele verteufeln Selke für seine Spielweise
Selke wechselte zum FC und erzielte für die Rheinländer, damals noch in der Bundesliga, trotz einiger Verletzungsprobleme immerhin elf Tore in 36 Partien. Auch vor seinem Wechsel nach Hamburg im Sommer gab es Skepsis - und das nicht nur, weil er vom Stürmertyp dem Hamburger Toptorjäger Robert Glatzel sehr ähnlich ist.
Die Fragezeichen drehten sich bei ihm - wie so oft in seiner Karriere - um das Auftreten, um die Erscheinung. Denn Selke bringt sich mit allem, was er hat, resolut ein: "Ich tue alles für meine Mannschaft, auch im Grenzbereich", sagt er. Gegenspieler und gegnerische Fans verteufeln ihn nicht selten wegen seiner robusten Spielweise und seines Gesamtauftretens auf dem Platz. Schließlich ist er gerne mittendrin, wenn sich irgendwo ein Rudel bildet. Provokationen sind ihm nicht fremd. Er könne einfach "nicht verlieren, das war schon als Kind so", sagt Selke.
"Ich tue alles für meine Mannschaft, auch im Grenzbereich." HSV-Stürmer Davie Selke
Über viele Jahre und einige Vereine hinweg hat ihm, der alle Junioren-Nationalmannschaften Deutschlands durchaufen hat und einst als eines der hoffnungsvollsten Sturmtalente des Landes galt, das ein ziemliches Bad-Boy-Image eingebracht. Zumal im Zusammenspiel mit seiner früheren Vorliebe für teure Autos und Uhren sowie wechselnde Frisuren. Selke weiß darum, sagt aber auch: "Ich werde bald 30, das kriege ich jetzt auch nicht mehr gedreht." Wichtig sei, "was die Leute sagen und denken, die mich wirklich kennen".
Eine dieser Personen ist sein Onkel David Bamenaw, ein Pastor, der ihn vor zwei Jahren auch noch stärker in seinem Glauben bestärkt habe. Die beiden telefonieren fast täglich miteinander, tauschen sich über Alltagsthemen und Religion aus: "Er hat mich auf meinem Weg begleitet", sagt Selke. So wie der Glaube ihn jeden Tag begleitet und seinen Tagen Struktur verleiht: "Ich starte jeden Tag mit einem Gebet, mit Bibellesen, mit Worship-Hören. Ich ordne dem alles unter und habe Jesus Christus alles zu verdanken."
Selke: Haben beim HSV "eine gute Energie"
Dankbarkeit empfinde er aber auch seinem fußballerischen Förderer Baumgart gegenüber. Von ihm habe er unter anderem gelernt, "dass man mal die anderen reden lässt und wir an die Stärken, die jeder hat, glauben". Übertragen auf den HSV kann man das so interpretieren: Trotz der zuletzt schwachen Auftritte und den drei sieglosen Pflichtspielen in Elversberg (2:4), im Pokal in Freiburg (1:2) und gegen Nürnberg in Folge ist der Glaube an die eigene Stärke da. Den Stimmen von außen zum Trotz.
Die aktuelle Situation mit vielen verletzten und gesperrten Spielern nennt er "immer wieder eine Challenge". Er glaube aber an die "tolle Truppe und die gute Energie unter den Spielern, aber auch mit den Trainern". Das werde helfen in den verbleibenden zwei Dritteln der Saison, "um unser großes Ziel, den Aufstieg", zu erreichen. Das - und die Ehrlichkeit, die Selke so schätzt.