Abgas-Skandal: Was Dieselfahrer jetzt wissen müssen
Abschalteinrichtungen im Motor sind unzulässig, wenn sie bezwecken, dass bei einer Abgasmessung weniger Schadstoffe ausgestoßen werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage ist oft ein Rückruf.
Den Abgas-Skandal machte eine Software möglich: Sie konnte erkennen, ob sich ein Auto gerade auf der Straße oder einem Abgasprüfstand befand. Eine Abschalteinrichtung im Motor sorgte dann dafür, dass dieser bei der Messung besonders sauber lief. Im September 2015 wurde in den USA bekannt, dass Volkswagen beim Dieselmotor EA189 eine illegale Abschalteinrichtung verbaut hat. In den USA erhielten VW-Fahrer daraufhin umgerechnet acht Milliarden Euro Schadenersatz.
In Deutschland flossen rund 830 Millionen Euro an etwa 245.000 Autobesitzer. Grundlage hierfür ist ein Vergleich zwischen Verbraucherzentralen und VW, der sich VW-Fahrer anschließen konnten. Zuvor hatten die Verbraucherzentralen eine Musterfeststellungsklage gegen VW angestrengt.
Neuer VW-Dieselmotor im Visier
Jetzt gerät auch der Nachfolger des "Skandalmotors" EA 189 von VW, der EA 288, ins Visier. Im Frühjahr 2021 hat das OLG Naumburg (Az. 8U 68/20) einem Golf-Fahrer mit TDI-Aggregat Recht gegeben. Eine Abschalteinrichtung, die unmittelbar vor der Messung Schadstoffe aus dem Katalysator befördert, stuften die Richter als unzulässig ein. Und das, obwohl es bislang keinen amtlichen Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) für diesen Motortyp gibt.
Im Eco-Test des ADAC war der Motor bislang unauffällig, ein auffällig erhöhter Ausstoß an Stickoxiden konnte bei den technischen Untersuchungen des Autoclubs bisher nicht festgestellt werden. VW argumentiert, dass die Leerung erforderlich wäre, um verschiedene Messungen gleicher Fahrzeuge besser miteinander vergleichen zu können. Auch das OLG Nürnberg hat seine Rechtsprechungspraxis geändert und ein sogenanntes Thermofenster (temperaturbedingte Veränderung des Abgasverhaltens) in einem EA288-Motor per Beschluss für unzulässig erklärt (Az. 12 U 4671/19).
Musterfeststellungsklagen erleichtern Weg zu Schadenersatz
Fahrer eines Autos aus dem VW-Konzern mit dem Dieselmotor EA189, die sich der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentralen Bundesverbandes (VZBV) angeschlossen hatten, erhalten je nach Marke (z.B. Audi, Seat, Skoda, VW) und Modell zwischen 1.350 und 6.250 Euro Entschädigung.
Für andere Hersteller gibt es bislang keine Musterfeststellungsklagen. Doch das könnte sich bald ändern. Beim Oberlandesgericht Stuttgart hat der VZBV im Sommer eine Musterfeststellungsklage gegen Daimler eingereicht. Konkret geht es um den Motor OM651. Betroffen wären rund 50.000 Besitzer der Modellreihen CLK und GLK, deren Ansprüche zum Jahresende verjähren würden. Die Musterfeststellungsklage wurde 2018 eingeführt, um Verbrauchern den Weg zu ihrem Recht zu erleichtern.
Auch Klagen einzelner können Erfolg haben
Auch Einzelkläger haben die Chance auf eine finanzielle Entschädigung. Wichtigste Voraussetzung hierfür ist in aller Regel ein offizieller Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA). Auf ihrer Website informiert die Behörde regelmäßig darüber, welche Fahrzeugtypen betroffen sind. Zudem gibt die Rückrufdatenbank des KBA hierüber Auskunft. Dort hin und wieder nachzuschauen kann sich lohnen, denn Ansprüche gegen den Hersteller verjähren meistens drei Jahre ab Kenntnis - also ab der amtlichen Bekanntgabe des Rückrufs.
Liegt kein Rückruf vor, muss der Verbraucher dem Hersteller die unzulässige Abschalteinrichtung per Gutachten nachweisen. Da dessen Kosten mitunter den Fahrzeugwert übersteigen können, lohnt sich das oft nur mit einer Rechtsschutzversicherung. Selbst wenn die Erfolgsaussichten hier gut sind, könnte sich möglicherweise eine Klage nicht rechnen. Denn in vielen Fällen muss sich der Besitzer die jahrelange Nutzung des Wagens abziehen lassen – und die kann den finanziellen Ausgleich nach langer Zeit schmälern.
Hardware-Probleme nach Softwareupdate
Mit Softwareupdates versuchen die meisten von Rückrufen betroffenen Hersteller ihre Autos wieder gesetzeskonform zu machen. Autobesitzer, die ein Update nicht vornehmen lassen, riskieren den Verlust der Betriebserlaubnis ihres Autos. Doch nicht immer soll die Hardware das mitgemacht haben. Verschiedene Autozeitschriften haben von Problemen mit Abgasrückführung und Partikelfiltern berichtet - vor allem bei VW-Dieselmodellen. Bayerns Polizei hatte das Softwareupdate aus Angst vor Schäden 2017 sogar verweigert. Der Hersteller indes bestreitet einen Zusammenhang.
Sind auch Benziner betroffen?
Erste Berichte über mögliche Manipulationen bei Audi und Porsche gab es im August 2020. Da es bislang noch keinen amtlichen Rückruf gibt, besteht die Gefahr der Verjährung von Ansprüchen für Verbraucher momentan nicht.