Hannovers Altstadt: Vom Elendsquartier zum In-Viertel
Messegelände, Maschsee und Gartenkunst verbinden viele Besucher mit Hannover, aber eine Altstadt? Es gibt sie wirklich: mit Fachwerkhäusern und engen Gassen - aber auch einem Surfspot auf der Leine.
Zwar bestimmt funktionale Architektur der Nachkriegs-Jahre weite Teile des Zentrums der niedersächsischen Landeshauptstadt. Wer aber vom Bahnhof durch die modernen Geschäftsstraßen bis zur Marktkirche bummelt, findet sie: Hannovers Altstadt. Dort gibt es zahlreiche stumme Zeugen aus vergangenen Zeiten, Fachwerkhäuser und beschauliche Gassen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Altstadt fast völlig zerstört. Nur etwa 40 Gebäude des ehemals großen Altstadtkerns zwischen Steintor und Aegidientorplatz blieben zumindest teilweise von Bränden verschont. Fassaden der einzelnen Gebäude wurden Ende der 1950er-Jahre versetzt und zu einer Altstadt-Insel um die Knochenhauer- und Burgstraße zusammengefügt.
Leibnizhaus: Modernes Haus hinter alter Fassade
Das schönste und älteste Fachwerkhaus der Stadt mit einer Renaissance-Fassade stammt aus dem Jahr 1566. Es steht zwischen Neubauten in der hinteren Burgstraße in der Nähe der Kreuzkirche, der mit einer fast 700-jährigen Geschichte ältesten Kirche Hannovers. Auch ihre wertvolle Einrichtung verbrannte im Zweiten Weltkrieg. Ein Beispiel für einen kompletten Nachbau ist das bekannte Leibnizhaus, das einst in der Schmiedestraße stand. Das ursprüngliche Gebäude stammte aus dem Jahr 1499. Leibniz bewohnte es nach einer umfassenden Renovierung ab 1676. Heute steht am Holzmarkt eine nach Fotos rekonstruierte Fassade des Gebäudes mit modernem Innenleben.
Ballhofplatz: Hannovers lebendiges Altstadt-Zentrum
Zentrum der Altstadt ist der Ballhofplatz. Er bildet einen reizvollen Kontrast zu den engen Kopfsteinpflaster-Straßen, die ihn umgeben. Das angrenzende Ballhof-Gebäude stammt aus den Jahren um 1650 und war zunächst eine Sporthalle. Dort wurde ein Ballspiel betrieben, das Federball ähnelte. Auch Feste fanden dort statt. Heute ist der Ballhof eine der Spielstätten des Niedersächsischen Staatstheaters.
Der Platz hat auch dunkle Zeiten erlebt. Als der Adel sich zurückzog, verfiel die Altstadt. Sie wurde ein Wohnort für Arme, ein Elendsviertel. Kinderreiche Familien lebten dort unter schlechten Bedingungen. Bürger hielten sich fern und die Altstadt verkam zu einem Hort der Halbwelt und des Verbrechens. Jetzt zeigt sich die Altstadt wieder einladend und bunt. Kleine Geschäfte, edle Boutiquen und Kneipen laden zum Bummeln ein.
Niedersächsischer Landtag residiert im Leineschloss
Vom Ballhof sind es nur wenige Schritte zum Historischen Museum. Seine Architektur vereint Elemente aus dem späten Mittelalter wie den halbrunden Beginenturm und einen Rest der Stadtmauer mit einem modernen Museumsgebäude im Stil der 1960er-Jahre. Innen präsentiert das Haus eine Reise durch die Geschichte der Stadt und des Landes Hannover, zeigt die Entwicklung vom mittelalterlichen Marktflecken zu einer modernen Großstadt.
Am südlichen Ende der Altstadt, in Richtung Maschsee, steht das Leineschloss. Es ist heute der Sitz des Landtags und wurde in seiner langen Geschichte seit dem 12. Jahrhundert mehrfach umgebaut und erweitert. Auch das Schloss nahm in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs schweren Schaden. Nur der imposante Vorbau aus dem 19. Jahrhundert mit seinen sechs mächtigen Säulen blieb weitgehend erhalten.
Leinewelle: Surfspot mitten in Hannover
Direkt am Leineschloss befindet sich eine der jüngsten Attraktionen Hannovers: die Leinewelle, ein Surfspot mit einer künstlichen stehenden Welle. Vor allem im Sommer zieht sie nicht nur leidenschaftliche Surfer, sondern auch viele Zuschauer an. Wegen des extremen Hochwassers im Winter 2023/24 ist die Welle allerdings derzeit geschlossen: In der Anlage hatte sich sehr viel Sand abgelagert, der wieder entfernt werden muss.