Zeitreise: Digitalisierung der Heimatstuben

Stand: 05.01.2023 17:34 Uhr

Die verlorene Heimat: Das kann über Generationen schmerzen oder aber auch helfen, an einem neuen Ort heimisch zu werden. Die sogenannten "Heimatstuben" der Vertriebenen aus den Ostgebieten nach 1945 erzählen genau diese Geschichten.

von Johanna Domke

Eine alte Mülltonne steht in einem Flur, auf der Tonne steht: "Stadt Stettin-Pölitz 1942". © NDR
Diese Mülltonne aus dem damaligen Stettin haben Vertriebene als Fluchtgepäck genutzt.

Zu besonderen Anlässen weht vor dem roten Backsteinhaus am Rande der Lübecker Altstadtinsel, im Hüxtersamm, die Fahne mit dem Pommerschen Greif. Das Haus Stettin ist bis heute Begegnungsstätte für Vertriebene aus der Region Pommern im heutigen Polen. Auf zwei Etagen gibt es hier Spannendes zu entdecken: Bilder mit Stadtansichten von Stettin, Puppen in Trachten oder edle Mokkatassen. Aber nicht alles erschließt sich dem Besucher von allein. Der Historiker Markus Hartmann vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund kennt dazu die Geschichten hinter den einzelnen Sammlerstücken: "Das was in Heimatstuben zu finden ist, wirkt für viele Außenstehende oft wie ein wildes Sammelsurium. Wie zum Beispiel diese Mülltonne, die würde jetzt nicht unbedingt in ein Museum passen, hat aber eine ganz bewegende Geschichte zu erzählen." Wegen ihrer Rollen und dem Schutz vor Witterung wurde die Blechtonne damals als Fluchtgepäck genutzt. Viele der Objekte in den Heimatstuben erzählen eine ganz eigene Geschichte.

Virtuelle Heimatstuben im Internet

Ein älterer Herr sitzt an einem Tisch und zeigt einer älteren Dame etwas in einem Fotoalbum. © NDR
Auch Gisela Brinkmann musste 1945 ihre Heimat Stettin verlassen - hier mit Max Manke vom Haus Stettin e.V. im Zeitzeugen-Gespräch.

Um die Sammlungen für die nächsten Generationen zu erhalten, digitalisierte Markus Hartmann und sein Team die Ausstellung. Aus den 360 Grad Bildern entstand ein 3D-Modell der Räume. Der Besucher im Internet kann sich virtuell durch die Sammlung bewegen. An einzelnen Punkten gibt es Erklärungen oder Links zu weiterführenden Informationen. Markus Hartmann ist begeistert: "Es können so ganz neue Zielgruppe erreicht werden. Der Generationenwandel macht sich bei den Heimatvertriebenen besonders bemerkbar. Und bevor hier ganz viel Wissen um das Kulturgut verloren geht, kann man es zumindest digital erhalten." Außerdem wird die Sammlung im Internet so zugänglicher, unabhängig von Ort und Zeit. Und sollte die Sammlung doch einmal von der Auflösung bedroht sein, kann sie zumindest virtuell bestehen bleiben.

80 Jahre nach Kriegsende

Eine Stadt als Modell. © NDR
Ein Gebäude aus dem damaligen Stettin, das auch in der virtuellen Ausstellung zu sehen ist.

Etwa zwölf Millionen Vertriebene aus den Ostgebieten mussten nach 1945 eine neue Heimat finden. 33 Prozent der Bevölkerung in Schleswig-Holstein waren in den frühen Nachkriegsjahren Geflüchtete - vor allem aus Ostpreußen und Pommern. Verloren waren nicht nur Hab und Gut, sondern auch Freundschaften und Familienbande. Aus allen Ostregionen versammelten sich die Menschen in Vertriebenenverbänden - auch Landsmannschaften genannt. Das war damals auch eine politische Macht. Heute, fast 80 Jahre nach Kriegsende, müssen viele der Heimatstuben schließen. Meist ehrenamtlich betrieben, finden viele keine Nachfolger. 15 gibt es noch in Schleswig Holstein. Die sollen jetzt alle digitalisiert werden.  

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Dieses Thema im Programm:

NDR Vokalensemble | Schleswig-Holstein Magazin | 08.01.2023 | 19:30 Uhr

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