Wie KI den Unterricht in Schleswig-Holstein verändern könnte
In einem Modellprojekt des Bildungsministeriums können Lehrkräfte in SH zurzeit an zehn Schulen zwei KI-Tools im Unterricht und zur Vorbereitung nutzen. Das Projekt soll Chancen und Risiken aufzeigen.
Es ist kurz nach neun Uhr, als der KI-Bildgenerator das erste Werbefoto für den neu erdachten Regenwaldforscher-Laptop ausspuckt: Ein bärtiger Mann mit Buschhut und rotem Entdeckerschal sitzt darauf mit einem Notebook auf dem Schoß. Über ihm ein dichtes Blätterwerk von Palmen und anderem Dschungelgewächs.
Vincent, ein aufgeweckter Junge mit kurzen blonden Haaren, hat den Rechner in Zusammenarbeit mit einem Chatbot entwickelt. Er fragte ihn etwa, wie das Material des Laptops beschaffen sein sollte und worauf es technisch ankommt. "Ein großer Akku ist wichtig, ein GPS-Modul zur besseren Ortung und dass die Festplatte ein SSD- und kein HDD-Laufwerk ist", sagt Vincent.
HDD-Festplatten, das hat er gelernt, arbeiten nämlich mit rotierenden Magnetscheiben und nicht nur mit Speicherchips wie SSD-Platten und sind deshalb deutlich stoßanfälliger. Schlecht für Forscher im Regenwald. Vermutlich.
Modellprojekt soll Chancen und Risiken erforschen
Willkommen im Informatikunterricht der Klasse 7b der Kaiser-Karl-Schule in Itzehoe (Kreis Steinburg). Das Gymnasium ist eine von zehn Schulen, die an einem Modellprojekt des Bildungsministeriums teilnehmen. Die Schüler können zwei KI-Tools verwenden - einen Bildgenerator und einen Chatbot.
Neben dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen begleitet die Technische Hochschule Lübeck das Schulprojekt. Es sollen Erfahrungen gesammelt werden, was Lehrende und Schüler und Schülerinnen für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) können müssen - und welche Chancen ihr Einsatz bietet und welche Risiken er birgt. Im Februar steigt die Zahl der teilnehmenden Schulen von zehn auf 56.
Schnelles Feedback, mehr Zeit für individuelle Fragen
Für Vincent liegt an diesem Morgen der Nutzen auf der Hand: "Ich bekomme vom Chatbot schneller eine Antwort als von Frau Karlsson", sagt der Siebtklässler. "Und ich muss, wenn ich etwas vergesse, nicht nochmal nachfragen, sondern kann in den Verlauf schauen und sehen, was für Antworten mir die KI gegeben hat."
Kerstin Karlsson ist die Informatiklehrerin der 7b. Sie gehört zu einer Gruppe von Lehrern und Lehrerinnen, die quasi als Multiplikatoren die KI ins Kollegium tragen. Sie nutzt die KI in ihrem Informatik- oder auch Mathematikunterricht regelmäßig als "Sparringspartner", wie sie das nennt. "Das hilft mir, mich mehr auf Schülerinnen und Schüler konzentrieren zu können, die speziellere Fragen oder Probleme haben."
KI hilft bei der Unterrichtsplanung
Auch Englischlehrerin Ulrike Krey verwendet in ihrem Unterricht Künstliche Intelligenz. In der fünften Stunde unterrichtet sie an diesem Mittwoch in einer achten Klasse. Die Schülerinnen und Schüler sollen mithilfe des Chatsbots Informationen zu den USA recherchieren. Sie sollen bald einen Vortrag halten - und sich heute eine Einleitung überlegen, die sie der KI zur Korrektur vorlegen und sie bitten, mögliche Änderungen etwa in der Grammatik zu erklären. "Die Schülerinnen und Schüler erhalten so ein direktes Feedback", erklärt Krey.
Die Lehrerin nutzt KI-Tools auch oft für ihre Unterrichtsvorbereitung. Zum Beispiel um Aufgaben und Texte den unterschiedlichen Sprachniveaus in ihrer Klasse anzupassen. "Solche Arbeitsblätter lassen sich nie eins zu eins übernehmen, dafür kennt die KI meine Schülerinnen und Schüler nicht gut genug", sagt Krey. "Aber es ist eine Hilfestellung, mit der ich Zeit sparen kann."
Was Krey außerdem schätzt: Sich zusammen mit der KI kreative Unterrichtsstunden zu überlegen. "Zu den Wahlen in Amerika habe ich mit ihr zum Beispiel eine Art Quiz erarbeitet, mit dem ich dieses ja doch recht komplexe Thema sehr spielerisch und auf Englisch selbst für eine achte Klasse verständlich aufbereiten konnte", erzählt sie. "Wenn ich mir solche Formate selber überlegen müsste - dafür fehlte mir oft die Zeit."
Experte: Der KI nicht alles glauben
Dirk Johanßen ist an der Fachhochschule Westküste in Heide Professor für Künstliche Intelligenz. Sein Spezialgebiet ist die "Mensch-Maschinen-Interaktion", also die Zusammenarbeit von KI und zum Beispiel Lehrern. Er glaubt, dass Schulen von der Technologie profitieren können: "Der reine Wissenstransfer an die Schüler kann ein Stück weit ausgelagert werden, wodurch die Lehrkräfte sich mehr auf die Pädagogik und darauf konzentrieren können, kritisches Denkvermögen zu fördern."
Ihre Rolle von Lehrerinnen und Lehrern könnte sich Johanßen zufolge mehr in Richtung Begleiter entwickeln, die Leitplanken dafür setzten, Künstliche Intelligenz souverän und kritisch zu nutzen. Das sei auch notwendig: "KI ist nicht deterministisch, sie antwortet also auf ein und dieselbe Frage durchaus unterschiedlich", so Johanßen. "Zudem ist sie darauf trainiert, immer eine Antwort zu geben - auch, wenn sie keine hat." Die KI pflege dann bisweilen einen zumindest kreativen Umgang mit Tatsachen - und erfinde auch mal Quellen.
KI-Tools: Datenschutz ein Problem
Außerdem wichtig: Der Datenschutz und die Abhängigkeit von großen, globalen Konzernen, die die Technologie vor allem aus einem Grund vorantreiben: um Geld zu verdienen. Dass in dem Modellprojekt zwar auf ein etabliertes Sprachmodell gesetzt, dieses jedoch auf einer eigenen Plattform datenschutzkonform betrieben wird, findet Johanßen gut. "Auf diese Weise können zudem auch Schülerinnen und Schüler von KI profitieren, deren Familien sich die Tools ansonsten nicht leisten könnten."
Zurück in den Informatikunterricht von Kerstin Karlsson. Ihr sind die Schwächen und Gefahren der KI durchaus bewusst. Sie setze die Technik deshalb auch nicht nur im Unterricht ein, sondern reflektiere, hinterfrage sie auch mit den Schülerinnen und Schülern. "Ich finde es ganz wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen in der Schule lernen, damit vernünftig umzugehen", sagt sie. "Denn ich glaube, dass dies auch Kompetenzen sind, die sie in der Zukunft haben müssen."