Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geben ein Pressestatement im Bundeskanzleramt. © Michael Kappeler/dpa
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geben ein Pressestatement im Bundeskanzleramt. © Michael Kappeler/dpa
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geben ein Pressestatement im Bundeskanzleramt. © Michael Kappeler/dpa
AUDIO: Landwirte in SH kritisieren Ampel-Pläne zum Haushalt (1 Min)

Was bedeutet die Haushaltseinigung der Ampel für SH?

Stand: 14.12.2023 19:15 Uhr

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlten im Bundeshaushalt für 2024 etwa 17 Milliarden Euro. Das will die Regierung in Berlin mit Einsparungen ausgleichen - mit Folgen auch für Schleswig-Holstein.

von Friederike Schneider

Nach langem Ringen hat sich die Ampel-Koalition in Berlin am Mittwoch auf einen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr verständigt. Unter anderem werden Zuschüsse des Bundes zurückgefahren und Steuervergünstigungen aufgehoben. Einige Pläne stoßen dabei auf Kritik von Politik und Verbänden im Norden.

Netzentgelte: Erst wird Strom teurer, dann in SH aber günstiger

Unter anderem will die Bundesregierung einen geplanten Zuschuss für Netzentgelte streichen. Das bedeutet, dass für Verbraucherinnen und Verbraucher die Strompreise steigen, denn über die Stromrechnung wird über Umlagen auch der Bau von Stromnetzen bezahlt. "In der Vergangenheit hat man entschieden, dass man Steuergeld einsetzt, um insgesamt die Netzentgelte in den Griff zu kriegen. Das wird jetzt nicht mehr so sein", erklärt Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne).

Rund 30 Euro mehr im Jahr für Strom

Wie teuer es für Privathaushalte wird, hängt auch vom Stromverbrauch ab, sagt Tom Janneck von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein - bis zu 34 Euro im Jahr mehr könnten es sein. "Aber das kann auch von Netzgebiet zu Netzgebiet unterschiedlich sein, weil wir in einzelnen Regionen in Schleswig-Holstein ganz unterschiedlich hohe Netzentgelte haben", so Janneck. Ove Struck von der Hansewerk-Gruppe, zu der SH Netz gehört, rechnet für einen Beispiel-Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden mit Mehrkosten von rund 25 Euro im Jahr. Der Wert könne schwanken, je nachdem, wie die einzelnen Stadtwerke die Mehrkosten an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben.

Tobias Goldschmidt (Grüne), Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur in Schleswig-Holstein. © picture alliance/dpa | Markus Scholz
Tobias Goldschmidt geht davon aus, dass durch die geplante Reform, die Netzentelte in Schleswig-Holstein sinken werden.

Ab 2025 wird Schleswig-Holstein aber von der geplanten Netzentgelt-Reform profitieren, so Energiewendeminister Goldschmidt. Nach einem Vorschlag der Bundesnetzagentur sollen die Kosten für den Ausbau von erneuerbaren Energien in Zukunft gerechter verteilt werden. "Vor allem in Schleswig-Holstein werden die Netzentgelte richtig runter gehen", meint der Minister. Anfang Dezember hatte er von einer Entlastung von drei bis vier Cent pro Kilowattstunde gesprochen. Gerade vor dem Hintergrund der Haushaltsbeschlüsse wäre es wichtig, dass die Netzentgeltreform tatsächlich komme, so Janneck von der Verbraucherzentrale.

CO₂-Abgabe: 4,3 Cent mehr pro Liter Benzin

Im kommenden Jahr soll auch die CO₂-Abgabe auf Benzin und Diesel stärker steigen als zuvor geplant. Wer Benzin tankt, wird laut Verbraucherzentrale insgesamt 4,3 Cent pro Liter mehr einrechnen müssen, bei Diesel sind 4,6 Cent pro Liter mehr.

Tom Janneck, Projektleiter bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.  Foto: Gino Laib
Tom Janneck von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein rechnet vor, dass auf Privathaushalte insgesamt Kosten von etwa 200 Euro zukommen könnten.

Laut Tom Janneck kommen durch die Haushaltseinigungen zahlreiche kleine Summen für Verbraucherinnen und Verbraucher zusammen. "Wenn Sie mit einem Benziner vielleicht 13.000 Kilometer im Jahr fahren, haben Sie da schon 40 Euro, die Sie mehr ausgeben müssen. Denn lebe ich vielleicht mit meiner Familie im Eigenheim und verbrauche 20.000 Kilowattstunden Gas. Das würde dann auch 60 Euro Mehrkosten bedeuten. Dann hätten wir das mit den Netzentgelten. Das sind 34 Euro." Hinzu komme, dass die Umsatzsteuer auf Wärme und Gas bis Ende März auf sieben Prozent reduziert bleiben sollte. Das werde nun vermutlich schon zum Ende des Jahres auslaufen, so Janneck. "Dann müsste man hier halt auch noch mal 60 Euro dazurechnen. Dann kommt man auf knapp 200 Euro, die im nächsten Jahr an Mehraufwand anfallen."

Große Unsicherheit bei Verbrauchern

Zudem sorgen laut Janneck mögliche Kürzungen bei Förderprogrammen für Unsicherheit bei Verbraucherinnen und Verbraucher. So wüssten viele nun nicht mehr, ob sie Sanierungsmaßnahmen vornehmen können, um danach zum Beispiel ihre Heizung zu erneuern, weil sie befürchten, dass Subventionen gestrichen werden. Hier müsse es schnell verbindliche Zusagen geben. Außerdem wünscht sich die Verbraucherzentrale ein Klimageld, "um auch Verbraucherinnen und Verbrauchern, die weniger CO₂ verbrauchen, dafür zu belohnen."

Landwirtschaft: Kritik von Bauern und Landwirtschaftsminister

Werner Schwarz (CDU), Minister für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein, schaut aus dem Fenster seines Arbeitszimmers im Ministerium. © picture alliance/dpa Foto: Axel Heimken
Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz befürchtet, dass die Landwirte die Kostensteigerungen wegen der Wettbewerbssituation nicht an die Verbraucher weitergegeben werden können.

Die Sparpläne der Ampel-Koalition treffen auch die Landwirtschaft. Unter anderem sollen Steuervergünstigungen für Agrardiesel und bei der Kraftfahrzeugsteuer für die Forst- und Landwirtschaft abgeschafft werden. Zusammen mit der geplanten Anhebung des CO₂-Preises bei Benzin und Diesel führe dies zu überproportionalen Mehrbelastungen der Landwirte, sagte Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU). Er befürchtet, dass die Kostensteigerungen wegen der Wettbewerbssituation nicht an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden können. Daher würden am Ende die Einkünfte der Landwirte sinken, so Schwarz. FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki prophezeit, dass das Sterben von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben zunehmen wird.

Bauernverband: Existenz von Betrieben bedroht

Auch der Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein sieht die Existenz von Betrieben akut bedroht. Insgesamt gehe es im Land um 30 Millionen Euro mehr Steuern allein für Agrardiesel, pro Betrieb würden 10 bis 20.000 Euro mehr anfallen. Dazu kämen noch rund 3.000 Euro mehr KfZ-Steuer pro Betrieb pro Jahr. "Das sind Mehrkosten, die wir nicht auffangen können", sagte der Generalsekretär des Bauernverbandes, Stephan Gersteuer. "Die Betriebe sind schon an der Grenze der Belastbarkeit, das könnte für einige der letzte Anstoß sein, den Betrieb aufzugeben."

Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein rechnet je nach Betriebsgröße und Dieselverbrauch mit Einbußen zwischen 1.300 und 20.600 Euro allein dadurch, dass die Rückvergütung für Agrardiesel wegfällt. Ein Ausgleich über höhere Produktpreise sei kaum direkt möglich.

Waffenlieferungen an Ukraine: Ersatz aus Bundeswehr Sondervermögen

Olaf Scholz betonte bei der Ankündigung der Haushaltseinigung, dass Deutschland weiterhin die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland unterstützen werde. Das beinhaltet auch Waffenlieferungen - die Wiederbeschaffung muss die Bundeswehr aber künftig aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen bezahlen. "Die Ausgaben für die Wiederbeschaffung aus Ertüchtigung werden künftig vom Sondervermögen Bundeswehr getragen", heißt es in einem internen Papier des Bundesfinanzministerium. Allein 2024 sind das 0,52 Milliarden Euro. Ursprünglich war geplant, dass die Bundeswehr die Mittel dafür aus einem zusätzlichen Topf bekommt.

Ein Portrait von dem Politiker Ingo Gädechens von der CDU. © Ingo Gädechens / CDU Foto: Ingo Gädechens / CDU
CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens aus Ostholstein ist Mitglied im Gremium "Sondervermögen Bundeswehr". Er spricht bezüglich der Finanzierung der Ukraine-Hilfen von einem gebrochenen Versprechen.

Der CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens aus Ostholstein, der auch Mitglied im Gremium "Sondervermögen Bundeswehr" ist, kritisiert das scharf und spricht von einem gebrochenen Versprechen: "Es hat immer geheißen: Was ihr an Waffensystemen abgebt, bekommt ihr wieder - und zwar nicht aus 'eigenem finanziellen Fleisch', sondern aus einem anderen Topf. Jetzt aber sollen alle Systeme aus dem ohnehin hoffnungslos überzeichneten Sondervermögen Bundeswehr finanziert werden." Damit spitze sich die Unterfinanzierung der Bundeswehr weiter zu. Die Entscheidung der Ampel werde das Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten in die politische Führung massiv erschüttern, so Gädechens. Welche Auswirkungen die Entscheidung auf Bundeswehr-Standorte in Schleswig-Holstein bedeutet, ist aber noch unklar.

Scharfe Kritik vom Bundeswehrverband

Oberst André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, sagte, die Militärhilfe sei nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Sicherheit Deutschlands entscheidend. "Sollte die Ersatzbeschaffung für das abgegebene Material jetzt wirklich aus dem Sondervermögen bestritten werden, hieße das, das eine gegen das andere auszuspielen. Deutschland würde nachhaltig auf Kosten der Ukraine geschwächt", sagte er. "Das widerspricht dem Geist des Sondervermögens, widerspricht allen politischen Bekundungen und hilft am Ende nur einem: Wladimir Putin."

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geben ein Pressestatement im Bundeskanzleramt. © Kay Nietfeld/dpa

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 14.12.2023 | 15:00 Uhr

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