Vogelgrippe auf Helgoland: So geht die Insel damit um

Stand: 14.12.2022 05:00 Uhr

Die Nester oben auf dem Plateau sind leer. Die Basstölpel, die auf Helgoland im Sommer gebrütet haben, sind längst ausgeflogen. Doch nur ein Zehntel der Küken hat überlebt. Die Vogelgrippe hat auch die Insel getroffen - und die Folgen sind nach wie vor spürbar.

von Laura Albus

Die Vogelgrippe hat in diesem Sommer zum ersten Mal überhaupt während der Brutzeit Helgoland erreicht. 500 ausgewachsene Basstölpel und 680 Küken sind allein auf der Insel an der Viruserkrankung gestorben. Für Elmar Ballstaedt kam das überraschend. Obwohl er bereits im Juni davor gewarnt hatte, als am Festland besonders viele Fälle des H5N1-Virus auftraten, war er darüber erstaunt, wie heftig es dann die Insel traf. Auch wenn ein Großteil der Lummen und Seevögel die Insel bereits wieder verlassen hatte, musste er dabei zusehen, wie die Tiere in ihren Nestern verendeten.

Elmar Ballstaedt ist Biologe, lebt auf Helgoland und kümmert sich im Verein Jordsand um die Vögel. Er sagt: "Man sieht eine Tierart, die man den Hauptteil seiner Arbeitszeit betreut und schützt. Und dann kommt so ein Faktor und macht Tabula rasa."

Vorbereitung auf das kommende Jahr

Dieses Gefühl der Überraschung, das möchte der Biologe nicht noch einmal erleben. Deshalb haben sich der Verein Jordsand mit der Vogelwarte, der Uni Kiel und weiteren Institutionen ausgetauscht, wie man vorsorglich handeln könne. Ihre gemeinsame Idee: Ein wöchentliches Monitoring - auch außerhalb der Brutzeit. Jeden Freitag geht Elmar Ballstaedt oder einer seiner Mitarbeitenden die Strände ab, auf der Suche nach Totfunden, die sie beproben. Denn: Auch jetzt scheint die Vogelgrippe nach wie vor auf der Insel zu existieren.

Biologen finden noch immer tote Vögel

An diesem Vormittag ist es ein Kormoran, der auf der Hauptinsel tot zwischen den Steinen liegt. Elmar Ballstaedt zieht Schutzmaske und Handschuhe an und nimmt ein Probenröhrchen aus seiner Tasche. Er notiert Fundort, Vogelart und Datum auf dem Röhrchen und öffnet den Schnabel des toten Tieres. Ähnlich wie bei einer Corona-Probe nimmt er auch hier einen Wangenabstrich, den er ins Labor schickt.

Ziel: Mehr über die Viruserkrankung erfahren

Mit dem Monitoring, bei dem sie einerseits die Zahl und den Gesundheitszustand der vorhandenen Vögel dokumentieren, wollen Elmar Ballstaedt und sein Team Rückschlüsse ziehen. Wenn sie wissen, wie das Virus funktioniert, könnten sie möglicherweise Schutzmechanismen aufbauen. Denn nicht alle Vögel, die an der Vogelgrippe erkrankt sind, sterben auch daran, wie der Biologe erklärt: "Bekannt ist, dass manche von den Tiere komplett schwarze Augen hatten." Normalerweise hat der Basstölpel weiße Augen mit einer schwarzen Iris. Doch warum starben nicht alle erkrankten Tiere? Das ist für ihn derzeit noch völlig unklar.

Vogelgrippe: Es könnte noch weitere Vogelarten treffen

Bei H5N1 handelt es sich um einen hochansteckenden Erreger der Vogelgrippe. 2004 wurde diese Variante erstmals in Asien nachgewiesen und stammt aus der Massentierhaltung. Für Elmar Ballstaedt ist es nach dem ersten Ausbruch im Sommer keine Frage mehr, ob es Helgoland noch einmal treffen wird - sondern viel mehr, wann. Denn je nach Zeitpunkt sind unterschiedlich viele Tiere auf der Insel. Der Zeitpunkt könnte die Folgen massiv beeinflussen: Die Lummen waren beispielsweise in diesem Sommer nicht betroffen, da sie die Insel bereits verlassen hatten.

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Bereits positives Testergebnis bei einer Möwe

Auch in diesem Winter gab es schon ein positives Testergebnis. Eine Mantelmöwe ist keines natürlichen Todes gestorben, sondern an der Vogelgrippe. Die Bedingungen auf der Insel ermöglichen es zwar überhaupt erst, dass Vögel hier so erfolgreich brüten können. Doch zeitgleich stellt die 60 Meter hohe Klippe die Vogelschützer der Insel vor ein Dilemma: Denn tote Tiere aus den Felsen zu holen, ist quasi unmöglich. Schon allein die toten Vögel vom Plateau zu sammeln, war im Sommer riskant und auswendig. Dank der Lernerfahrung aus diesem Sommer ist es dennoch etwas, das Elmar Ballstaedt und seine Mitarbeitenden beim nächsten Mal noch früher machen möchten. "Wir sind echt limitiert in dem, was wir tun können," sagt Ballsteadt. In diesem Jahr hat aufgrund der Vogelgrippe nur jedes zehnte Basstölpel-Küken überlebt. Wie sich das Virus langfristig auf die Helgoländer Vogelwelt auswirken wird , ist für den Biologen aktuell noch nicht absehbar.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 14.12.2022 | 19:30 Uhr

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