Mit Kinderliedern zum Erfolg: TikTok-Oma begeistert im Netz

Stand: 20.04.2024 07:51 Uhr

Waltraud Bräuß ist bereits 86 Jahre alt - erreicht auf der Videoplattform TikTok aber ein Millionenpublikum. Für sie geht mit ihrer neuen Karriere ein Traum in Erfüllung.

von Johannes Tran

Drei. Zwei. Eins. Aufnahme läuft. "Hallo, kennt ihr das auch?" Waltraud Bräuß hebt den Arm zur Begrüßung und schaut direkt in die Handykamera. Dann beginnt sie zu singen: "Zehn kleine Zappelmänner zappeln hin und her. Zehn kleinen Zappelmännern fällt das gar nicht schwer." Keine zwanzig Sekunden später ist das Video im Kasten. Bräuß beugt sich über das Display. Ein prüfender Blick. "Hast du gut gemacht", sagt ihr Enkel Felix Nieder. "Na wunderbar", sagt die Großmutter.

Ihr größter Hit hat 1,5 Millionen Aufrufe auf TikTok

Eine ältere Dame sitzt an einem Tisch und blickt auf zwei Fotos aus ihrer Kindheit. © Johannes Tran Foto: Johannes Tran
Ihr Enkel nimmt die Video mit Waltraud Bräuß auf, filmt und schneidet die Clips.

Mit Kurzvideos von Kinderliedern ist die 86-jährige Rentnerin aus Elmshorn (Kreis Pinneberg) eine kleine Berühmtheit auf der Plattform TikTok geworden. Seit einem halben Jahr ist "Oma Waltraud", wie sie sich dort nennt, dabei. Inzwischen folgen ihr fast 60.000 Follower. Dabei singt sie nicht nur, sondern liest auch kurze Geschichten vor oder macht Späße vor der Kamera, zeigt sich etwa bei Dehnübungen oder beim Haare föhnen. Ihr größter Hit, eine Version von "Leise rieselt der Schnee", aufgenommen an einem verschneiten Dezembertag, wurde 1,5 Millionen Mal aufgerufen.

Auf die Idee brachte sie ihr Enkel. Sie nennt ihn scherzhaft "meinen Manager". Er eröffnete den TikTok-Account für sie und steht bei den Videos hinter der Kamera. Außerdem verwaltet er ihren Kanal, lädt die Clips hoch und beantwortet Nutzerkommentare und Presseanfragen. Seit seine Großmutter so bekannt wurde, wollen viele mit ihr sprechen: Zeitungen und Fernsehsender rufen an und fragen nach Interviews. "Dass das so durch die Decke geht, hätte ich am Anfang nicht gedacht", sagt Felix Nieder.

Granfluencer werden immer beliebter

Klar ist: Waltraud Bräuß löst bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern ein Gefühl von Nostalgie und Geborgenheit aus. Ihre Auftritte wirken authentisch und spontan, nicht jeder Ton sitzt perfekt, manches erscheint improvisiert. "Das erinnert mich an meine Ur-Oma", kommentiert ein Nutzer. "Jetzt muss ich weinen, weil ich nicht weiß, wie viel Zeit ich noch mit ihr habe."

Ohnehin hat das Phänomen der sogenannten Granfluencer, also der betagten Influencer, in den Sozialen Medien in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen. "Bitte mehr Oma-Inhalte", titelte die New York Times. "Wir können von Großmüttern nicht genug bekommen."

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Für Waltraud Bräuß erfüllt sich ein Kindheitstraum

Viele der alten Kinderlieder, die sie vor der Kamera singt, habe sie von ihrer eigenen Großmutter gelernt, sagt Bräuß. "Wenn ich singe, dann bin ich fröhlich. Ich brauche an nichts zu denken. Das ist ein gutes Gefühl, fast schwerelos." Oft drehen sie und ihr Enkel mehrere Videos am Stück, um genug neues Material zu haben, das sie posten können. Die vielen Follower wollen gefüttert werden. Wer auf TikTok im Gespräch bleiben will, darf sich keine längere Sendepause erlauben.

Eine ältere Dame sitzt an einem Tisch und blickt auf zwei Fotos aus ihrer Kindheit. © Johannes Tran Foto: Johannes Tran
Das Schönste an dem Projekt: die gemeinsame Zeit, sagen Felix und seine Großmutter.

Mit ihrer neuen Berühmtheit erfüllt sich für die Rentnerin ein Lebenstraum. Schon als Jugendliche wollte sie Sängerin werden, bewarb sich bei einer NDR-Show und wurde zum Vorsingen eingeladen. Der Traum platzte, weil ihre Mutter dagegen war. "Die hat gesagt: So einen Firlefanz gibt es nicht. Aus, Basta." Stattdessen machte Bräuß eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, heiratete und bekam drei Kinder. "Ich hätte nie gedacht, jetzt mit 86 nochmal so rauszukommen."

Singt sie bald auch Schlager?

Wenn ein Beitrag 10.000 Nutzer erreicht, stellt Bräuß das nicht mehr zufrieden. 100.000 sollten es schon sein, am liebsten mehr. "Man hat ja jetzt höhere Ansprüche" sagt Bräuß. Sie prüft regelmäßig die Abrufzahlen ihrer Videos. Das Schönste an ihrem Projekt, so erzählen es die Großmutter und ihr Enkel, sei aber die gemeinsame Zeit. Die Arbeit an den Videos habe sie noch näher zusammengebracht. "Wir telefonieren eigentlich jeden Tag", sagt Felix Nieder, "sie ist wie eine beste Freundin."

Wie geht es also weiter mit ihrem Kanal? Waltraud Bräuß hat viele Ideen. "Die Kinderlieder gehen jetzt langsam zur Neige", sagt sie. Sie könnte sich vorstellen, bald auch Schlager oder Volkslieder zu singen. "Da müssen wir aber erstmal sehen, wie das ankommt." Auch eine TikTok-Oma muss sich nach den Wünschen ihrer Fans richten.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 22.02.2023 | 19:30 Uhr

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