Sex-Skandal in Jugendanstalt: Kritik am Justizministerium wächst
Die Kritik an der Aufarbeitung des Sex-Skandals in der Jugendanstalt Schleswig hält an. Gewerkschafter sprechen von frustrierten Mitarbeitenden - und von Personalnot, auch im Ministerium.
Die Vorfälle in der Jugendanstalt Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) sorgen in der Landespolitik weiter für Aufregung: Zwei Mitarbeiterinnen der Jugendanstalt - eine Psychologin und eine Abteilungsleiterin - sollen Sex mit einem damals minderjährigen Häftling gehabt haben.
Die Vorwürfe, die bereits im November 2024 bekannt wurden, beinhalten unter anderem die Gewährung persönlicher Haftvorteile für den damals zunächst noch 17-jährigen Straftäter. In der Folge sollen die Mitarbeiterinnen Drogengeschäfte des Jugendstraftäters ermöglicht und sich für seine Entlassung stark gemacht haben. So berichteten zumindest verschiedene Medien - darüber hinaus auch über mutmaßliche Verfehlungen weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter anderem der ehemaligen Anstaltsleiterin.
Kritik aus der Opposition
Justizministerium und Staatsanwaltschaft sprechen weiterhin nur von Ermittlungen wegen Bestechlichkeit beziehungsweise der Bestechung gegen die beiden Gefängnismitarbeiterinnen und den mittlerweile volljährigen Häftling. An dieser Kommunikation gibt es Kritik, aus der Opposition, aber auch von der zuständigen Gewerkschaft, dem Bundesverband der Strafvollzugsbediensteten (BSBD).
Nicht ausreichend informiert? Otto Carstens weist Vorwürfe zurück
Staatssekretär Otto Carstens (CDU) wird in einem SHZ-Artikel vorgeworfen, im Innen- und Rechtsausschuss Ende März nicht ausreichend über den Fall informiert zu haben. Konkret geht es darum, dass Carstens Ermittlungsakten nicht gelesen hat, obwohl es dazu offenbar Gelegenheit gab. Daraufhin hat Bernd Buchholz (FDP) Carstens am Mittwoch (09.04.) erneut im Innen- und Rechtsausschuss zur Rede gestellt.
Der dementierte dort die Vorwürfe: "Es ist weder üblich noch ist es sinnvoll, dass ich in meiner Funktion als Staatssekretär umfangreiche Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft aus einem laufenden Ermittlungsverfahren persönlich lese oder umfassende Aufzeichnungen möglicher Telefongespräche aus einem Ermittlungsverfahren persönlich abhöre", sagte Carstens. Er wolle sich als Politiker nicht in die Arbeit der Staatsanwaltschaft einmischen.
FDP-Politiker Bernd Buchholz: "Hier bleibt vieles diffus"
Die Erklärungen von Carstens überzeugten die Opposition nicht. "Ehrlich gesagt, hier bleibt vieles diffus. Was liegt der Staatsanwaltschaft eigentlich vor? Was ist in den Medien publiziert worden und hat die Staatsanwaltschaft oder das Justizministerium überhaupt nachgefragt, ob diese Inhalte in den eigenen Akten stehen? Das ist alles ein bisschen merkwürdig." Marc Timmer, der justizpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kritisierte, dass der Wille an öffentlicher Aufklärung nicht gegeben sei. Zu den Beweismitteln gehören laut Justizministerium unter anderem 47 Audiodateien, z.B. Telefongespräche. Teile davon liegen NDR Schleswig-Holstein vor.
Gewerkschaft BSBD übt Kritik an Aufarbeitung
Noch konkreter in der Kritik wird die Gewerkschaft BSBD, die rund 1.000 Mitarbeitende im Strafvollzug in Schleswig-Holstein vertritt, darunter auch die etwa 100 Angestellten der Jugendanstalt Schleswig. "Was die Aufarbeitung angeht, verspüren wir Enttäuschung und ein wenig Frust unter den Mitarbeitern. Wir müssen aber sagen, dass Staatssekretär Carstens durchaus sehr zugänglich und gesprächsbereit für uns als Gewerkschaft ist", sagte der stellvertretende BSBD-Vorsitzende Michael Hinrichsen.
BSBD bemängelt "Führungslosigkeit" im Justizministerium
"Darunter gibt es jedoch Probleme in der Führungsliga des Ministeriums: In der Abteilung 2 Strafvollzug ist die Position der Abteilungsleitung nicht besetzt zur Zeit. Das ist dem geschuldet, dass der ehemalige Abteilungsleiter das Ressort gewechselt hat und der neue leider auch schon wieder nicht mehr da ist." Konsequenz dieser "Führungslosigkeit" sei, dass die Gewerkschaft Probleme habe, Missstände an der richtigen Stelle zu kommunizieren: "Die Kontrollmechanismen gegenüber den Anstalten sind nicht so ausreichend, wie wir uns das wünschen würden", sagte Hinrichsen.
Jugendanstalt Schleswig: Viele Stellen auf Führungsebene unbesetzt
Im Innen- und Rechtsausschuss hat das Justizministerium bestätigt, dass in der Jugendanstalt Schleswig derzeit auf der mittleren Führungsebene drei von fünf Stellen unbesetzt seien. "Das heißt, zwei Abteilungsleitungen schmeißen gerade den ganzen Laden, und das kann nicht des Rätsels Lösung sein", kritisiert der BSBD-Vorsitzende Henry Malonn. Und zur Aufarbeitung: "Es hätten externe Teams reingemusst, um den Vorfall aufzuklären und keine Personen, die wegen ihres Berufs schon dicht am Geschehen dran waren."
Die beiden ehemaligen Gefängnismitarbeiterinnen haben übrigens Betretungsverbot in der Jugendanstalt Schleswig, der Häftling wurde in ein anderes Gefängnis versetzt und auch die ehemalige Leiterin der Anstalt wurde für zunächst sechs Monate ans Ministerium abgeordnet - aus Fürsorgegründen, wie es von dort heißt.
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